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Damit sollten Kinder spielen und nicht mit Heroinspritzen in Kreuzberg.

© Imago

Heroin, Müll, Bierflaschen: „Unsere Berliner Spielplätze sind in Not“

Das Kind verletzte sich an einer Spritze – die Eltern sind schockiert. Was passiert dann? Ein Interview einer Initiative, die sich für sichere Spielplätze einsetzt.

Die Berliner Initiative „Spielplatz in Not“ versteht sich als Lobby für Kinder als Nutzer*innengruppe der Spielplätze. Eine Kerngruppe von etwa 15 Engagierten und ein Netzwerk von über 100 Eltern, Erzieher*innen und anderen Menschen aus dem Bezirk stellten den Einwohner*innenantrag „Sichere Spielplätze in Friedrichshain-Kreuzberg. Gebt den Kindern ihren Raum zurück!“. Mit etwa 1200 gültigen Unterschriften, die Ende Februar beim BVV-Büro abgegeben wurden, werden die Bezirksverordneten bald über die Forderungen abstimmen.

Die Kreuzbergerin Paula Camara ist Mitinitiatorin - das Interview erschien diese Woche im aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg.

Paula, im August 2020 hast du die Initiative mit gegründet. Warum?
Im Februar 2020 hat sich unser damals dreijähriges Kind auf einem Barfuß-Spielplatz an einer Heroinspritze verletzt. Wir waren erst mal schockiert, erschrocken und wütend auf uns selbst. Die Odyssee von HIV-Tests mussten wir hinter uns bringen – das dauerte ein Jahr. Dann haben wir gemerkt, es funktioniert nicht, nur ohnmächtig und wütend zu sein. Wir mussten uns sortieren und hinterfragen, wer überhaupt die Verantwortung trägt. Auch fragten wir uns: Warum wird ein Platz für Kinder bereit gestellt, aber nicht darauf geachtet, dass Kinder ihn nutzen können?

Was habt Ihr unternommen?
Das Problem: Es gibt im Bezirk keine zuständige Person, Behörde oder Lobby für Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum. Das braucht es aber. Wir konnten niemand anrufen und sagen: Schaut mal, hier müsst ihr was machen. Wir haben damals an Monika Herrmann einen langen, zugewandten Brief geschrieben. Natürlich gibt es im Bezirk viele Menschen, alle haben ihre Daseinsberechtigung und ihre Nöte. Aber innerhalb dieser Not von Erwachsenen gehen Kinder komplett unter.

Kam eine Antwort?
Es gab keine Antwort. Wir haben die Nachricht dann nochmal geschickt. Zwei Monate später kam von der Drogen- und Suchtbeauftragten des Bezirks eine Antwort, in der eigentlich nur stand: ‚Tut uns furchtbar leid, wir versuchen, Lösungen zu finden, aber ist halt so‘. Diesen Fall habe ich dann in der Facebook-Gruppe ‚Ich Wrangelkiez‘ öffentlich gemacht. Ich wollte, dass andere Eltern achtsam sind. Wir haben dann Rückmeldung von knapp zehn Eltern bekommen, deren Kinder sich auch verletzt haben. Es ist kein Einzelphänomen.

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Sie kämpft gegen den Dreck auf den Spielplätzen: Paula Camara aus Kreuzberg.
Sie kämpft gegen den Dreck auf den Spielplätzen: Paula Camara aus Kreuzberg.

© privat

Ist die Verschmutzung und die Gefahr auf Spielplätzen ein bezirksweites Problem? 
Wir haben uns damit über den Wrangelkiez hinaus beschäftigt und viel nachgefragt. Dann stellten wir fest, im Volkspark Friedrichshain, auf dem Kreuzberg, am Marheinekeplatz, auf dem Boxhagener Platz ist es dasselbe. Also es gibt schon Hotspot-Plätze und weniger betroffene Plätze. Aber trotzdem sind alle Plätze von Fremdnutzung betroffen. Eltern haben den Bezirk auch schon deswegen verklagt. Unser Fokus liegt immer auf Solidarität und dem gemeinsamen Zusammenleben für alle, aber das hat im Fall der Spielplätze auch negative Auswirkungen.

