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Liebe Eltern, bitte nicht in Panik geraten. Das Kind spielt doch nur...

© dpa

Polizeiruf in Berlin-Zehlendorf: Hilfe, mein Sohn ist verschwunden

Manchmal passieren Dinge, von denen wir denken, das kann doch jetzt nicht wirklich wahr sein. Es sind Albträume, in die man sich selbst begibt, ohne es zu wollen. Zum Glück geht diese Sache hier gut aus. Lesen Sie selbst die Geschichte vom verschollenen Sohn.

In der letzten Woche habe ich die wohl panischsten Stunden meines bisherigen Mama-Lebens erlebt. Für knapp zwei Stunden war mein Sohn vermisst. Angst, Panik, eine Motorradstaffel der Berliner Polizei, mehrere Einsatzwagen und ein unglaubliches (aber glückliches) Ende waren die Bilanz des letzten Dienstags.

Eine gute Pointe gibt es auch, es geht ja schließlich um Sebastian. Diesen Tag werde ich wohl nie vergessen…..

Sohn wird vermisst: Wo kann er nur sein?

Letzte Woche lag ich mit einer dicken Erkältung im Bett. Nachdem ich die Kinder mehr oder weniger in Trance von Hort und Kindergarten abgeholt hatte, machte ich meiner Tochter einen Film an und ging zurück ins Bett. Ich hörte noch, wie die Haustür zuschlug. War es die Haustür? Ich bekam nichts mehr so richtig mit. Mein Sohn spielt öfters mit seinen Kumpels draussen. So weit so gut.

Gegen 18:30 Uhr kam mein Mann nach Hause. Er fragte, wo denn Sebastian sei. Wir riefen erst nach ihm und dann erinnerte ich mich an die zugeschlagene Haustür. „Na draußen, hol ihn mal von den Nachbarn ab.“

Mein Mann kam wieder nach Hause, bei den Nachbarn war er nicht. In unserer Siedlung leben viele Familien. Also klingelten wir die engsten Freude ab. Nichts. Nun nahmen wir uns einen größeren Kreis vor und schauten an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsorten nach. Wieder nichts.

Eine Mutter kam vorbei und berichtete, ihr Sohn sei von größeren Jungs ein paar Straßen weiter angepöbelt worden. Nun wurde mir wirklich mulmig. Sollte Sebastian irgendwo festgehalten worden sein? Ich schickte meinen Mann mit dem Rad los, um die Gegend abzufahren. Ich hielt vor der Haustür die Stellung und wurde immer unruhiger.

Die Polizei rückt an: mit Blaulicht und Motorrädern

Überall war er nicht. Es war alles so komisch. Sebastian bewegt sich eigentlich nicht außerhalb unserer Nachbarschaft und sagt (meistens), wo er hin geht. Als es 19:30 Uhr wurde, riefen wir die Polizei. Nach zehn Minuten kamen die Beamten mit Blaulicht vorgefahren. Mittlerweile hatten sich mehrere Nachbarn und ihre Kinder vor unserer Tür versammelt. Bei allen wuchs die Angst.

Dann begann die Befragung durch die Beamten. „Gibt es Probleme bei Ihnen zu Hause?“ „Nein, nur das übliche, Familie eben.“ „Sind sie reich?“ Wir schauten ratlos auf unser Reihenendhaus, vor dem wir standen. „Na ja…“ „Haben sie Feinde, sind sie berühmt?“ „Also, nee….“ „Sind ihre Eltern Industrielle?“

Im Nachhinein kam mir das wie eine Szene aus einer alten „Derrick“-Folge vor. Reichtum? Industrielle? In Berlin-Zehlendorf wahrscheinlich gar nicht so ungewöhnlich, aber für mich in der Situation irgendwie absurd.

Die Polizisten machten aber einfach ihren Job und sie machten ihn gut. Strukturiert und ruhig. Wir im Gegensatz hatten große Mühe die Fassung zu behalten. Die Anwesenheit der Polizisten machte die Gefahr deutlich. Unser Sohn ist nicht da! Wo ist er nur?

Nachdem ein Foto von Sebastian abfotografiert wurde, machte der leitende Beamte Meldung bei der Dienststelle.

