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Ute Jaroß leitet das Frauenzentrum in Berlin-Adlershof

© Julia Schmitz

Frauenzentrum in Berlin-Adlershof: „Leider gilt nicht: Wer schlägt, der geht“

In der Radickestraße in Adlershof berät Ute Jaroß Frauen zu zahlreichen Themen. Besonders Fragen zu häuslicher Gewalt gebe es immer häufiger, sagt sie – und fordert mehr Unterstützung von der Politik.

Ute Jaroß hat gute Laune. Bei meinem Eintreffen verabschiedet sie noch zwei Mütter, die am Morgen mit ihren Kleinkindern zur Krabbelgruppe gekommen waren, dann setzen wir uns mit einer heißen Tasse Tee an den Besprechungstisch in der Radickestraße in Adlershof. Die gute Laune braucht die 59-Jährige auch, denn die Themen, mit denen sie bei ihrer Arbeit täglich in Kontakt kommt, sind alles andere als leichte Kost.

Seit 2020 leitet Ute Jaroß als „One Woman Show“ das Frauenzentrum von Treptow-Köpenick, das zu der gemeinnützigen Stephanus-Stiftung gehört und vom Bezirksamt finanziert wird. Hier können sich Frauen zu verschiedenen Themen beraten lassen, darunter Finanzen, berufliche Orientierung oder Kitaplatzsuche. „Vor allem die Anfragen rund um häusliche Gewalt sind in letzter Zeit aber regelrecht explodiert“, erzählt sie.

Die Pandemie habe die Situation deutlich verschärft. Viele Frauen möchten sich von ihrem Partner trennen, könnten aber nicht ausziehen. Nicht immer sei diese Trennung einvernehmlich, häufig komme es zu Konflikten, die in Gewalt mündeten. „Aber in Berlin ist es schwer, vor allem für alleinerziehende Frauen, so schnell eine eigene Wohnung zu finden. Und es gilt ja leider nicht: Wer schlägt, der geht.“

Istanbul-Konvention auch in Berlin gültig

Von Gleichberechtigung seien wir noch immer sehr weit entfernt, auch wenn es schon deutlich besser geworden sei als früher. Das Frauenzentrum sei kein Frauenhaus, doch immer wieder klingele bei ihr mitten in der Nacht das Telefon, so Jaroß. Frauen, die in einer akuten Notlage seien, müsse sie dann an die BIG-Notrufnummer verweisen.

2018 hat Berlin die Istanbul-Konvention des Europarats unterschrieben, die Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung definiert. Anfang des Jahres erarbeitete der Senat eine umfassende Strategie zum Schutz betroffener Frauen. „Aber da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Jaroß. Aktuell fürchten viele soziale Projekte Kürzungen in der finanziellen Unterstützung des Senats, die eh schon Spitz auf Knopf ausgelegt ist.

Das gilt auch für den Bezirk, der für das Frauenzentrum lediglich eine Vollzeitstelle finanziert. Um alle Anfragen zu bewältigen, bräuchte es mindestens eine weitere Vollzeitstelle, so Jaroß, die seit 30 Jahren im sozialen Bereich arbeitet. Dann ließe sich auch die emotionale Belastung aufteilen. „Die ganzen Schicksale, mit denen ich hier in Kontakt komme – das macht schon etwas mit mir“, erzählt sie. Es sei auch schon mehrmals vorgekommen, dass ein wütender Mann vor der Tür gestanden hätte, erzählt sie. „Für manche ist allein der Begriff ‘Frauenzentrum’ schon ein rotes Tuch.“

Mehr Präventionsangebote nötig

Umso wichtiger sei die Vernetzung mit anderen Akteuren im Bezirk. Neben der Zusammenarbeit mit den Frauenprojekten Treptow-Köpenick und der Gleichstellungsbeauftragten Susanne Jörg, nimmt Jaroß an dem vor Kurzem gegründeten „Runden Tisch Häusliche Gewalt“ teil. Dort sei unter anderem auch das Jugendamt, das Familiengericht und der Opferschutz der Polizei vertreten, um konkrete Maßnahmen zur Einhaltung der Istanbul-Konvention zu entwickeln.

Doch es brauche dringend mehr Angebote im Bezirk, so Jaroß. Und vor allem nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer: „In ganz Berlin gibt es nur ein Väterzentrum sowie eine Beratungsstelle der Volkssolidarität. Aber die richtet sich vor allem an jene, die bereits gewalttätig geworden sind.“ Es müsse mehr Präventionsarbeit zu häuslicher und auch digitaler Gewalt geben.

Ute Jaroß kann das nicht allein auf ihre Schultern nehmen, auch sie braucht Auszeiten. Aber sie kann jeden Tag mit dem Gedanken nach Hause gehen, wirklich wichtige Arbeit geleistet zu haben.

Dies ist ein Text aus dem wöchentlichen Tagesspiegel-Newsletter für Treptow-Köpenick, der jeden Montag erscheint. Weitere Themen sind unter anderem:

  • Ärzte statt Abriss: Die Linke fordert Umbau des Park Centers zu Sorgezentrum
  • Kein Personal für Winterdienst: Treppe zum Müggelturm bis Ende April gesperrt
  • Bauoffensive kommt voran: Online-Karte zeigt, wo in Berlin neue Schulplätze entstehen
  • Advent, Advent, ein Lichtlein brennt: Zahlreiche Weihnachtsmärkte im Bezirk öffnen am Wochenende
  • Im Ernstfall muss es schrillen: Treptow-Köpenick baut die Sirenen wieder auf

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