Warum sind die Spielplätze in Not? 
Einerseits sind die Spielplätze sind in Not, weil sie abgebaut sind und nicht gereinigt werden. Andererseits sind es auch Spielplätze innerhalb der Not, die um uns herum stattfindet: Verschmutzung und Drogenkonsum. Wir haben jahrelang beobachtet, wie die Spielplätze im Bezirk verkommen sind. Es ist ein jahrzehntelanges Versäumnis, nicht nur das von Frau Herrmann. Dabei sind es doch die Räume der Kinder.

Was bedeutet „nicht gereinigt“?
Sie werden nur ein zwei Mal in der Woche gereinigt. Das bedeutet, dass sie von Privatfirmen oberflächlich ‚abgewischt‘ werden. Die Büsche, der Sand und unter Spielgeräten wird nicht gereinigt. Die Mülleimer werden von der BSR geleert, sofern sie voll sind. Es wird nicht speziell auf Gefahrenquellen, insbesondere auf Drogenbestecke, geachtet. Die Firmen machen Fotos und schicken diese an das Grünflächenamt, um zu zeigen: Wir haben sauber gemacht.

[Mehr Familientipps, viele Termine, viele Kieznachrichten - immer in unseren 12 Bezirksnewslettern: leute.tagesspiegel.de]

Eltern müssen nicht nur beim Schaukeln aufpassen.
Eltern müssen nicht nur beim Schaukeln aufpassen.

© dpa

Das reicht aber nicht.
Nein, bei täglicher Fremdnutzung reicht das nicht. Die Spielplätze werden zum Schlafen und als Toilette genutzt. Es entstehen Gefahrenquellen durch menschlichen Kot, Drogenbestecke, Glasflaschen und Zigaretten. Und dann sollen da Kinder im Sand spielen. Die Verdrängung von Drogenkonsumenten und Wohnungslosen hat sich auf die Spielplätze verlagert.

Was fordert Ihr im Antrag?
Wir haben klare Forderungen im Antrag daraufhin formuliert, dass sie beschlussfähig sind. Wir fordern, dass die Spielplätze täglich von der BSR oder vom Bezirk gereinigt werden – mit Fokus auf Gefahrenquellen, Ränder und Sand. Viele Kitas und Eltern sind auf die Spielplätze angewiesen. Diese Notwendigkeit, draußen spielen zu können, hat sich durch Corona verstärkt.

Es gibt auch Parkläufer*innen im Bezirk. Könnten die auch helfen? 
Die Parkläufer sind wichtige Kommunikationsknotenpunkte, noch bevor die Polizei eingreifen muss. Aber eigentlich ist es wichtig, die aufsuchenden Sozialarbeit auszuweiten. Das ist ein weiterer Punkt in unserem Antrag. Eltern sind oft überfordert damit, an wen man sich in kritischen Situationen wenden soll. Wir wollen nicht immer die Polizei rufen. Es gibt Gangway e.V. und Fixpunkt e.V. – aber die haben einfach nicht den Auftrag, speziell auf Spielplätze zu achten. Und um die Menschen in Not muss sich jemand kümmern.

Der Einwohner*innenantrag der Initiative ist auf der Webseite www.spielplatz-in-not.de zu finden. „Spielplatz in Not“ twittert mit dem Handle @SpielplatzN.

Hier noch mehr Themen, die Sie im aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg finden.

- Corona-Update: Wo man sich im Bezirk testen lassen kann

- Die Initiative "Spielplatz in Not" versteht sich als Lobby der Kinder – Mitinitiatorin Paula Camara im Interview

- Räumungsankündigung für die "Meuterei"

- Wo die Parklets noch Winterschlaf halten

- Chronologisch geordnete Neuigkeiten zur Rigaer Straße 94

- Neue Kreuzberger Bewerber*innen für den Berliner Fußball-Verbands-Vorsitz

- Was ist ein Haiku? Zeilen eines Friedrichshainer Lyrikers auf der U-Bahn

- Mehr Klimaschutz und Artenvielfalt auf den Friedhöfen

- Kreuzberger Tanzschule unterstützt Kultur mit Räumen und "WalzerStream"

Die Tagesspiegel-Newsletter gibt es für alle 12 Berliner Bezirke und haben mittlerweile schon 240.000 Abos. Darin informieren wir Sie einmal in der Woche gebündelt und kompakt, was so los ist in Ihrem Kiez. Auch lassen wir in den Newsletter oft Leserinnen und Leser zu Wort kommen, schließlich kennt keiner die Kieze so gut wie die Leute, die dort leben.

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