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Das Tiergehege im Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg wurde am 23. Oktober 2014 vom Bezirksamt aus Kostengründen geschlossen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die Grünen und der Tierpark Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg: Bürger-Beteiligung nur auf dem Papier

Das Tiergehege im Viktoriapark in Kreuzberg wurde am 23.Oktober vom Bezirksamt aus Kostengründen geschlossen. Das hätte nicht sein müssen, wenn die Grünen ernst meinten, was in ihrem Programm steht: mehr Bürgerbeteiligung. Ein Kommentar von Harald Martenstein

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Als ich an der Uni Examen gemacht habe, hieß das Thema meiner Arbeit „Betriebliche Mitbestimmung in der DDR“. Auf dem Papier gab es in den Betrieben der DDR eine Demokratie und viel Meinungsfreiheit. Die Realität sah anders aus – wieso fällt mir da der Tierpark im Kreuzberger Viktoriapark ein?

Den Tierpark gibt es seit Jahrzehnten, Kinder lieben ihn. Vor ein paar Wochen waren die Tiere plötzlich weg. Es handelte sich angeblich um fünf Ziegen, vier Hasen sowie etliche Enten und Meerschweinchen. Ein großer Zoo ist es nicht. Die Tiere wurden verladen und in ein neues Quartier nach Marzahn verfrachtet. Die Anwohner waren sauer. Das RBB-Fernsehen berichtete. Die grüne Bezirksregierung ließ laut RBB verlauten, die Tiere seien nicht artgerecht gehalten worden. Meerschweinchen leiden, in einem so geräumigen Gehege? Die Grünen nehmen es mit dem Tierschutz eben genau. Es dauerte eine Weile, bis herauskam, dass der Mini-Zoo in Wahrheit nicht aus Tierliebe, sondern aus Geldmangel geschlossen wurde. Bisher hatte sich ein Verein um die Ziegen gekümmert, der Verein konnte oder wollte nicht mehr. Laut Bezirksregierung kostet die Betreuung von Ziege, Meerschwein und Co. 100 000 Euro im Jahr, an diese Zahl glaubt wohl nur die Regierung.

Sie haben wirklich kein Geld mehr, das stimmt. Kreuzberg ist faktisch pleite, unter anderem weil der Bezirk im Zusammenhang mit der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule auf einem Berg von Kosten sitzt.

Nun meldeten sich Bürger, die für die Erhaltung des Kinderzoos spenden wollen. Der Schauspieler Til Schweiger, der in der Nähe wohnt, gehört auch dazu. Ein Verein meldete sich, der den Zoo in eigener Regie und für den Bezirk kostenlos betreiben will, es soll eine Art Altersheim für Tiere entstehen. Was tut der Bezirk jetzt? Er ist bereit, das Angebot des Vereins zu prüfen. Der Verein muss nun das vorlegen, was die Bezirksregierung bisher in kaum einer politischen Frage erkennen lässt, nämlich ein Konzept.

Ich erzähle diese Petitesse aus dem Kiezleben, weil es ein klassisches Beispiel von obrigkeitsstaatlichem und autoritärem Verhalten ist, in Tateinheit mit Unaufrichtigkeit. Wenn der Bezirk das Zooproblem öffentlich gemacht und, wie man gern sagt, den Dialog mit dem Bürger gesucht hätte, dann wären die Tiere gar nicht erst abtransportiert worden. Und nun ein Zitat aus dem grünen Programm: „Wir schaffen mehr Bürgerbeteiligung! Sich einmischen – das braucht Beteiligung vor Ort. Menschen sind engagiert und kompetent, da, wo sie zu Hause sind.“ Und so weiter. Dass Programme toll klingen, die Wirklichkeit dann aber anders aussieht, dieses Phänomen gab es also nicht nur in der DDR. So was gibt es im Westen auch.

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