zum Hauptinhalt
Ute Weiland im Ludwig-Erhard-Haus.

© Tagesspiegel/Alena Schmick

VBKI-Chefin Ute Weiland: „Berlin hat unbegrenzte Möglichkeiten“

Ute Weiland über ihre Pläne als neue Geschäftsführerin des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) und ihre Erwartung an den Wirtschaftsstandort Berlin.

Frau Weiland, nach der Wende wurde es oft als große Ungerechtigkeit empfunden, dass West-Unternehmen ostdeutsche Firmen übernahmen. Nun kommt eine Ostfrau in einen traditionellen, West-Berliner Verein. Kehren Sie damit diese Ungerechtigkeit ein bisschen um?

In meinem Alltag spielt das Thema Ost und West keine Rolle. Aber natürlich merke ich, dass für viele Menschen – auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung – die beiden Himmelsrichtungen weiterhin wesentliche Identifikationspunkte darstellen. Etwa beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum, das ich 2022 organisiert habe.

Sie haben das damals also anders erlebt?

Ich war damals 19, 20 und dachte: Super, für mich öffnete sich eine neue Welt mit unzähligen Möglichkeiten. Richtig ist aber auch: Die DDR-Wirtschaft lag am Boden und musste grundsaniert werden. Das ging nicht anders. Klar, man hätte hier und da auch etwas lernen können vom Osten: Was wir heute als Ärztehäuser kennen, hatten wir damals schon als Polyklinik.

Die Kinderbetreuung war stärker ausgebaut, daher konnten viel mehr Frauen berufstätig sein. Und wenn ich an meine Schulzeit denke und die ideologische Grundierung des Unterrichts abziehe: Die Vermittlung von Grundkompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben hat funktioniert, auch in der Breite. Was mich heute freut, sind die positiven Signale, die aus der ostdeutschen Wirtschaft kommen. Und die Investoren sind da: Tesla, Intel, RockTech. Das ist ein gutes Zeichen.

Aber nun kommen Sie als Ostfrau in einen sehr traditionellen West-Berliner-Verein. Wie profitiert der VBKI davon?

Mein Geburtsort war in den Gesprächen kein Thema. Aber wenn ich mit meiner Biografie dazu beitragen kann, den Osten der Stadt für den VBKI zu gewinnen, dann mache ich das gerne. Ich möchte ebenfalls das Umland ansprechen und sagen: Wir sind ein toller Wirtschaftsverein, hier habt Ihr Anschluss, hier könnt Ihr Euch vernetzen, wir öffnen Euch die Türen in Berlin.

Sie waren vorher beim „Land der Ideen“ – eine gemeinsame Standortinitiative der Bundesregierung mit der Industrie. Welche Erfahrungen möchten Sie von dort in den VBKI bringen?

Durch das „Land der Ideen“ und die vielen Wettbewerbe, die wir veranstaltet haben, habe ich die Innovationskraft Deutschlands kennengelernt. Berlin ist eine Stadt mit unbegrenzten Möglichkeiten, aber auch großen Herausforderungen. Wenn ich meine überregionalen Netzwerke hier einbringen kann, würde mich das sehr freuen. Ich möchte etwa anknüpfen an Aktivitäten, die wir mit der Start-up-Branche unternommen haben.

Ute Weiland im Fahrstuhl des Charlottenburger Ludwig-Erhard-Hauses, in dem der Verein (noch) residiert.
Ute Weiland im Fahrstuhl des Charlottenburger Ludwig-Erhard-Hauses, in dem der Verein (noch) residiert.

© Tagesspiegel/Alena Schmick

Und darüber hinaus?

Vor meiner Tätigkeit beim „Land der Ideen“ habe ich 13 Jahre lang bei der Alfred Herrhausen Gesellschaft der Deutschen Bank gearbeitet. Dort habe ich die weltweite Stadtkonferenzreihe „Urban Age“ mit initiiert und koordiniert. Was ich dort über Stadtentwicklung gelernt habe, kann ich auch gut hier einbringen, weil wir uns als Berliner Wirtschaft für eine nachhaltige, zukunftsfähige Stadtentwicklung stark machen und von anderen Städten national wie international lernen können.

Der VBKI wird in der Branche als etwas angestaubt mit seinen Formaten gesehen. Wollen Sie ihn entstauben?

Ich leite seit zwei Jahren mit einem Kollegen den VBKI-Mobilitätsausschuss, eingestaubt bin ich dabei nicht. Ich dachte beim VBKI zuerst auch an den „Ball der Wirtschaft“. Aber nach meinen Erfahrungen der letzten Jahre kann ich sagen: Ich habe hier spannende, engagierte Menschen getroffen, die sich für ihre Stadt einsetzen. Bürgertum wie man es sonst nur aus Hamburg oder Düsseldorf kennt. Das sind beste Voraussetzungen, um den Gestaltungsanspruch des VBKI zu leben.

Also schon entstauben?

Wenn Sie mit „Enstauben“ meinen, die Dinge immer mal wieder auf den Prüfstand zu stellen, würde ich die Frage mit „Ja“ beantworten. Das gehört zum Anforderungsprofil der Geschäftsführung.

