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Die Mariahilfer Straße in Wien am 15. Februar. In Österreich durften Geschäfte nach sechs Wochen Lockdown öffnen.

© imago images/photonews.at

Berlins IHK-Präsidentin Beatrice Kramm: „Corona-Selbsttests sind ein Baustein für die Öffnung“

Da sich bald jeder selbst auf Corona testen kann, muss das Leben endlich zurückkehren in die Geschäfte, fordert die Präsidentin der Berliner IHK im Gastbeitrag.

Endlich! Endlich sollen ab März flächendeckend kostenlose Schnelltests zur Verfügung gestellt werden. Und nicht nur aus Sicht der vom Lockdown betroffenen Betriebe möchte ich hinzufügen: Diese Ankündigung kommt reichlich spät und wichtiger als die Ankündigung ist die Umsetzung dieser Absicht. Viel zu lange verhinderte die Angst vor Fehlerquoten bei Selbsttestung den Einsatz eines simplen, breit einsetzbaren Systems, frei nach dem Motto: lieber weniger testen, weil es dann präziser ist.

Es gibt Städte in Deutschland, die Schnelltests seit Monaten flächendeckend und mit Erfolg einsetzen, vor allem in Alten- und Pflegeheimen, aber nicht nur da. Viele Unternehmen lassen ebenfalls schon längst ihre Mitarbeiter regelmäßig testen – zum Schutz der Beschäftigten und um weiter arbeiten zu können. So ist es zum Beispiel an unseren Filmsets längst üblich, Schnelltests durchzuführen, um schnell Sicherheit und Vertrauen zu schaffen. Neben der Umsetzung strenger Hygieneschutz-Konzepte, inklusive Hygiene-Beauftragten sowie PCR-Tests, spielen Schnelltests also eine wesentliche Rolle, um überhaupt drehen zu können, und damit ein wirtschaftliches Überlegen vieler Menschen vor und hinter der Kamera zu sichern.

Wir, die IHK Berlin, aber auch Branchenverbände fordern seit dem vergangenen Sommer den Einsatz von Schnelltests, idealerweise eben auch als Selbsttests, um Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen und Ansteckungsrisiken zu minimieren. Denn die Tests sind ein Baustein, um das zu eröffnen, was und allen wir alle uns fehlt: Eine Perspektive.

Hilfen waren angekündigt - und kamen nicht

Das gilt für jeden von uns und vor allem für die Unternehmer, die zum Teil seit einem Jahr zur Untätigkeit verurteilt sind und zunehmend verzweifeln: An finanziellen Hilfen, die zwar angekündigt, aber erst mit monatelanger Verspätung ausgezahlt werden, an den Förderlücken und bürokratischen Hürden bei der Beantragung und an einer Politik, deren wesentliche Strategie aus „Weiterso“-Lockdown-Verlängerungen besteht.

Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Umsetzung nicht zur nächsten Hängepartie wird. Und so richtig und wichtig es ist, mit dem systematischen Einsatz an den Schulen zu beginnen: Dabei darf es nicht bleiben! Die Politik muss den Einsatz von Schnelltests – und den hoffentlich bald zugelassenen Selbsttests – in ihre Öffnungsplanungen einbauen.

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Nicht nur mit Blick auf die besonders betroffenen Branchen wie Tourismus, Hotellerie- und Gastronomie, Sportanbieter, Kosmetikstudios sowie Kongress- und die Veranstaltungswirtschaft, sondern auch für Betriebe, die ihren Mitarbeitern Testmöglichkeiten zur größtmöglichen Sicherheit anbieten wollen, braucht es jetzt den gezielten und flächendeckenden Einsatz entsprechender Tests.

Die Präsidentin der IHK Berlin, Beatrice Kramm, fordert eine konsequente Test-Strategie.
Die Präsidentin der IHK Berlin, Beatrice Kramm, fordert eine konsequente Test-Strategie.

