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Meister der Show. Hans Rosenthal überlebte den Krieg, weil er sich verstecken konnte. Trotzdem blieb er danach in Deutschland und wurde einer der beliebtesten Fernsehmoderatoren seiner Zeit.

© dpa

Yad Vashem ehrt Ida Jauch: Hans Rosenthals Retterin ist nun Gerechte unter den Völkern

Ida Jauch versteckte Hans Rosenthal vor den Nazis. Die Gedenkstätte Yad Vashem ehrt nun die 1944 verstorbene Berlinerin – natürlich im Rias-Haus.

Ohne Ida Jauch, sagt Gert Rosenthal, „hätte mein Vater nicht überlebt“. Und, das muss der Sohn des Fernsehmoderators Hans Rosenthal dann noch hinzufügen: „Ohne sie hätte mein eigenes Leben gar nicht erst begonnen.“ Es sind bewegende Worte und bewegende Momente im Funkhaus des Deutschlandradios am Volkspark Schöneberg. Leider konnte Ida Jauch sie selbst nicht mehr erleben. Die Berlinerin, die den späteren Moderator einst vor den Nationalsozialisten versteckte, wurde posthum geehrt. Bei einer Feierstunde verlieh die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Ida Jauch den Titel „Gerechte unter den Völkern“.

Der Ehrentitel wird seit 1948 an nichtjüdische Menschen verliehen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten. „Jede einzelne Person kann Veränderung bewirken“, sagt die Vertreterin der israelischen Botschaft Sandra Witte. Kurze Zwischenspiele der Violinisten Yair Landner und Wolfram Thorau, zum Beispiel die Titelmusik des Films „Schindlers Liste“, unterstützen die feierliche Stimmung des Vormittags im ehemaligen Rias-Funkhaus, von wo aus Hans Rosenthal sein Publikum mit unzähligen Rate- und Unterhaltungssendungen glücklich gemacht hatte. „Der Einzelne trägt die Verantwortung für das, was er tut oder auch nicht tut“, sagt Deutschlandradio-Intendant Willi Steul zur Eröffnung der Feierstunde.

Hans Rosenthal erzählt im Film über sein Schicksal

Und natürlich wird der Film gezeigt, in dem Hans Rosenthal 1985 von seinen Erlebnissen im Krieg erzählte. 1943 war Rosenthal 18 Jahre alt, seine Eltern waren verstorben, er arbeitete in einer Fabrik. Den Deportationen konnte er entgehen, im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder. So beschloss er, unterzutauchen. Seine einzige Hoffnung sei damals die Nichtjüdin Ida Jauch gewesen. Jauch, eine Bekannte von Rosenthals verstorbener Mutter, lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen in der Kleingartenkolonie „Dreieinigkeit“ in Lichtenberg. Heute befindet sich an der Bernhard-Bästlein-Straße eine Plattenbausiedlung.

Ausgezeichnet. Der israelische Gesandte Avi Nir-Feldklein (links) überreicht die Urkunde an den Großneffen der Retterin, Manfred Jahn.
Ausgezeichnet. Der israelische Gesandte Avi Nir-Feldklein (links) überreicht die Urkunde an den Großneffen der Retterin, Manfred Jahn.

© dpa

Ida Jauch versteckte den jungen Rosenthal 18 Monate lang in ihrer Gartenlaube und teilte mit ihm ihre kargen Lebensmittelrationen. Außerdem versorgte sie ihren Ziehsohn mit täglichen Ausgaben der Zeitung und einem Radioempfänger. 1944 erkrankte sie und starb kurze Zeit später. So vertraute sich Hans Rosenthal Maria Schönebeck an, einer Nachbarin und Freundin von Ida Jauch, die ihn als ihren Neffen vorgestellt hatte. Schönebeck beschloss, den jungen Mann bei sich zu verstecken. Dort blieb er bis zu seiner Befreiung, nachdem er ganze zwei Jahre und zwei Monate im Untergrund gelebt hatte.

