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Charlotte von Mahlsdorf im Gründerzeitmuseum.

© Hubert Link/dpa

Charlotte von Mahlsdorf: Autobiografie der Berliner Trans-Aktivistin neu aufgelegt 

Im Januar ist das Buch, das im Erscheinungsjahr 1992 verfilmt wurde, im Jaron-Verlag neu aufgelegt worden. Grund genug, sich noch einmal mit einer spannenden Lebensgeschichte auseinanderzusetzen.

Bei queerem Leben in Berlin denken vermutlich nur die allerwenigsten zuerst an Mahlsdorf. Doch der beschauliche, fast schon dörfliche Stadtteil von Marzahn-Hellersdorf war über lange Jahre der Lebensmittelpunkt von einer der wirkmächtigsten trans Personen Berlins, Charlotte von Mahlsdorf (1928-2002).

„Die dreißig Skinheads näherten sich Mahlsdorf mit Eisenstangen, Gaspistolen, Leuchtspurmunition und herausgebrochenen Zaunlatten“. So beginnt „Ich bin meine eigene Frau“, die Autobiografie von Charlotte von Mahlsdorf. Die Szene beschreibt einen Überfall von Neonazis auf ein Fest, kurz darauf verließ Charlotte von Mahlsdorf Berlin.

Charlotte von Mahlsdorf – Ich bin meine eigene Frau
Charlotte von Mahlsdorf – Ich bin meine eigene Frau

© Jaron

Im Januar ist das Buch, das direkt im Erscheinungsjahr 1992 verfilmt worden ist, im Jaron-Verlag neu aufgelegt worden. Grund genug, sich noch einmal mit ihrer spannenden Lebensgeschichte auseinanderzusetzen.

Vier Jahre Jugendgefängnis

Charlotte von Mahlsdorf wurde am 18. März 1928 in Mahlsdorf geboren und bekam einen männlichen Vornamen, der Nachname lautete Berfelde. Ihr Vater war NSDAP-Mitglied, er drängte sie zum Eintritt in die Hitler-Jugend. Als ein Streit eskalierte, zog er eine Pistole – woraufhin sein Kind ihn mit einem Nudelholz erschlug. 1945 wurde Berfelde deshalb als „asozialer Jugendlicher“ zu vier Jahren Jugendgefängnis verurteilt.

Das Gründerzeitmuseum von Charlotte von Mahlsdorf am Hultschiner Damm 333. Im Hochzeitsraum finden auch Trauungen statt.
Das Gründerzeitmuseum von Charlotte von Mahlsdorf am Hultschiner Damm 333. Im Hochzeitsraum finden auch Trauungen statt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nach dem Krieg kam sie frei, nannte sich erst Lottchen und später Charlotte von Mahlsdorf. In der Nachkriegszeit sammelte sie Gegenstände aus zerbombten Häusern und hielt sich mit dem Verkauf von Möbeln über Wasser. Über die Jahre sammelte sich einiges an Antiquitäten bei ihr an. Hieraus ist schließlich das 1959/1960 eröffnete Gründerzeitmuseum entstanden.

Im Untergeschoss des Gutshauses richtete Charlotte von Mahlsdorf eine Kneipe ein: Das Mobiliar hatte sie aus der Mulackritze gerettet, einer geschichtsträchtigen Trinklokalität im Scheunenviertel.

Schon zu DDR-Zeiten war es ein queerer Place to be. Unter anderem die Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin (HIB), ein Zusammenschluss von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transpersonen in Ost-Berlin, traf sich dort ab 1974.

Der Überfall auf das Fest auf dem Gutshof, mit dem Charlotte von Mahlsdorf ihre Autobiografie beginnen lässt, ereignete sich 1991. Kurz darauf kündigte sie an, Deutschland zu verlassen, 1997 zog sie schließlich nach Schweden. Am 30. April 2002 starb sie während eines Besuchs in Berlin an einem Herzinfarkt.

Ein Gedenkstein für Mahlsdorfs berühmteste Frau

Auf dem Gutshof vor dem Gründerzeitmuseum ist inzwischen ein Gedenkstein für Mahlsdorfs berühmteste Frau aufgestellt worden. Irritierenderweise steht dort auch ihr männlicher Geburtsname. Der Grund, weshalb nicht ihr selbst gewählter Name dort an erster Stelle zu lesen ist: Angehörige haben dahingehend interveniert. Übrigens zum Unmut so einiger Mahlsdorfer und Mahlsdorferinnen: Niemand habe Charlotte von Mahlsdorf mit dem alten Namen angesprochen.

Hierzu passt ein Zitat aus ihrer nun neu aufgelegten Autobiografie: „Wissen Sie, (…) ob ich nun in Hosen oder im Kleid auf der Straße rumlaufe, ist völlig egal”, schrieb sie dort. „Wer nicht ganz dämlich ist, sieht schon dreißig Meter gegen den Wind, daß ich eigentlich ein weibliches Wesen bin.“

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