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Katrin Lompscher ist Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Berlin

© Senatsverwaltung fr Stadtentwicklung

Berlins Bausenatorin Lompscher: „Ich hätte meine Wohnung nicht bezahlen können“

Katrin Lompscher, Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, spricht im Interview über das Leben zur Miete, Rot-Rot-Grün als Modell für den Bund und Berlins Wachstumsschmerzen.

Frau Lompscher, wie wohnt die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen eigentlich – zur Miete oder im Eigenheim?

Zur Miete in Charlottenburg. Da bin ich im Jahr 2016 eingezogen. Und weil die Mieten schon hoch waren, wohne ich nicht günstig. Selbst wenn ich die Wohnung hätte kaufen wollen, hätte ich es nicht bezahlen können. Die Preise sind zu hoch und steigen immer noch. Im hochpreisigen Mietmarktsegment scheint die Spitze erreicht, es stehen bereits Wohnungen leer.

Das ist Zweckentfremdung, dagegen gehen die Bezirke vor. Wenn Pensionsfonds mir empörte Briefe schreiben, wonach sie ihre Wohnungen nicht billiger vermieten könnten, weil ihre Kalkulationen das nicht zulassen, ändert das am Sachverhalt nichts.

Ein Jahr regiert Rot-Rot-Grün in Berlin. Halten Sie die Konstellation auch im Bund für möglich?

Nicht vor dem Jahr 2021. Dazu müssen sich alle drei Parteien bewegen, auch die Linke. Aber wenn man das hinkriegen würde, gäbe es die Chance auf eine stabile Mehrheit. In Berlin bildet R2G die Lebenssituationen und die Zukunftserwartungen vieler Menschen ab. Es sind die großen Themen soziale Sicherheit, der sozial-ökologische Umbau und auch der Ausgleich zwischen Wachstum und sozialer Gerechtigkeit.

Rechnen Sie mit Neuwahlen im Bund?

Ich glaube nicht, dass es zu Neuwahlen kommt.

In Berlin ist Klaus Lederer der mit Abstand beliebteste Politiker. Der Regierende steht auf Platz sieben. Ist das nicht eine Belastung für den Senat?

In dieser Umfrage stehe ich aktuell auf dem vorletzten Platz, ich war schon mal Drittletzte, habe also Spielraum nach oben. Aber das Abschneiden des Regierenden ist nicht ideal, Michael Müller ist schließlich Erster unter Gleichen.

Der Senat als Ganzes ist unbeliebter denn je und die Koalitionspartner sind sich untereinander nicht immer grün...

In einer Dreierkoalition ist die Kommunikation immer schwieriger. Und in Berlin ist das höchste Lob ohnehin: Da kannste nicht meckern. Berliner sind schwerer zufriedenzustellen als andere, das liegt wohl in ihrer Natur.

Außerdem gibt es Sanierungsstau, Wachstumsschmerzen und eine schwierige Verwaltungskultur. Das soll jetzt ganz schnell anders werden, was nicht geht. Allein um die Infrastruktur ans Bevölkerungswachstum anzupassen, braucht es einen langen Anlauf.

Von Unzufriedenheit mit Ihrer persönlichen Leistung im Senat ist auch zu hören, sogar davon, dass sie wöchentlich beim Regierenden Rapport über die Neubauzahlen erstatten müssen – wirklich?

Stimmt nicht. Ungeduld gibt es beim Thema Wohnungsbau natürlich, aber das ist kein Makel. Die Stadt wächst seit 2005, die Politik reagiert darauf aber erst seit 2012. Das kann man nicht in einem Jahr mit einer neuen Regierung aufholen. Dazu brauchen wir große gemeinsame Anstrengungen.

Deshalb berichten wir auf Vorschlag von Herrn Müller, nicht wie bisher einmal im Jahr über die Entwicklung im Neubau sondern zweimal. Und mit den Bezirken vereinbaren wir aktuell Neubauziele. Dabei ist es nicht so, dass der Senat immer und überall neue Wohnungen will und die Bezirke nur die Proteste der Anwohner sehen.

Aber Sie dringen auch nicht auf Neubau, was haben Sie gegen Verdichtung?

Ich bin nicht gegen Verdichtung, man kann und muss verdichten, wenn man zusätzlichen Wohnraum schaffen will. Berlin ist viel weniger dicht bebaut als München oder Köln. Deshalb können wir maßvoll verdichten, was übrigens massenhaft passiert. Entscheidend ist nicht das Ob, sondern das Wie. Auf der Fischerinsel wurde im Einvernehmen mit dem Bezirk ein Hochhaus nicht genehmigt, weil das gegen Vorschriften im Bebauungsplan verstoßen hätte. Außerdem wäre eine Höhendominante entstanden, die das geplante „House of One“ beeinträchtigt hätte. Mit der nun vorgesehenen Blockbebauung sind alle zufrieden. Viel weniger Wohnungen als ursprünglich geplant entstehen auch nicht.

Und am Thälmann-Park verhindern Sie den Bau von 600 Wohnungen?

Nein, das sind ehemalige Bahnflächen die gewerblich genutzt werden. Es gibt einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom Sommer, der die Sicherung eines öffentlichen, grünen Sozial- und Erholungsraums vom S-Bahnhof Prenzlauer Allee bis zum Anton-Saefkow-Park vorsieht.