© imago images/Ulli Winkler

Insbesondere die Schnelltests, die jeder selbst bei sich anwenden kann, können ein wesentlicher Bestandteil für Lockerungen sein. Seitdem die Politik Anfang Februar – endlich – die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, warten wir nun sehnsüchtig auf die ersten zertifizierten Selbsttests in Deutschland. Auch hier sind andere Länder leider weiter. Die Vorteile sind klar: Mithilfe dieser Tests kann sich jeder unkompliziert zu Hause testen und hätte innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis. Für alle negativ Getesteten und das ist die Mehrheit der Bevölkerung wird dadurch Normalität wieder möglich. Auch Wissenschaftler stützen diesen Kurs, jetzt muss die Politik mitziehen.

Selbst Testen und das Ergebnis auf das Handy übertragen

Folgendes Szenario könnte dank Selbsttests bald Realität werden: Sie überlegen abends, am nächsten Tag shoppen gehen zu wollen, ins Restaurant oder zum Yogakurs. Am nächsten Morgen machen Sie zuhause einen Selbsttest und haben wenig später das (negative) Testergebnis. Dieses wird dann per App auf Ihr Smartphone übertragen. Fälschungen werden durch eine spezielle Software unterbunden, vergleichbar mit den Sicherungsmaßnahmen etwa beim Onlinebanking. Mit dem Nachweis wären Sie nun für eine bestimmte Anzahl an Stunden berechtigt, öffentliche Orte zu besuchen. Am Eingang zeigen Sie den in der App registrierten Negativtest vor. Bei Kino- oder Theaterbesuchen, Messen oder Konzerten können die Testergebnisse per App ins Ticketing-System integriert werden.

[Beatrice Kramm, ist Geschäftsführerin der Film- und Fernsehgesellschaft Polyphon mit Hauptsitz in Berlin sowie Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). Lesen Sie hier einen weiteren Gastbeitrag der Autorin.]

Parallel würde das Testergebnis automatisch – und anonymisiert – an eine zentrale Stelle übermittelt. So hätten die Gesundheitsämter einen wesentlich genaueren Überblick über aktuelle Infektionsgeschehen als derzeit.

Damit aus dem Szenario Realität wird, muss die Politik jetzt handeln. Nach österreichischem Vorbild sollte die Nationale Teststrategie angepasst werden, damit jeder Bürger Anspruch auf ein bestimmtes Kontingent an kostenlosen Selbsttests hat. Damit die Tests schnell in großer Stückzahl zur Verfügung stehen, wäre es aus Sicht der Berliner Wirtschaft auch hilfreich, Anreize für die Hersteller zum Produktionsausbau zu schaffen.

Zulassungen müssen durch Priorisierung der beschleunigte Antrags- und Genehmigungsverfahren beschleunigt verbessert werden, selbstverständlich bei Gewährleistung der Qualitätsstandards. Sobald genügend Tests da sind, müssen sie gezielt als Baustein für die Öffnungsstrategie eingesetzt werden. Die flankierenden Apps müssen parallel beauftragt, erstellt und auf den Markt gebracht werden. Es gibt bereits eine Reihe von technologischen Lösungen, sie müssen jetzt schnell auch von der Politik anerkannt und in die Praxis gebracht werden.

Die geltenden Hygieneschutzregeln gelten zwar weiter und ebenso zahlenmäßige Zugangsbeschränkungen. Aber es wäre ein Schritt raus aus dem Lockdown und hinein in so etwas wie Normalität. Und es wäre eine Strategie, die aus mehr besteht als Öffnungsversprechungen in Abhängigkeit von Corona-Fallzahlen. Wir werden das Virus nicht ausrotten können, und bis genügend Menschen geimpft sind, werden noch Monate vergehen. Doch solange kann die Berliner Wirtschaft, solange können wir alle nicht warten.

Beatrice Kramm

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