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Reisen mit herkömmlichen Flugzeugen belasten die Umwelt stark. Daher arbeiten einige Hersteller an Alternativen.

© Adobe Stock/Bearbeitung: Tagesspiegel

Über den Wolken: Wie eine Strausberger Firma am klimaneutralen Fliegen arbeitet

Direkt hinter der Berliner Stadtgrenze tüftelt Apus an CO₂-neutralen Flugzeugen. Als erstes deutsches Unternehmen will Apus 2024 ein Wasserstoff-Flugzeug mit Brennstoffzelle in die Luft bringen.

Der europäische und globale Luftverkehr wächst und ein Ende ist nicht in Sicht. Eine Technik, mit der die Emissionen kurz- und mittelfristig deutlich gesenkt werden können, wird daher dringend benötigt. Doch bisher ist vieles nur im Versuchsstadium. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland zum Vorreiter auf dem mühsamen Weg zum klimaneutralen Fliegen zu machen. Dafür braucht es private Investitionen und Tüftler.

Im brandenburgischen Strausberg, nur zehn Kilometer östlich der Berliner Stadtgrenze, trifft beides zusammen. Hier sitzt der Flugzeugbauer Apus. Ursprünglich ein Ingenieurbüro für Teileentwicklung und -wartung in der Luftfahrt, arbeitet die Firma heute an einem Wasserstoff-Flugzeug, das in den nächsten Jahren Realität werden soll.

Deshalb hat Apus-Gründer Phillip Scheffel zuletzt zahlreiche Fachkräfte neu eingestellt. Weniger als 40 Mitarbeiter hatte die Firma vor zwei Jahren, 70 sind es heute. High-Tech-Jobs zu besetzen, ist nicht leicht. Daher sollte man als Flugzeugbauer schon etwas zu bieten haben. „Wer bei uns arbeitet, kann in Berlin leben“, sagt Phillip Scheffel. Das treffe auf positive Resonanz.

„Emissionsfrei fliegen ist das Ziel für alle hier“, sagt Apus-Gründer Phillip Scheffel.

© Apus PR

Angesiedelt hat sich Apus 2014 am Flugplatz Strausberg. Der mittelständische Betrieb ist heute das unternehmerische Zentrum eines Gewerbegebiets, das sich gerade zwischen dem Flugplatz und der Von-Hardenberg-Kaserne entwickelt. Letztere hat die Kleinstadt in den vergangenen Jahrzehnten geprägt. Seit den 1950er-Jahren als Sitz des DDR-Verteidigungsministeriums, seit 2012 als Standort des Kommandos Heer der Bundeswehr.

Der S-Bahnhof Strausberg Nord, der einen direkten Anschluss an Berlin bietet, ist nur fünf Minuten vom Gewerbegebiet entfernt. Doch die gute Erreichbarkeit, ist nur ein Nebenaspekt. Was die Apus-Leute nach eigenem Bekunden vor allem antreibt: Leidenschaft. Eine doppelte Leidenschaft, wie Scheffel erzählt. Zum einen für die Fliegerei und den Flugzeugbau an sich, zum anderen für eine grüne Zukunft der Branche. „Emissionsfrei fliegen, das ist das Ziel für alle hier.“

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Als erstes Unternehmen in Deutschland will Apus im September 2024 mit der Apus-I-2 ein Wasserstoff-Flugzeug mit Brennstoffzelle in die Luft bringen, das dann nach drei bis vier Jahren serienreif sein soll. In der angepeilten Form und als komplette Neu-Entwicklung wäre es auch international ein Novum. Die Apus-I-2 soll als erstes Modell des Unternehmens bis zu vier Passagiere 500 nautische Meilen (920 km) weit bringen.

Klimaneutrale Businessflüge

Bis es so weit ist, steht neben dem Erstflug ein umfangreiches Zertifizierungsprogramm an, denn die Maschine soll so, wie sie entwickelt wird, gebaut und verkauft werden. Sie würde sich beispielsweise als Trainingsflugzeug für Flugschulen eignen, an denen der Umgang mit Wasserstoff-Flugzeugen in den 2030er-Jahren zum Ausbildungsprogramm gehören könnte. Auch Unternehmen kämen als Kunden infrage. „Die könnten kurze Business-Flüge dann komplett klimaneutral durchführen, das macht sich gut im ESG-Bericht“, sagt Scheffel. Zudem könnten die eingesparten Emissionen in Form von CO₂-Zertifikaten verkauft werden.

Für die allermeisten kommerziellen Anwendungen ist die I-2 mit einer Nutzlast von 400 Kilogramm jedoch zu klein. Weshalb nach Abschluss der Entwicklung des ersten Modells die Arbeit an einem deutlich größeren Flugzeug aufgenommen werden soll. Das soll bis zu 19 Passagiere oder entsprechend viel Fracht transportieren können. Damit würde das emissionsfreie Fliegen mit Passagieren auf Regionalstrecken möglich werden.

Eine komplette Neuentwicklung

An Wasserstoff-Flugzeugen arbeiten in Deutschland und international noch weitere Akteure. Einer von ihnen ist Joseph Kallo, ein Pionier für H2-Fliegerei in Deutschland. Der Professor der Universität Ulm steht der Ausgründung H2FLY vor, die am Flughafen Stuttgart Brennstoffzellensysteme für Flugzeuge entwickelt. Dort wurde das Versuchsflugzeug HY4 in die Luft gebracht, das wie alle anderen Wasserstoff-Flugzeuge, die es bisher weltweit gibt, ein umgebautes konventionelles Flugzeug ist.