Sie erwähnten schon den Mobilitätsausschuss, in dem Sie seit zwei Jahren wirken. Wie sind Sie denn heute zur Arbeit gekommen?

Mit einem Elektroauto.

Tesla?

Nein, ein Mini. Ich wohne in Potsdam. Die Verbindung von der Wohnung zur Arbeit ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht die beste. Und auch nicht die zuverlässigste. Da ich abends oft Termine habe, ziehe ich es vor, individuell unterwegs zu sein.

Verkehr ist eines der großen Themen in der Stadt. Abgesehen von dem Streit um die verkehrsberuhigte Friedrichstraße – was sind die größten Baustellen, um mal im Sprachbild zu bleiben?

Ich glaube, dass das Mobilitätskonzept von Berlin einen Masterplan benötigt. Mobilität kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss mit vielen weiteren Themen gemeinsam gedacht werden – ich denke an den Wohnungsbau, an die digitale Infrastruktur, natürlich an den Klimaschutz. In einer Metropole wie der unseren muss man schnell, bequem und sicher von A nach B kommen. Wenn es unser Ziel ist, mehr Menschen in den öffentlichen Nahverkehr zu kriegen, muss dieser auch in die Lage versetzt werden, diesen Dreiklang zu bedienen. Was ich nicht mag, ist die Ideologisierung der Debatte – beispielsweise der Versuch, Auto- und Radfahrer gegeneinander auszuspielen.

Ute Weiland beim Gespräch mit Tanja Buntrock, der stellvertretenden Leiterin der Abteilung Berliner Wirtschaft beim Tagesspiegel.
Ute Weiland beim Gespräch mit Tanja Buntrock, der stellvertretenden Leiterin der Abteilung Berliner Wirtschaft beim Tagesspiegel.

© Tagesspiegel/Alena Schmick

Aber der Rot-Grün-Rote Senat macht doch das einiges. Es werden Fahrradstraßen gebaut, die Verkehrswende steht im Fokus. Macht die aktuelle Regierung da keinen guten Job?

Bevor ich die Charlottenstraße zu einer Fahrradstraße gemacht hätte, hätte ich erstmal die Parkplätze reduziert. Die Parkhäuser drum herum sind fast leer. So hätte man mehr Raum geschaffen, der von Radfahrern und Autos gemeinsam hätte genutzt werden können. Die Friedrichstraße wird wieder geöffnet, die Charlottenstraße sukzessive geschlossen: Das bringt Chaos.

Jetzt stehen wir vor Neuwahlen. Ist das der einzige Kritikpunkt an der bisherigen Regierung?

Die jetzige Regierung ist unter extrem schwierigen Bedingungen gestartet und war von Anfang an in den Krisenmodus gezwungen: erst die Pandemie, dann der Einfall Putins in die Ukraine – mit den vielen Geflüchteten, die nach Berlin kamen, und der Energiekrise. Insofern habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass nicht alle Pläne umgesetzt werden konnten. Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass wir bei den vielen strukturellen Problemen, die wir vor uns herschieben, heute weiter wären. Insbesondere das Thema Verwaltungsreform brennt uns und unseren Mitgliedern sehr unter den Nägeln.

Ute Weiland im Büro des VBKI.
Ute Weiland im Büro des VBKI.

© Tagesspiegel/Alena Schmick

Ihre Mitglieder haben bei einer Umfrage im November mit großer Mehrheit angegeben, CDU zu wählen. Sie wünschen sich also ein CDU-geführtes Berlin?

Wir sind überparteilich. Wir geben keine Wahlempfehlung ab.

Warum eigentlich nicht? Wenn sich Ihre Mitglieder doch so deutlich zur CDU bekennen?

Ich denke, es überrascht wenig, dass viele unserer Mitglieder eher bürgerlich orientiert sind. Wir sind Verfechter der sozialen Marktwirtschaft. Trotzdem sind auch wir im VBKI ein Spiegel der Gesellschaft mit einer entsprechenden Vielfalt an politischen Präferenzen. Das ist unsere Stärke. Unsere Mitglieder sind mehr daran interessiert, dass Dinge in die Umsetzung kommen und Lösungen erarbeitet werden.

Sie als neue Geschäftsführerin freuen sich also, wenn Franziska Giffey weiter macht?

Wir werden mit allen demokratisch orientierten Landesregierungen gut zusammenarbeiten, auch mit einer künftigen Koalition mit Frau Giffey an der Spitze.

Unabhängig davon, wie sich die neue Regierung zusammensetzen wird. Wie will denn der VBKI die Zukunft der Stadt mitbestimmten?

Mitbestimmen würde ich nicht sagen. Wir wollen mitgestalten und uns engagieren, auch und gerade mit konkreten Projekten. Zwei Beispiele: Mit unserer Initiative „Einstieg zum Aufstieg“ helfen wir Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund, in Berlin Arbeit zu finden und so erst richtig in der Stadt anzukommen. Und mit unseren mehr als 2000 Berliner Lesepatinnen und -paten tragen wir ein Stück zur Bildungsgerechtigkeit in der Stadt bei. Das Thema Bildung ist uns sehr wichtig, ähnliches gilt – ich hatte es erwähnt – für die Verwaltungsreform.