Pankow ist der am stärksten wachsende Bezirk Berlins, es fehlt an Schul- und Kita-Plätzen sowie Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr. Jetzt müssen dafür die planerischen Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei geht es um nachhaltige Stadtentwicklung und nicht um spekulative Geschäfte.

Ihr Vorgänger zog gern Planungen an sich, um Tempo zu machen. Warum handeln Sie nicht so?

Stadtentwicklung ist Marathon und auch Gemeinschaftsaufgabe. Und der Schein trügt: In der vergangenen Legislatur hat der Senat nur wenige Vorhaben an sich gezogen. Berlin hat mit einer Verfassungsreform die Fachaufsicht des Senats über die Bezirke im Jahr 2001 abgeschafft. Ich schließe nicht aus, dass wir in Zukunft den einen oder anderen Bauplan an uns ziehen, aber der Senat hat auch so eine Menge Projekte zu bearbeiten.

Stillstand herrscht am Molkenmarkt, dabei könnten dort Hunderte von Wohnungen entstehen. Wann startet das Projekt?

Die Bebauungspläne für den Molkenmarkt sind vom Parlament beschlossen. Voraussetzung für die Umsetzung ist der sehr aufwendige Straßenumbau. Die Senatsverwaltung für Verkehr muss das planen und bauen. Wir haben großes Interesse daran, dass dies mit hoher Priorität geschieht, deshalb sind wir dazu im engen Austausch.

Viel wird über die Ausübung des Vorkaufsrechts beim Handel von Wohnhäusern diskutiert, gegen die Private erfolgreich geklagt haben. Wozu Mühen und Kosten, wenn nicht eine Wohnung neu entsteht?

Weil ein solcher Schritt Signalwirkung hat und eine Mietenentwicklung mit Augenmaß sicherstellt. Außerdem ist es ein Hinweis an alle Erwerber und Verkäufer, dass soziale Regeln in Milieuschutzgebieten zu beachten sind. Und wenn kein Ankauf zustande kommt, sondern stattdessen eine Abwendungsvereinbarung, verpflichtet sich der Käufer die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten.

Das schützt die gemischte soziale Zusammensetzung, deren Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Es gibt ein Urteil gegen das Vorkaufsrecht, dagegen hat das Land Berufung eingelegt. Es existiert eine gesetzliche Ermächtigung zur Ausübung des Vorkaufsrechtes, deshalb halte ich die Argumentation des Gerichts nicht für schlüssig.

Schuster, Bäcker, Stadtteilzentren bekommen massive Mieterhöhungen für ihre Gewerberäume und werden aus den Kiezen verdrängt. Kann man dagegen etwas tun?

Nein, es gibt leider keinen gesetzlichen Mieterschutz für Gewerbetreibende. Über Planungsrecht und Kooperationsvereinbarungen wollen wir dafür sorgen, dass ausreichend neuer Gewerberaum entsteht. Mit den landeseigenen Firmen haben wir zudem vereinbart, dass sie mehr Gewerberäume schaffen, besonders für soziale und kulturelle Zwecke.

Was schon bei Ihnen liegt, ruht auch, das Kulturforum ist immer noch eine Wüste, seit Jahrzehnten. Warum?

Am Kulturforum läuft aktuell die Neugestaltung der Freiflächen rund um die Philharmonie. Dort fallen zahlreiche Parkplätze weg, damit ein nutzbarer öffentlicher Stadtraum entsteht. Dieser soll schrittweise weiterentwickelt werden. Die Arbeiten gehen auf einen Wettbewerb aus dem Jahr 2008 zurück. In dieser Gesamtplanung war der erst später beschlossene Neubau für das Museum der Moderne noch nicht enthalten. Deshalb muss der Plan im kommenden Jahr angepasst werden.

Das Kulturforum ist ein besonderer Ort von gesamtstädtischer Bedeutung, aber es lag bis 1989 am Rande von Westberlin und wurde vor allem von Kulturinteressierten frequentiert. Später geriet es durch das neue Quartier am Potsdamer Platz weiter ins Abseits. Dazu kommt eine erst 20 Jahre alte, autobahnähnliche verschwenkte Straßenführung, die als Barriere wirkt. Zum Glück gilt dort bald Tempo 30. Zur Revitalisierung des Forums müssen insbesondere auch die kulturellen Institutionen beitragen.

Ein anderes ewiges Projekt ist das ICC – ein ehrliches Wort dazu?

Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube, das ICC ist eine Ikone. Es liegt auf der Hand, was man damit machen muss: es wieder zum Kongress-Zentrum ausbauen und gegebenenfalls baulich ergänzen. Wir haben dort große Deckenhöhen in den Tiefgaragen, so dass auch eine Verkoppelung mit dem Busbahnhof denkbar wäre. Berlin sollte sich in jedem Fall zum ICC bekennen.

Und macht der Job noch Spaß, bei all’ den Nörglern und Kritikern?

Aber sicher, es gibt keinen besseren. Das wachsende Berlin zu gestalten, als gelernte Stadtplanerin, was könnte man sich Schöneres vorstellen?

Die Fragen stellte die Redaktion beim Besuch Lompschers im Tagesspiegel-Haus. Aufgezeichnet von Ralf Schönball.

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