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"Wer die Namen lesen will, muss sich vor ihnen verneigen!" (Helmut Lölhöffel)

© Mike Wolff

Helmut Lölhöffel über Stolpersteine: Wer die Namen lesen will, muss sich vor ihnen verneigen

Die Ansprache des Koordinators der Stolperstein-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf bei der Verlegungs-Zeremonie in der Jenaer Straße im Wortlaut.

Ich bin Helmut Lölhöffel von der Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf, die sich um das Gedenken an die von den Nazis umgebrachten Berlinerinnen und Berliner kümmert. Sie wurden ermordet, weil sie Juden waren oder weil sie in Opposition zum damaligen System standen.

Wir sind heute hier zusammengekommen, um zehn Stolpersteine zu verlegen an vier Häusern in der Jenaer Straße.

Vorher möchte ich ein paar Zahlen nennen. Das ist keine bürokratische Statistik und auch kein Nachweis unserer Aktivität. Sondern wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen und vergegenwärtigen, welches unfassbare Grauen hier in unserem Land und in unserer Stadt angerichtet worden ist.

Aus Berlin sind zwischen 1939 und 1945 rund 55.000 jüdische Menschen deportiert und ermordet worden. Allein aus den Stadtteilen Charlottenburg und Wilmersdorf waren es 13.200. Nicht eingerechnet die anderen Opfer der Nazi-Diktatur wie Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, Christen, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Sinti und Roma, Freimaurer oder andere Verfolgte, nicht zu vergessen die Euthanasie-Opfer.

Bis heute haben wir in Berlin mehr als 5500 und in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf mehr als 2250 Stolpersteine verlegt. Wir verlegen diese Stolpersteine, weil wir das Erinnern an dieses entsetzliche deutsche Verbrechen wachhalten wollen. Ein Nebeneffekt dieser von dem Künstler Gunter Demnig erfundenen Gedenksteine ist: Wer die Namen lesen will, muss sich vor ihnen verneigen!

Jeder Stolperstein ist ein von Hand hergestelltes Kunstwerk. Jeder ist ein Einzelstück. Ein kleines Denkmal für Menschen, die keine Gräber haben. Die Nazis haben ihre Existenzen vernichtet und wollten ihre Namen auslöschen. Wir holen die Namen der Ermordeten an die Orte zurück, wo sie zuletzt freiwillig gewohnt und gelebt haben. Jede Inschrift beginnt mit den Wörtern: „Hier wohnte“.

Serge Klarsfeld, der in Paris lebt, hat einmal sinngemäß gesagt: 6 Millionen Opfer – eine unvorstellbare Zahl! Wir müssen immer daran denken: Es waren eine und einer und eine und einer und noch einer ...

Zum Gedenken an zwei von ihnen legen wir jetzt zuerst diese beiden Stolpersteine für Clara und Leonhard Wohl.

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