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Er hat schon alles gesehen. Flamingo Ingo lebt seit 1955 im Berliner Zoo.

© dpa/Gregor Fischer

Berlins ältester Zoo-Bewohner: Flamingo Ingo wird 75 – und steht noch auf einem Bein

Sonst werden Flamingos nur etwa 30 Jahre alt. Bei Ingo sollen es schon 75 sein. Darauf deutet ein Ring aus Kairo hin. Und eine Ost-West-Geschichte gibt es auch.

Von Gisela Gross, dpa

Wo ist bloß Ingo? Bei den rund 30 Flamingos, die am Ufer des Teichs im Berliner Zoo teils noch im Stehen schlafen, kann selbst der zuständige Tierpfleger Thomas Lenzner erst einmal nur mit den Schultern zucken. Dabei gilt Ingo, ein Rosaflamingo, als ältester Bewohner des Hauptstadt-Zoos. Mit geschätzt nun mindestens 75 Jahren. „Man sagt: Das Durchschnittsalter für einen Flamingo liegt so bei 30 Jahren. Da ist er ein Methusalem, auf jeden Fall“, sagt Lenzner.

Ingos Erkennungszeichen sind ein roter Ring am einen dürren Bein und ein alter gräulicher Ring am anderen. Schwer zu erkennen, etwa wenn die Vögel gerade schwimmen oder nur auf einem Bein stehen. Auch diese Fähigkeit hat Ingo im Alter nicht verloren. Was auf dem Originalring steht, ist laut Zoo wichtig: „Kairo, 23.6.1948“. Die Beschriftung wurde erst vor einigen Jahren entdeckt. Das hatte zur Folge, dass Gorilla-Dame Fatou (geschätzt mittlerweile 66) ihren damaligen Titel als älteste Zoo-Bewohnerin abgeben musste.

Was genau es mit dem Datum auf sich hat und ob Ingo wirklich an jenem Tag schlüpfte, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären. Aber der Zoo wertet es als Beleg für sein Mindestalter.

Er ist nicht mehr der Schnellste, läuft hinterher und hinkt ein bisschen.

Thomas Lenzner, Tierpfleger im Berliner Zoo, über Flamingo Ingo

Gesichert ist nach Angaben einer Sprecherin, dass der Flamingo im Sommer 1955 aus dem Tierpark im Osten der Stadt in den Zoo in der City West kam. Damals gab es dort viel weniger Flamingos als heute. Es waren auch generell ganz andere Zeiten für den Zoo: Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Anfang der 50er Jahre „elend“ um die Einrichtung bestellt, wie der Historiker Clemens Maier-Wolthausen in dem Buch „Hauptstadt der Tiere“ schreibt. Zerbombte Gebäude, getötete Tiere, Finanznot.

Optimiertes Futter fürs Gefieder und zur Stimulation. Tierpfleger Thomas Lenzner kümmert sich um Flamingo Ingo.
Optimiertes Futter fürs Gefieder und zur Stimulation. Tierpfleger Thomas Lenzner kümmert sich um Flamingo Ingo.

© dpa/Jessica Lichetzki

Wie Ingo die lange Zeit seitdem überstanden hat? Im Zoo fehlen natürliche Feinde. Es ist aber nicht nur das. Zoo-Tiere haben Rundumversorgung. Der Verband der Zoologischen Gärten betont die immer weiter verbesserten Haltungsbedingungen. „Wenn ein Tier mal krank ist oder schwächelt, sind gleich die Zootierärzte da“, sagt Lenzner. Hinzu komme optimiertes Futter. Es enthalte bestimmte Farbstoffe (Carotinoide), die für das zarte Rosa des Gefieders verantwortlich seien und die die Tiere auch stimulierten.

Anders als bei den Pandas sind Ingos Nachkommen nicht registriert

Ingo überstand zudem vor einigen Jahren einen Sturm, bei dem mehrere andere Flamingos herabfallenden Ästen zum Opfer fielen. Großes Glück hatte der Zoo im Winter nach einem Geflügelpest-Nachweis bei einem Wasservogel: Zwar blieb er Ende 2022 wochenlang geschlossen, aber weitere Fälle in dem wertvollen Vogelbestand blieben aus und dessen drohende Keulung somit erspart.

Der Berliner Zoo war nach eigenen Angaben der erste in Deutschland, dem von Anfang/Mitte der 60er Jahre an Bruten von Chile-Flamingos und Rosaflamingos gelangen. Auch Ingo hat wohl Nachkommen gezeugt, heißt es. Aber anders als etwa bei den berühmten Zoo-Pandas wurde darüber nie Buch geführt. „Das würde zu weit führen“, sagt Lenzner.

Der Tierpfleger schwärmt vom Verhalten, Aussehen und den Lauten der Flamingos. „Wenn man sich Zeit nimmt, sie richtig zu beobachten, kann man tolle Sachen entdecken: Wie sie miteinander interagieren, sich ernähren. Ganz tolle Vögel sind das.“ In der Natur fressen Flamingos mikroskopisch kleine Algen und andere Einzeller, winzige Krebstiere, Würmer, Schnecken und Larven – sie sieben diese quasi mit ihrem Schnabel aus flachem Wasser.

Flamingos sind morgens nicht die frühen Vögel

Wo isser denn? Im Getümmel der Flamingos im Berliner Zoo ist Ingo nicht immer leicht auszumachen.
Wo isser denn? Im Getümmel der Flamingos im Berliner Zoo ist Ingo nicht immer leicht auszumachen.

© dpa/Jessica Lichetzki

Die Zoo-Flamingos seien meist in der Gruppe unterwegs und abends lange aktiv, erzählt Lenzner. Morgens seien sie daher nicht unbedingt die frühen Vögel. Einen Tipp zum Erkennen hat der 56-Jährige noch: Ingo brauche altersbedingt manchmal Ruhe von den Artgenossen und halte sich etwas abseits auf. „Er ist nicht mehr der Schnellste, läuft hinterher und hinkt ein bisschen – es wäre komisch, wenn das mit 75 Jahren nicht so wäre.“

Seinen Lebensabend dürfe Ingo „selbstverständlich“ unter seinen Artgenossen verbringen, wie der Zoo schreibt. Eine Verfütterung an andere Tiere sei nicht geplant. Der Fall eines an Löwen verfütterten Zebras im Leipziger Zoo hatte vor einigen Wochen Kritik ausgelöst. Der Berliner Zoo ließ unbeantwortet, ob Tiere in der Hauptstadt als Futter für andere Arten enden, wenn sie nicht mehr benötigt werden.

Derzeit leben im Berliner Zoo 104 Flamingos aus fünf verschiedenen Arten. Wer Ingo aus der Nähe betrachten will, kann ihn mit Glück gegenüber von den Elefanten beobachten. Deutschlands ältestes Zoo-Tier ist der Vogel mit seinen 75 Jahren aber nicht. Bestimmte Riesenschildkröten können deutlich über 100 werden. (ho/dpa)

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