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 Schülerinnen Gruppe Foto by Martha Wolff, in „Berliner Leben“ Heft 7, 1907 via Zentrales Landesbibliothek Berlin.

© Martha Wolff

Gartenlehranstalt für Frauen 1894: Als Berliner Damen erstmals zeigten, was eine Harke ist

In Folge 20 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte berichten wir von Elvira Castner, die Berlins erste Gartenbauschule für Frauen eröffnete.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

| Update:

Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Willst du eine Stunde glücklich sein, dann betrinke dich. Willst du das ganze Leben glücklich sein, dann werde ein Gärtner!“ Als Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1823 die Königliche Gärtnerlehranstalt gründen ließ, begaben sich dort zunächst elf junge Männer auf den Pfad zum lebenslangen Glück. Frauen waren nicht dabei: Gartengestaltung war Männersache, Damen mit Spaten waren nicht nur verspottet. Außer ihrer vornehmen Blässe riskierten sie auch ihren guten Ruf zu verlieren, sobald sie mehr als Rosen-Pflücken wagten. Dieser Zustand dauerte an bis spät in 19. Jahrhundert – was nicht bedeutet, dass manche Damen trotzdem Harke oder die Spatengabel schwangen.

Elvira Castner, eine in Baltimore an der Ostküste der USA ausgebildete deutsche Zahnärztin (als Frau war ihr Medizinstudium in Deutschland nicht gestattet) betrachtete das Gärtnern nicht nur als Freude. In Ihren Augen bot es sich an als perfekter Beruf für die „höheren Töchter“, also junge Frauen aus „guten Familien“, die beruflich nur wenig Auswahl bei Berufen hatten. In der Regel waren sie „verheiratet“ oder „verwitwet“. Bei der Gartengestaltung sollten sie das Ästhetische und das Praktische ausleben können.

Frl. Dr. Elvira Castner, vermutlich aufgenommen 1914, anlässlich ihres 70. Geburtstages, abgebildet in der „Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde“ desselben Jahres.

© Zeitschrift für Gartenbau

Im Jahr 1894 öffnete Castner in der Fregestraße in Berlin-Friedenau ihre private Gartenlehranstalt für Frauen. Zu den anfänglich sieben Schülerinnen kamen bald weitere Damen dazu, die seit 1890 in Hedwig Heyls Haushaltsschule in Charlottenburg Topfblumen züchten und binden lernten. Elvira Castners Lehranstalt bat ihnen die Möglichkeit über den Tontopf-Rand zu schauen. Vielleicht könnten sie später auch eigene Gärtnerei leiten? Oder – sollte die Zukunft Frauen doch gnädiger sein – Jobs als Obergärtnerinnen finden?

Bald erlebte die Schule einen rapiden Aufschwung. Um die Gartenanlagen erweitern zu können, investierte Castner ihr privates Geld in 14 Morgen Land in Marienfelde, wo bis 70 Gärtnerinnen pro Jahr ausgebildet wurden. Vierzig von ihnen lebten im schuleigenen Wohngebäude. Nach zwei Jahren Ausbildung verließen die Absolventinnen die Schule mit viel praktischen Wissen und einem Diplom.

Pflanzen von Artischocken in Castners Gartenschule in Marienfelde. Das Foto entstand 1907.

© Martha Wolff

Schief angesehen wurden sie trotzdem: laut vieler männlichen Kollegen führte die weibliche Zulassung zu einer „Überproduktion“, „weiteren Preissenkungen“. Manche Männ betrachten bis heute Frauen an der Harke als Weltuntergang.

Der fand zwischen 1914 und 1918 tatsächlich statt, aber nicht, weil die Frauen Zucchini züchteten. Da war qzuasi überlebenswichtig: Frauen mussten im Krieg aufs Feld, um das ausgehungerte Volk zu ernähren. Im Jahr 1919 registrierte Elvira Castners Schule ihre 1000. Studentin. Noch drei Jahre lang blieb die Gartenlehranstalt erhalten. Dann, in der Inflationskrise, musste das Gelände verkauft werden.

Elvira Castner, Trägerin des silbernen Verdienstkreuzes am weißen Bande und Mitglied der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft, starb am 13. Juli 1923. Genau ein Jahrhundert später feiert die neu gegründete Berliner Königliche Gartenakademie in Dahlem ihren 15. Geburtstag – eine Akademie, die von zwei Frauen gegründet wurde. Eine von ihnen, Gabriella Pape, ist die einzige deutsche Medaillenträgerin der weltberühmten Chelsea Flower Show in London.

Diese Kolumne über Berlins Wirtschaftsgeschichte erscheint immer sonnabends.

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