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Der Gedenkstein für die Opfer der „Penzberger Mordnacht“ an der Ecke Penzberger/Münchener Straße im Bayerischen Viertel.

© Markus Hesselmann

Kriegsende 1945: Berliner Erinnerung an die „Penzberger Mordnacht“

Im bayerischen Bergbauort Penzberg wurden 1945 kurz vor Kriegsende 16 Bürger von Nazis ermordet, weil sie ihre Stadt an die Amerikaner übergeben wollten. In der Penzberger Straße im Bayerischen Viertel wird der Opfer gedacht.

Von Markus Hesselmann

Die Penzberger Straße ist anders als die anderen Straßen im Bayerischen Viertel. Sie ist vergleichsweise neu und erhielt ihren bayerischen Namen erst nach dem Krieg. Ein Großteil des Viertels lag in Trümmern, besonders das Gebiet östlich des Bayerischen Platzes. Man habe dort von der Grunewaldstraße bis rüber zum KaDeWe gucken können, hört man heute noch oft im Gespräch mit älteren Kiezbewohnern.

Wegen der flächendeckenden Zerstörung entschieden sich die Planer, das Areal grundlegend neu zu gestalten. Die diagonal vom Bayerischen Platz zur Hohenstaufenstraße verlaufende Speyerer Straße wurde in ihrem südlichen Teil aufgegeben und bebaut. Dringend benötigter Wohnraum entstand. Zwischen Münchener und Berchtesgadener Straße wurde eine kurze, neue Verbindung angelegt und nach Penzberg, dem Bergbauort in Oberbayern, benannt.

Auf dem kurzen Stück steht heute kein Altbau mehr, die Straße ist durch Nachkriegsbauten geprägt, während des Wiederaufbaus hochgezogene Häuser, die in Schöneberg heute teils aufwändig saniert werden, zum Beispiel an der Ecke Penzberger/Münchener Straße. Die Namensgebung wurde laut dem in Zweifelsfällen maßgeblichen "Kauperts"-Straßenverzeichnis 1958 schlicht damit begründet, dass sie den bayerischen Straßennamen in der Umgebung entspricht.

Doch Penzberg passt auch von seiner Geschichte her zum Bayerischen Viertel als Ort des Gedenkens an die Verbrechen der Nationalsozialisten. Am 28. April 1945 wollten Penzberger Bürger die Stadt kampflos den anrückenden Amerikanern übergeben. Der frühere SPD-Bürgermeister Hans Rummer verhinderte die Sprengung des Bergwerks und informierte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter bereits über das Ende des Krieges. Doch Nazi-Freischärler der so genannten Werwolf-Bewegung rückten in die Stadt ein und töteten Hans Rummer sowie weitere 15 Bürger. Am 30. April, zwei Tage nach der "Penzberger Mordnacht", nahmen die Amerikaner den Bergbauort ein.

Bayerische Gedenkkarte mit den Namen der Opfer der „Penzberger Mordnacht“, die am 28. April 1945 von Nazis erschossen und erhängt wurden.

© Alow39, CC BY-SA 2.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons

Mit solchen "Endphasenverbrechen", Nazi-Terror gegen "Landesverräter", "Fahnenflüchtige" und "Wehrkraftzersetzer" in den letzten Monaten und Wochen des Krieges, befassten sich unter anderen die Historiker des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts. Laut einem Fazit in einem "Bulletin" des Instituts "gruben sich die Taten wegen der sinnlosen Gewalt tief ins kollektive Gedächtnis ein". Anders als andere Nazi-Verbrechen wurden diese schon bald nach Kriegsende in Deutschland öffentlich thematisiert. "Die Ahndung der Verbrechen der Endphase erfuhr bereits zeitgenössisch durch die Presse große Aufmerksamkeit", schreibt die Historikerin Edith Raim. "Ebenso sah sich die Justiz von Seiten der Bevölkerung mit vehementen Forderungen nach Bestrafung der Schuldigen konfrontiert."

Solche Straftaten seien oft deutlich strenger geahndet worden als Verbrechen an anderen Opfern. Von den Haupttätern von Penzberg wurden 1948 zwei zum Tode und zwei zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Todesstrafen wurden mit dem Übergang zur Bundesrepublik Deutschland dann in lebenslängliche Strafen umgewandelt.

Die besondere Aufmerksamkeit für solche Taten habe laut Edith Raim noch einen anderen Zweck erfüllt: "Sie bot für die frühe Nachkriegszeit ein willkommenes Narrativ zur NS-Vergangenheit und ein Identifikationsmuster mit deutschen Opfern, die sich heldenhaft gegen die übermächtigen Nazis wehrten und dafür mit dem Leben bezahlten." Dies habe vielen Deutschen als Argumentationshilfe dafür gedient, warum man sich selbst systemkonform verhalten hatte, "war denn nicht zu Kriegsende überdeutlich geworden, wie die Nationalsozialisten rücksichtslos jeden Widerstand brachen, der sich ihnen in den Weg stellte?".

Auch das gehört zu dieser Geschichte. Es ist wichtig, sich dies zu vergegenwärtigen, es schmälert das mutige Vorgehen der Penzberger Bürger nicht. Immer am 28. April gibt es zum Jahrestag im Bayerischen Viertel Gelegenheit, sich an die Opfer der Mordnacht zu erinnern.

1964 wurde Penzberg übrigens Partnerstadt Schönebergs. Die Oberbayern begründeten diese Verbindung nach Berlin mit ihrem Wunsch, "ein Zeichen gegen den Mauerbau zu setzen". Auf der ortseigenen Website bezeichnet sich Penzberg sympathischerweise als Stadt, die "durch Zuzug entstanden" ist. Auch das passt zu Berlin.

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