„Es wird ein ganz reizender, achtjähriger Junge mit hellbraunen Haaren und braunen Augen vermisst…“

Die Polizei kam schnell und machte ihre Arbeit. Und zum Glück durfte sie bald wieder gehen...
Die Polizei kam schnell und machte ihre Arbeit. Und zum Glück durfte sie bald wieder gehen...

© privat

This is where I lost it. Ich brach in Tränen aus, Hilflosigkeit und Angst wurden zu Panik. Mein Mann konnte sich ebenso kaum beherrschen. Meine Tochter rief: „Wo ist mein Sebastian, ich liebe den, der soll wiederkommen.“

Ich weiß nicht, wie oft die Polizisten in unserem Bezirk schon in solchen Situationen waren, aber sie haben uns wirklich gut betreut. Sogar eine Motorradstaffel, die gerade in der Nähe war, suchte mit.

„Diese Fälle gehen zu 98 Prozent glücklich aus, wir gehen jetzt ins Haus und telefonieren alle Klassenkameraden ab“, bestimmte der Beamte. Ich glaubte ihm kaum, aber war froh eine Aufgabe zu haben. Mein Mann wurde zu den Spielplätzen in der Gegend geschickt.

Einfach mal in Ruhe Trash TV glotzen

Die Telefonliste hängt an der Pinnwand im Büro, das im Obergeschoß unseres Hauses liegt. Ich ging also die Treppe hoch und sah noch im Vorbeigehen die geschlossene Tür des Fernsehzimmers. Wieso ist die Tür zu? Die ist doch nie zu…

Wie ferngesteuert machte ich sie auf und da saß er, der vermisste Sohn. Vor dem TV und bekam gerade viereckige Augen!

„SEBASTIAN!!!!! WO WARST DU?!?““ Das war alles, was ich heraus bekam.

„Na hier, wieso?“

„Aber die Polizei sucht Dich!!!!“

„Wieso denn, ich war doch hier!“

„Aber wie haben doch gerufen!“

„Aber ich hab‘ die Tür zugemacht!“

„Aber wir haben Dich nicht gefunden!“ (Ich merkte gerade, was ich für einen Unsinn redete, die Nerven lagen immer noch blank)

„Aber WIESO denn?“

„Ich wollte mal in Ruhe SAT1 schauen.“

Whaaaaaaas? Ich weinte und lachte gleichzeitig und nahm meinen völlig konsternierten Sohn mit hinunter, wo die Polizei auf ihn wartete. Zwei Streifenwagen, ein Motorrad aus der Staffel. Ein ziemlicher Bahnhof für einen kleinen Jungen.

Ich entschuldigte mich bei den Polizisten. Eine Motorradstaffel und vier Einsatzwagen suchen einen Jungen, den die Eltern in ihrem eigenen Haus nicht finden konnten? Der die ganze Zeit des Einsatzes schön gemütlich Trash TV glotzte???? Wie peinlich ist das denn?

Der Preis für die beklopptesten Eltern aus Berlin geht an: uns! So viel ist klar.

„Ich freue mich, dass wir bei diesem glücklichen Ende dabei sein konnten“, sagte der nette Beamte und zu meinem Sohn: „Deine Eltern haben Dich sehr lieb, junger Mann. Immer schön sagen, wohin Du gehst, okay?“

Nach dieser Geschichte kochten wir erst einmal ganz viel Spaghetti für die Seele. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, fragte ich meinen Sohn, was da eigentlich so spannend im TV wäre, dass man die Tür schließen muß und nicht mehr hört, wenn man gerufen wird.

„Knutsch- Sendungen und Werbung,“ war seine ehrliche und knappe Antwort.

Und hier musste ich wieder weinen, aber vor lauter Lachen!

Ist Euch so etwas auch schon mal passiert?! Wahrscheinlich sind aber ja nur wir so bescheuert…..

Unsere Autorin bloggt regelmäßig unter www.frau-mutter.com, sie wohnt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf Tagesspiegel-Zehlendorf, dem digitalen Stadtteilportal aus dem Südwesten.

Nina Massek

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