Digitalisierung und leichtere Genehmigungsverfahren?

Die Verwaltung ist das Nadelöhr für alle Berliner Zukunftsprojekte. Wohnungsbau, Klimaschutz, Bildung – ohne eine effiziente und leistungsfähige Verwaltung bleiben wir hinter selbstgesteckten Zielen zurück. Mit unserem Forum „CEOs for Berlin“ wollen wir dazu anregen, neue Methoden und Instrumente aus der Wirtschaft in der Verwaltung zu testen. Wir machen uns auch für ein gezieltes Austauschprogramm stark, das beide Welten – Wirtschaft und Verwaltung – zusammenbringt.  

Derzeit ist das große Thema die Ängste wegen der hohen Energiepreise. Duschen Sie schon kürzer?

(lacht). Zuhause schauen wir darauf, dass wir Energie sparen, die Temperatur drosseln, nicht unnötig Licht brennt.

Mit unseren zahlreichen Veranstaltungen verstehen wir uns als Vernetzungsplattform. 

Ute Weiland

Wie unterstützen Sie da Ihre Unternehmen, ihre Mitglieder?

Mit unseren zahlreichen Veranstaltungen verstehen wir uns als Vernetzungsplattform. Unsere Mitglieder sind miteinander im Gespräch und tauschen sich über die aktuellen Herausforderungen aus – natürlich auch, weil wir sie regelmäßig zum Thema machen. Ich denke, das ist schon eine wichtige Hilfestellung.  

Eher beratend also?

Sie haben neulich über Orafol in Brandenburg berichtet. Das Unternehmen setzt einiges daran, sich eigenständig mit Flüssiggas zu versorgen. Ich bin auch in Kontakt mit der Chefin des Nordostchemie-Verbands. Dort sind die Sorgen groß, es sind energieintensive Unternehmen. Man lebt im Moment ein bisschen von der Hand in den Mund, umso wichtiger ist der Erfahrungsaustausch untereinander. Wir bringen die Unternehmen zusammen, natürlich auch, um in krisenhaften Lagen voneinander zu lernen. Da fühlen wir uns oft von der Regierung im Stich gelassen.

Das Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstr. 85 beherbergt neben dem VBKI unter anderem auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Standortmarketingagentur Berlin Partner.
Das Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstr. 85 beherbergt neben dem VBKI unter anderem auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Standortmarketingagentur Berlin Partner.

© Tagesspiegel/Alena Schmick

Neben dem Fachkräftemangel bewegt die Wirtschaft auch die Problematik rund um die Unternehmensnachfolge. Müssen nicht jetzt die Töchter endlich ran?

Natürlich, Sie werden genauso gebraucht wie die Söhne. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Die Zahlen steigen…

Naja!, also Frau Weiland…

…na gut, vielleicht nicht so schnell wie wir oder Sie es sich wünschen. Man kann das Thema aber auch nicht isoliert betrachten. Wir bräuchten dann auch mehr und bessere Betreuung für die Kinder und eine bessere Arbeitsteilung in der Familie.

Männer, zum Beispiel?

Bei mir zu Hause agieren wir ziemlich gleichberechtigt. Meine Tochter ist jetzt 20 Jahre alt, aber mein Mann hat sich jahrelang um die Betreuung gekümmert. Er ist Künstler und zeitlich flexibler.

Wenn wir in die Richtung Gründerinnen schauen, allein in der Start-up-Szene, da gibt es ja Erhebungen dazu, dass es deutlich weniger Frauen sind, die sich trauen ein Business aufzubauen.

Aber wenn sie gründen, dann sind sie erfolgreich. Und die Erhebungen weltweit zeigen auch, wenn Banken in Unternehmungen investieren, die von Frauen geführt werden, dann werden diese Darlehen sehr viel häufiger zurückgezahlt als von Männern.

Gibt es denn eine Offensive beim VBKI dies zu unterstützen?

Das war schon immer ein wichtiges Ziel des VBKI. Der Anteil der weiblichen Mitglieder im VBKI steigt seit Jahren, inzwischen sind etwa ein Viertel unserer Mitglieder Frauen. Der VBKI hat bereits einige Formate, die sich explizit an Frauen in Führungspositionen richten: Zum Beispiel das Q&A-Lunch mit der DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. In unserem Magazin VBKI-Spiegel haben wir die Rubrik „Frau.Macht.Wirtschaft“, die Sie kennen. Ich selbst habe erst vor zwei Jahren das Netzwerk Encourageventures mitgegründet: Das sind Frauen, die sich für Gründerinnen stark machen – die dort für Kapital sorgen wollen, aber auch ein Mentorenprogramm aufgelegt haben.

Aber es ist noch Potenzial vorhanden für mehr in Berlin.

Aber natürlich! Wir sollten aber nicht nur durch die Geschlechterbrille schauen. In der Debatte führt das dann oft zu einem „Frauen gegen Männer“. Was mir persönlich am Herzen liegt, ist Chancengleichheit. Das ist mein Thema.

Das Gespräch führte Tanja Buntrock.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false