Großneffe nahm die Auszeichnung entgegen

Auch Maria Schönebeck sollte geehrt werden, sagt Botschaftsvertreterin Sandra Witte. Sie habe jedoch keine Verwandten mehr und so sei diese Feierstunde auch ihr gewidmet. Das selbstlose Handeln der beiden Frauen sei einzigartig und außergewöhnlich und verkörpere den Standpunkt des israelischen Programms „Gerechte unter den Völkern“. 596 Deutsche zählen zu den Geehrten, darunter jetzt auch Ida Jauch. Es sei nicht einfach gewesen, einen Verwandten der Retterin auszumachen und eine angemessene Zeremonie zu veranstalten, sagt Witte.

Doch nach einem Zeitungsartikel meldete sich Manfred Jahn, der Großneffe der Retterin. Ihm übergibt denn auch der Gesandte des Staates Israel, Avraham Nir-Feldklein, die Yad-Vashem-Medaille und Urkunde. Außerdem wird Ida Jauchs Name auf einer Ehrenwand im Garten der Gerechten in Jerusalem verewigt. „Wer immer ein Menschenleben rettet, hat damit gleichsam eine ganze Welt gerettet“, ist auf der Urkunde zu lesen.

Spitze hätte Hans Rosenthal diese Ehrung gefunden, sagt sein Sohn Gert in Anspielung auf den berühmten Luftsprung in der ZDF-Sendung „Dalli Dalli“, Rosenthals Markenzeichen. Gelächter im Publikum. „Er hätte das bestimmt gern miterlebt.“ Außerdem, sagt Rosenthal, sei es ja besonders passend, dass es nun ausgerechnet der Großneffe Jauchs sei, der die Auszeichnung entgegennehme. Schließlich hatte doch Ida Jauch seinen Vater immer als ihren Neffen ausgegeben.

Zum Abschluss spricht dann noch ein alter Freund Rosenthals. Walter Frankenstein wuchs mit ihm im Auerbach’schen Waisenhaus auf. Natürlich habe es früher auch Streitigkeiten geben, sagt der 90-Jährige, „diese hatten aber nur Fußball zum Thema.“ Nein, ernsthaft: Jugendliche sollten selbst denken und nicht Typen wie Hitler blind folgen, sagt Frankenstein. Sie sollten anderen helfen, egal ob Juden oder Moslems. Und wenn er nur einen einzigen mit seinen Worten überzeugen könne, habe er schon etwas bewirkt.

Hans Rosenthal ging in die Fernsehgeschichte ein

Hans Rosenthal überlebte Krieg und Verfolgung. Er blieb in Deutschland und machte Karriere beim ehemaligen Sender Rias. Legendär sind neben der Spieleshow „Dalli Dalli“ sein Quiz „Allein gegen alle“ und das „Klingende Sonntagsrätsel“. Zu Ehren des Moderators heißt das Areal am Funkhaus Hans-Rosenthal-Platz.

Hans Rosenthal mit Horst Pillau (stehend) und Toningenieur Haro Michna am Pult im Rias. Gern erzählt Pillau heute über seine Zeit mit Hans Rosenthal...
Hans Rosenthal mit Horst Pillau (stehend) und Toningenieur Haro Michna am Pult im Rias. Gern erzählt Pillau heute über seine Zeit mit Hans Rosenthal...

© privat

Die stärksten Worte aber werden nicht an diesem Vormittag gesprochen, die hat Hans Rosenthal selbst einmal ausgesprochen und hätte sie hier sicher gern wiederholt. Ida Jauchs Hilfe sei es gewesen, die ihm ermöglichte „nach dieser schrecklichen Zeit für uns Juden unbefangen in Deutschland zu leben, ohne Hass zu fühlen, und ein Bürger dieses Landes zu sein".

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Hannah Hauer

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