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Plattenbauten im Kosmosviertel sind jetzt wieder in städtischer Hand. Sie waren in den 90er Jahren privatisiert worden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Fluktuation und Fassadenschäden: Unzufriedenheit im Berliner Kosmosviertel steigt

Wie lebt es sich am Stadtrand? Das Initiativenforum Stadtpolitik hat drei Schwerpunkte in den Außenbezirken untersucht — unter anderem die Großwohnsiedlung in Altglienicke.

Wenn es um die Verhältnisse auf dem Berliner Mietmarkt und die Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger geht, stehen meistens die Bezirke innerhalb des S-Bahn-Rings im Fokus. Aber wie ist die Lage in den Bezirken am Stadtrand? Mit welchen Problemen haben die Bewohnerinnen und Bewohner dort zu kämpfen, welche Bedürfnisse haben sie? Eine Studie im Auftrag des Initiativenforums Stadtpolitik Berlin hat dies nun erstmalig untersucht.

Neben Spandau, Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf nimmt sie auch Treptow-Köpenick in den Blick. Der Bezirk kommt in der Zusammenfassung ziemlich gut weg: Hier ist die Bevölkerungsdichte im gesamtstädtischen Vergleich am geringsten, nur 1671 Menschen leben hier auf einem Quadratkilometer.

53,4
Prozent der Kinder im Kosmosviertel leben in Armut.

Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen liegt mit 2400 Euro über dem Berliner Durchschnitt, gleichzeitig liegt die Arbeitslosigkeit mit 4,3 Prozent deutlich niedriger. In Bezug auf Altersarmut schneidet Treptow-Köpenick sogar mit Abschnitt am besten ab: Nur 2,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner sind im Rentenalter auf Transferleistungen angewiesen.

Über 80 Prozent der Immobilien besteht hier aus Ein- und Zweifamilienhäusern und befindet sich im Privatbesitz, auch dies eine verhältnismäßig hohe Zahl. Gleichzeitig entstehen im Bezirk die meisten Neubauten: Allein im Jahr 2021 hat das Bezirksamt 3754 Baugenehmigungen erteilt. Ganze Siedlungen mit Mehrfamilienhäusern entstehen neu und führen zu einer Überlastung der Infrastruktur, sowohl im schulischen Bereich als auch im Bezug auf den Verkehr. Viele Anwohnende kritisieren die schnellen Verdichtungen, die ihnen undurchdacht und problematisch erscheint.

Mieterprotest im Fokus

Weil die oben genannten Zahlen nur den Durchschnitt, nicht aber die tatsächliche Lage in einzelnen Gegenden abbilden, hat sich die Studie einen konkreten Ort vorgenommen: Das Kosmosviertel in Altglienicke wurde in den vergangenen Jahren häufig als Brennpunkt bezeichnet; knapp 6000 Menschen leben in der Plattenbausiedlung, die noch zu DDR-Zeiten ab 1987 erbaut und 1991 bezugsfertig wurde. Die Kinderarmut liegt hier bei 53,4 Prozent (Stand 2020), knapp 29 Prozent beziehen Transferleistungen.

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2017 erlangte das Viertel berlinweit Aufmerksamkeit, weil Anwohnerinnen und Anwohner den „Mieterprotest Kosmosviertel“ gründeten, um gegen die damalige Eigentümerin Schönefeld Wohnen GmbH & Co. KG mobil zu machen. Diese hatte umfassende „energetische Sanierungen“ in den Häusern angekündigt, was eine satte Erhöhung der Mietpreise mit sich brachte – für viele der älteren oder auf Sozialhilfe angewiesenen Bewohnerinnen und Bewohner nicht bezahlbar.

Langfristig hatte der Protest Erfolg: Das landeseigene Unternehmen Stadt und Land kaufte die Häuser und machte die Mietsteigerung rückgängig. Seitdem sind die Wohnungen belegungsgebunden; wer hier leben möchte, braucht einen Wohnberechtigungsschein.

Die Zufriedenheit im Viertel hat dies aber nur teilweise erhöht, glaubt man der Studie. Immer wieder beklagen sich Anwohnende über kaputte Fahrstühle und mangelhafte Elektrik in den Häusern. Es fehle an Dienstleistungen für den täglichen Bedarf und sozialen Treffpunkten wie Cafés oder Restaurants. Außerdem habe das nachbarschaftliche Miteinander in den vergangenen Jahren gelitten, früher sei „vieles einfacher gewesen“.

Einige der Befragten führen das auf den stärkeren Zuzug von Menschen mit Migrationshintergrund zurück, der früher im berlinweiten Vergleich sehr niedrig war. „Für die Deutschen, die hier sehr lange wohnen und es sehr gewohnt waren, dass es hier auch für sie nichts Ungewohntes gibt, kam das jetzt sehr schnell, dass sie sagen, jede Person oder mindestens jede Zweite, die hier einzieht, ist ja gar nicht Deutsch. Deshalb so eine latente Unruhe, glaube ich, bei vielen Leuten, die mit der Entwicklung nicht klarkommen oder die nicht klarkommen wollen“, wird eine Mitarbeiterin des Quartiersmanagements zitiert.

Das Kosmosviertel liegt am Rand Berlins. Umso wichtiger ist es, dass die Bewohnerinnen und Bewohner nicht auch noch gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden.

Dies ist ein Text aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Treptow-Köpenick, der jeden Montag erscheint. Weitere Themen in dieser Woche sind unter anderem:

  • „Wehret den Anfängen“: Vor 85 zerstörten Köpenicker Bürger die Synagoge in der Freiheit 8
  • Der Tausendsassa aus Adlershof: Moritz Russ studiert Schauspiel an der Hochschule Ernst Busch
  • Akute Brandgefahr: Eigentümer soll Containercamp am S-Bahnhof Grünau räumen
  • Sternfahrt zum Abschied: S-Bahn zieht Baureihe 485 aus dem Betrieb
  • Es war einmal: Geschichten lauschen bei den Berliner Märchentagen
  • Zwölfte Niederlage in Folge: 1. FC Union in der Krise

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