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Aus dem Weg gegangen: Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU) am Sonntagabend im Abgeordnetenhaus.

© REUTERS / Fabrizio Bensch

Vertreter der Wirtschaft zur Berlin-Wahl: Für Tempo bei der Regierungsbildung – und gegen ein „Weiter so“

Auf Basis erster Hochrechnungen haben Spitzenvertreter der Wirtschaft in Berlin ihre Erwartungen an die Politik formuliert. Aus ihnen spricht die Sehnsucht nach einem Politikwechsel.

Die Wahllokale sind geschlossen, die ersten Hochrechnungen sind veröffentlicht. Klar ist nur: Die CDU unter Kai Wegner ist die Wahlsiegerin. Ob er am Ende aber auch als Regierender Bürgermeister ins Rote Rathaus einziehen kann oder doch eine seiner beiden Konkurrentinnen, Franziska Giffey (SPD) oder Bettina Jarasch (Grüne), eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus organisieren und die Landesregierung anführen werden, ist am Sonntag noch offen. Erste Vertreter von Verbänden, Vereinen, Kammern und Gewerkschaften haben am Sonntagabend schon mal ihre Erwartungen aus Perspektive der lokalen Wirtschaft formuliert. Hier eine Übersicht.

IHK wünscht sich Tempo

„Nach dem Wahlkampf muss es jetzt schnell gehen mit der Regierungsbildung, denn die Baustellen sind groß, die Liste der zu bearbeitenden Themen ist lang“, sagte Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, in einer schriftlichen Mitteilung. „Die Berliner Wirtschaft fordert daher eine zügige Umsetzung der Verwaltungsreform, mutige Bildungsreformen statt Ausbildungsumlage, einen Fokus auf den zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel sowie eine gesamtstädtische Mobilitäts-, Flächen- und Wohnungspolitik.“

IHK-Präsident Sebastian Stietzel hofft auf eine Verwaltungsrefom.
IHK-Präsident Sebastian Stietzel hofft auf eine Verwaltungsrefom.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Berlin wünschen sich die Kammer statt Enteignungsplänen und neuen Belastungen für die verbleibende Legislaturperiode ein „innovations- und wachstumsfreundliches politisches Klima“ im Berliner Senat. Dieses solle einer Weltmetropole gerecht werden und Unternehmen, Investoren, Touristen und Fachkräfte in Berlin willkommen heißen.

Unternehmensverbände sehen alten Senat abgewählt

„Das Wahlergebnis ist eine Zäsur für Berlin“, meint Christian Amsinck, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Es zeige, dass viele Berlinerinnen und Berliner unzufrieden seien mit der Politik des Senats. „Das gilt insbesondere für die Bereiche, die auch für die Unternehmen und für den Standort Berlin entscheidend sind: den Wohnungsbau, den Verkehr und die Bildungspolitik. Hier gab es in den vergangenen Jahren viel Handlungsbedarf, aber wenig Fortschritte“, erklärt Amsinck schriftlich.

 Christian Amsinck von dem Arbeitgeberdachverband UVB.
 Christian Amsinck von dem Arbeitgeberdachverband UVB.

© DRV Bund / Frank Nürnberger

Gerade auf diesen Feldern zeigten die bisherigen Regierungsparteien die größten Differenzen. Bei einer Neuauflage der bisherigen Koalition sehe sein Verband daher die Gefahr, dass es weiterhin kaum vorangehe. „Die demokratischen Parteien sollten daher bei der Regierungsbildung alle Varianten ausloten, die mehr Fortschritt bei diesen zentralen Themen versprechen. Berlin kann nur zukunftsfähig werden, wenn die Stadt schneller auf die anstehenden Herausforderungen reagiert.“

VBKI fordert einen Neuanfang mit der CDU

„Im Wahlergebnis spiegelt sich eindeutig der Wunsch nach einem politischen Neuanfang, getragen von pragmatischer, lösungsorientierter und undogmatischer Regierungsarbeit“, kommentierte Markus Voigt, Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) die ersten Hochrechnungen.

VBKI-Präsident Markus Voigt sieht den Regierungsauftrag allein bei der CDU.
VBKI-Präsident Markus Voigt sieht den Regierungsauftrag allein bei der CDU.

© Tsp/Mike Wolff

„Der Wahlsieg der CDU umfasst einen klaren Regierungsauftrag.“ Zwar sei eine Fortsetzung des bisherigen Dreierbündnisses trotz deutlicher Verluste rechnerisch möglich. Ein „Weiter so“ würde aber der Wechselstimmung widersprechen, die im heutigen Wahlausgang klar zum Ausdruck komme, sagte Voigt in einer VBKI-Presseerklärung.

