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Smolensk im August 1941: Die Fotos des Wehrmachtsarztes Albert Dieckmann dokumentieren das Leid in der Sowjetunion.

© Museum Berlin-Karlshorst

Museum Berlin-Karlshorst: Fotos eines Wehrmachtsarztes in der Diskussion

Sollte man Fotos eines Wehrmachtsarztes zeigen? Das Museum präsentiert 40 Bilder, die Verbrechen der Nazis an sowjetischen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung 1941 dokumentieren.

Am 22. Juni 1941 überfielen die Nationalsozialisten die Sowjetunion. „In diesem Krieg beging die Besatzungsmacht bis dahin beispiellose Verbrechen an sowjetischen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung“, schreibt das Museum Berlin-Karlshorst. „In der Erinnerung an diesen Krieg spielen Fotografien eine zentrale Rolle.“

Anlässlich des Jahrestags des Überfalls präsentiert das Museum eine neue Ausstellung mit dem Titel „Was erzählen Fotografien? Albert Dieckmanns Bilder aus dem besetzten Osteuropa 1941/42“

Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Farbfotos des Wehrmachtsarztes Albert Dieckmann (1896-1982), wie das hier aus Smolensk, August 1941. Ein Mann aus der Wehrmacht als Star einer Fotoausstellung? Natürlich nicht: Die Fotos werden „multiperspektivisch eingeordnet und kritisch befragt“, versichert Museumsdirektor Jörg Morré. Ziel der Ausstellung sei es, die „außergewöhnlichen Bilder Albert Dieckmanns zu präsentieren und zugleich den quellenkritischen Blick auf Fotografien zu schärfen.“

Ein Mann aus der Wehrmacht als Star einer Fotoausstellung?

Zur Ausstellungseröffnung am 22. Juni um 19 Uhr gibt daher Professor Michael Wildt von der Humboldt-Universität eine Einführung in Fotografie und Nationalsozialismus. „In der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg spielen Fotografien immerhin eine zentrale Rolle“, sagt dieser. „Als vermeintlich objektive Quelle wurden und werden sie in Büchern, Filmen, Dokumentationen und Ausstellungen reproduziert und prägen das visuelle Gedächtnis bis heute.“

In der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg spielen Fotografien immerhin eine zentrale Rolle

Professor Michael Wildt von der Humboldt-Universität.

Dieckmann war leidenschaftlicher Amateurfotograf. Anfang Juli 1941 wurde der Arzt, Ehemann und Vater dreier Kinder als Stabsoffizier in die kurz zuvor von der Wehrmacht eroberten sowjetischen Gebiete versetzt. Bis zu seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im Sommer 1942 machte er viele Aufnahmen in Belarus, Russland und Polen. Mehr als 380 Farbdias befinden sich seit 2007 in der Sammlung des Museums Berlin-Karlshorst. Die Ausstellung zeigt 40 davon.

380
Farbdias von Dieckmann befinden sich in der Sammlung des Museums. 40 davon werden in der Ausstellung gezeigt.

Die Fotos werden umfassend kontextualisiert. Mithilfe von Archivrecherchen wurde der Einsatz des Radfahr-Wachbataillons 48 (B) rekonstruiert, in dessen Stab Dieckmann als Arzt diente. Diese Einheit verwaltete die besetzten Gebiete zwischen Gefechtsgebiet und den rückwärtigen Heeresgebieten.

Ihre Aufgabe war die Sicherung von Nachschubwegen, Versorgungsstützpunkten, Eisenbahnlinien und Nachrichtenverbindungen sowie die Bewachung und der Abtransport von Kriegsgefangenen. Sie waren an diversen Verbrechen an Kriegsgefangenen und an der Zivilbevölkerung beteiligt.

Dieckmann wurde im Radfahr-Wachbataillon eingesetzt

Warum wählte Albert Dieckmann diese Motive? Was fotografierte er und was fehlt in seinen Aufnahmen? Lassen sich aus seinen Bildern Rückschlüsse auf seine Haltung, etwa gegenüber der einheimischen Bevölkerung ziehen? Wie reagierten die Fotografierten? Wie betrachten wir die Bilder? Und wie verändert sich unser Blick, wenn wir mehr über den Kontext wissen? Diese und andere Fragen der quellenkritischen Annäherung an die gezeigten Bilder werden in der Ausstellung thematisiert.

  • Für die Teilnahme an der Eröffnung ist eine Anmeldung erforderlich: kontakt@museum-karlshorst.de Die Ausstellung läuft dann bis zum 17. Dezember.
  • Das Museum Berlin-Karlshorst hat aufgrund des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine seinen Namen geändert. Es hieß vorher „Deutsch Russisches Museum“. Nun weht dort nur noch die Fahne der Ukraine.
  • Das Museum hilft auch bei der Sicherung von Kulturgütern in der Ukraine: tagesspiegel.de
  • Es handelt sich um einen historisch bedeutenden Ort. Das Museum beherbergt den Saal, in dem die deutsche Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet hat. Mehr dazu auf tagesspiegel.de 

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk Lichtenberg, hier einige Themen dieser Woche:

  • Wenn Auto-Parkplätze wegfallen: Senatsverwaltung stoppt vorerst Radwegprojekte
  • Radweg Siegfriedstraße betroffen, doch der Bezirk macht weiter 
  • CDU mit Alltagsrassismus, aber Kritik daran ist nicht konform mit der BVV-Geschäftsordnung
  • Die Frauenbeauftragte, die Kugeln wirft
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  • Bauhaus to go: Ausstellung in der rk-Galerie endet mit Performances 
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