zum Hauptinhalt
Im Wiesenweg beschweren sich Bewohner eines Projekts für einstige Drogenabhängige über Lärm, der von Partys gegenüber kommt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Bezirk Lichtenberg will Ersatzstandort finden: Wohnheim für Ex-Obdachlose kann bleiben

Seit über 30 Jahren existiert in Lichtenberg ein Wohnheim für ehemalige Obdachlose und Suchtkranke. Doch der Bezirk entsagt nicht zum ersten Mal die Nutzung - will nun aber Lösungen finden.

Seit über 30 Jahren steht im Wiesenweg 14 in Berlin-Lichtenberg ein Wohnheim für ehemalige Suchtkranke und obdachlose Personen. Ihnen werden hier Zimmer zur Verfügung gestellt und sie erhalten Unterstützung dabei, ihr Leben nach der Klinik oder der Straße zu meistern.

Doch das Gebäude steht im sagenumwobenen Bermudadreieck Berlins, dem Gleisdreieck Lichtenberg zwischen Ostkreuz und Friedrichshain. Die Frage, ob es sich hier um ein Gewerbegebiet handelt, beschäftigt die Politik und die Gerichte schon seit Jahren. Der Bezirk hat eigentlich eine klare Meinung: hier darf nicht gewohnt werden.

Im April bereits hatte der Bezirk dem Träger die Nutzung des Gebäudes untersagt. Innerhalb von sechs Monaten sollten alle raus. Dem Verein wird vorgeworfen, keine zulässige Baugenehmigung vorgelegt zu haben. Allerdings brannte 1945 das Bauamt Lichtenberg nieder und damit die mögliche Baugenehmigung – dieses Problem haben viele Wohneigentümer im Bezirk, besonders im Gleisdreieck kein Einzelfall.

Laut Senat ist das Haus seit mehr als 50 Jahren bewohnt. Die Bewohner:innen selbst können einiges an Dokumenten aufweisen: so ist zum Beispiel eine Hausgeburt im Jahre 1977 dokumentiert oder eine Eintragung im Grundbuch von 1931 für ein Vorderwohnhaus.

50
Jahre lang wird in dem Haus laut Senat bereits gewohnt - nun soll es weg.

Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) sagte nun dem RBB, dass „gesunde Wohnverhältnisse“ in der Gegend nicht gewahrt werden könnten. Spannungen in dieser Nachbarschaft unweit vom Ostkreuz seien vorprogrammiert, wenn das Haus weiter als Wohnheim genutzt werde. „Eventuell auftretende Nutzungskonflikte können nicht bewältigt werden“, so Hönicke. Schuld sei kein Brand im Zweiten Weltkrieg, sondern der Träger habe in den 90er Jahren versäumt, die Nutzung des Hauses in ein Obdachlosenwohnheim umzumelden – dies jedoch wolle er nun zusammen mit dem Träger möglichst nachholen.

Büros statt Clubs

Dieser Konflikt besteht bereits seit Jahren. Schon Hönickes Vorgängerin Birgit Monteiro (SPD) hatte die Nutzung des Wohnheims untersagt – dies blieb seitdem ohne Folgen. Im Jahre 2019 war der Tagesspiegel bereits vor Ort: Ein ehemaliger Suchtkranker beklagte die Lautstärke der vier Clubs auf der gegenüberliegenden Straßenseite: so könne er nicht in Ruhe keine Drogen konsumieren.

Die Nutzungskonflikte, die beide SPD-Politiker:innen ansprachen, dürften sich bald erledigt haben, denn anstelle der Clubs, die zusehends schließen, plant die Unternehmensgruppe Padovicz auf dem Komplex Wiesenweg 1-4 ein Bürohaus zu errichten: bis zu 13 Stockwerke hoch, Tiefgarage für 100 Autos, Gewerberäume im Erdgeschoss.

Oder geht es wieder um die A100?

Im Gleisdreieck heißt es daher, dass hier der eigentliche Nutzungskonflikt bestehe: Der Bezirk wolle die Gegend mit hübschen neuen Büros bebauen und sowohl Clubs als auch Wohnheime sind da im Weg. Zudem könnte auch irgendwann die Autobahn A100 durch dieses Areal führen, es handelt sich eigentlich um Vorhalteflächen.

Zunächst jedoch rudert die SPD zurück. Man wolle alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Wohnheim im Bezirk zu erhalten. Sollte es doch wegmüssen, habe der Bezirk zunächst ein Ausweichprojekt für das Wohnheim zu finden. Hönicke teilte mit, er habe die Nutzungsuntersagung, die er im April ausgesprochen hatte, nun wieder (zunächst) gestoppt. „Ich möchte mit dem Verein eine rechtlich mögliche Lösung finden.“

Diese Räume sollten, wo immer möglich, unbedingt geschützt werden

Tamara Lüdke, Co-Vorsitzende der Lichtenberger SPD

Tamara Lüdke, Co-Vorsitzende der Lichtenberger SPD, betont, dass gerade von Obdachlosigkeit Betroffene und Menschen mit Suchterfahrung auf dem Wohnungsmarkt in Berlin besonders auf hohe Hürden stießen und häufig auf spezielle Angebote angewiesen sind wie Housing First oder Notunterkünfte. „Daher sollten diese Räume, wo immer möglich, unbedingt geschützt werden.“

In einer internen Mail schreibt Hönicke, sein Amt sei nicht willkürlich gegen das Wohnheim vorgegangen. Denn eben dieses Wohnheim hatte 2020 gegen die Lautstärke der benachbarten Clubs OXI und Void geklagt. Allerdings hatte das Verwaltungsgericht an der Klage beanstandet, dass das Wohnheim ja keine Genehmigung zur Änderung der Nutzung in ein Obdachlosenwohnheim beantragt hatte – und damit sei es auch nicht schutzwürdig bezüglich des Immissionsschutzrechtes.

Hier haben wir ein Problem, wenn dort gewohnt wird

SPD-Baustadtrat Kevin Hönicke.

Hönicke beklagt, er sei ja von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) angehalten worden, die Clubs vor Ort zu schützen sowie das Gewerbe zu erhalten. „Hier haben wir ein Problem, wenn dort gewohnt wird. Alles gleichzeitig geht nicht.“ Nun sei allerdings auch das Wohnheim für ehemalige obdachlose und suchtkranke Menschen schützenswert – er werde daher mit dem Verein nach einer Lösung und nach einem Ersatzstandort suchen.

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk Lichtenberg, hier einige Themen dieser Woche:

  • „Diskriminierungsfreier Raum“: Das Maggie wird 10
  • Gottesdienst mit Bands: Die Geschichte des Internationalen Gospel Centers
  • Streit um Schulplätze: Pausenhof der Oberseeschule soll erhalten bleiben
  • Festspiele für Luftartist:innen auf dem Tuchollaplatz
  • Entdeckung 1706: Kanadische Künstlerin arbeitet mit Berliner Blau
  • Lastenfahrradwettrennen zwischen Bürger:innenmeister Schaefer und Verkehrsstadträtin Keküllüoğlu

Unseren Newsletter für den Bezirk Lichtenberg können wie alle Tagesspiegel-Newsletter für die zwölf Berliner Bezirke hier kostenlos bestellt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false