„Wichtig ist uns als Vertretern der Wirtschaft – und das gilt offenbar auch für eine Mehrheit der Berliner Wählerinnen und Wähler –, dass sich die politische Agenda der nächsten Jahre nicht an Partikularinteressen orientiert, sondern daran, was gesamtgesellschaftlich notwendig ist“, lautet die erste Analyse beim VBKI.

Wegner ist für IG Metall kein rotes Tuch

„SPD und Grünen müssen mit Kai Wegner sprechen“, sagte Jan Otto, Chef der IG Metall in Berlin. Der CDU-Wahlsieger hat durchaus Sympathien in der Industriegewerkschaft, da „er sich zu Themen bekennt, die für uns wichtig sind“, sagte Otto dem Tagesspiegel am frühen Sonntagabend. Dabei geht es um Industriepolitik, also ein größeres Engagement des Senats für die ansässigen Betriebe sowie stärkere Akzente in der Ansiedlungspolitik.

Jan Otto, Berlin-Chef der Industriegewerkschaft IG Metall ist Mitglied der Grünen.
Jan Otto, Berlin-Chef der Industriegewerkschaft IG Metall ist Mitglied der Grünen.

© Chr. v. Polentz/transitfoto.de / IG Metall/Chr. v. Polentz

Otto sagte aber auch, dass es „mehr Schnittmengen“ der IG Metall gebe mit dem sogenannten Fortschrittsbündnis aus Grünen, SPD und Linken. Am Ende sei entscheidend, wer die überzeugendsten Pläne für die Stadt und insbesondere für den Wirtschaftsstandort Berlin habe, sagte der Gewerkschafter, der Mitglied der Grünen ist und das industriepolitische Papier der Grünen gemeinsam mit Bettina Jarasch im Wahlkampf vorgestellt hatte.

Handwerk wünscht stabile Verhältnisse

„Das Berliner Handwerk wünscht sich eine schnelle Regierungsbildung und stabile Verhältnisse“, schrieb die Präsidentin der Handwerkskammer, Carola Zarth. „Wir stehen alle gemeinsam vor historischen Aufgaben. Dazu gehören eine Verkehrspolitik, die auch den Mobilitätsbedarf der Betriebe sieht, genügend Platz für Handwerksbetriebe in der Innenstadt, eine schnelle Digitalisierung und der Abbau von Bürokratie.“

Handwerkskammerchefin Carola Zarth fordert eine schneller Digitalisierung und Bürokratieabbau.
Handwerkskammerchefin Carola Zarth fordert eine schneller Digitalisierung und Bürokratieabbau.

© Promo

Dazu komme der Umweltschutz. Ohne das Handwerk komme keine Solaranlage aufs Dach und keine effiziente Heizung in den Keller. „Kurzum: Der neue Senat hat keine Zeit zu verlieren. Die Energiewende und das Handwerk auch nicht“, meinte Zarth.

Familienunternhemer: SPD darf Koalition nicht fortsetzen

Aus den Hochrechnungen ergebe sich eine „klare Führung der CDU“, hieß es beim Berliner Verband Die Familienunternehmer. Man fordere von der nächsten Landesregierung mehr unternehmerisches Denken, um die politischen Missstände zu beenden. „Dafür darf die SPD die aktuelle Koalition nicht fortsetzen.“

„Das starke Ergebnis der CDU macht deutlich: Berlin hat für einen Richtungswechsel gestimmt. Das muss sich jetzt auch in der neuen Regierungskoalition widerspiegeln“, forderte der Landesvorsitzende Stefan Schröter. „Franziska Giffey und die SPD müssen sich jetzt neue Koalitionspartner suchen, denn angesichts der jüngsten Äußerungen von Frau Jarasch ist es schwer vorstellbar, wie sie die Funktionsfähigkeit dieser Stadt wiederherstellen will.“ Vorschläge wie ein Vermieter-Führerschein oder ihr Agieren in der Verkehrspolitik verstärken nur die Probleme und sind Ausdruck einer Politik, die nicht auf das Wohl aller Berlinerinnen und Berliner abzielt. Man erwarte, dass Berlin zukünftig wieder als attraktiver Standort für Unternehmen Schlagzeilen macht und nicht aufgrund von Wahlpannen, Eigentumseingriffen und Verstaatlichungen.

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