Blick in die Werkshalle der Firma Apus.

© Apus PR

Das erste Apus-Modell hebt sich davon ab, weil es eine komplette Neuentwicklung ist. Das Design der Apus-I2 ist von Grund auf für den Wasserstoff-Antrieb konzipiert. 2020 fiel der Startschuss für die Entwicklung. Das Unternehmen profitiert stark von seiner Vergangenheit als Ingenieurdienstleister. Die große Neuheit bei Apus: Der Wasserstofftank, der Ingenieure weltweit aufgrund der geringen Dichte des Elements vor Herausforderungen stellt, ist in Röhrenform in den Flügeln untergebracht. Und fungiert dabei als tragende Struktur, einen separaten, schweren Flügelholm gibt es nicht. Drumherum ist nur noch eine äußere Hülle in Flügelform. Eine Eigenerfindung, vielfach bestaunt und längst patentiert.

In die Tanks des knapp neun Meter langen Flugzeugs mit einer Spannweite von fast 14 Metern passen 23 Kilogramm Wasserstoff im gasförmigen Zustand, komprimiert auf 300 Bar. „Der Druck ist natürlich eine Hausnummer“, sagt Scheffel. Mehr geht kaum, zumal Wasserstoff mit seinem einen Elektron das kleinste Atom ist und mit der Zeit alle Materialien durchdringen kann. „Das hält auch eine Metallgitterstruktur nicht vollständig auf“, erklärt Scheffel. Ein Stahltank wäre ohnehin zu schwer, das gesamte Flugzeug besteht aus Komposit-Materialien.

Das Tanksystem von Apus hat seine Grenzen. Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff im gasförmigen Zustand würden für größere Flugzeuge große und schwere Tanks vorausgesetzt. Daher setzen Hersteller wie Airbus, das bis 2035 größere Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb entwickeln will, auf flüssigen Wasserstoff. Dieser setzt jedoch eine umfangreiche Infrastruktur an den Flughäfen voraus.

Die Zertifizierung ist die Hauptsorge

Die Wasserstofftanks sind für Apus eine der zahlreichen Herausforderungen auf dem Weg zur Zertifizierung. „Teile, die von der Easa für die Serienproduktion zugelassen werden sollen, müssen mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn hoch minus neun halten, also eins zu einer Milliarde“, sagt Scheffel.

Apus hat sich einen Namen als Zulassungsspezialist für einzelne Teile oder Prozesse in der Luftfahrt gemacht, dennoch merkt man dem Firmenchef an, dass die bis 2028 angestrebte Zertifizierung seine Hauptsorge ist. Dass die I-2 sicher ist, davon ist er überzeugt. Aber der Aufwand, mit dem das nachgewiesen werden muss, ist auch für wesentlich größere Unternehmen eine fordernde Aufgabe. Deshalb habe man sich bei der I-2 auch bewusst für zwei Motoren entschieden, an jedem Flügel einer, statt einem Motor an der Nase des Flugzeugs. „Die Redundanz wird von den Zulassungsbehörden gerne gesehen.“

Bis zum Erstflug der I-2 werden circa 40 Millionen Euro investiert worden sein.

Phillip Scheffel, Apus-Gründer

Ganz so schwer wie die mit der Zulassung kämpfenden Hersteller von Flugtaxis werde man es aber nicht haben. „Wenn bei uns alles ausfällt, fällt das Flugzeug nicht herunter wie ein Senkrechtstarter, sondern kann zu Boden segeln“, erklärt Scheffel. Trotzdem ist vor allem die elektronische Steuerung des Brennstoffzellenantriebes Neuland – auch für die Behörden.

Der Hauptteil muss privat getragen werden

Mittlerweile konzentriert man sich bei Apus nur noch auf das Wasserstoff-Flugzeug. Dazu brauche man jede Hand. „Langfristig wollen wir auch wieder andere Projekte angehen, aber jetzt muss dieses mit der vorhandenen Finanzierung bewältigt werden“, sagt Scheffel. Unterstützung gibt es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und vom Europäischen Regionalfonds, doch der Hauptteil muss privat getragen werden.

„Die nächste Investmentrunde ist für 2025 geplant“, sagt Apus-Gründer Phillip Scheffel.

© Apus PR

Riesig sei die Erleichterung gewesen, als man Anfang des Jahres den Piloten und Unternehmer Rolf-Jürgen Moll, Gründer des Berliner Business-Software-Anbieters LucaNet, als neuen Hauptinvestor gewinnen konnte. „Zuvor gab es einige schlaflose Nächte, das geht auch ins Private, sowas zu stemmen, auf Haus und Hof sind Hypotheken“, verrät Scheffel. „Bis zum Erstflug der I-2 werden circa 40 Millionen Euro investiert worden sein.“ Die Finanzierung bis zum Erstflug sei gesichert. „Die nächste Investmentrunde ist für 2025 geplant, dient der Zertifizierung und dem Produktionsanlauf und wird derzeit vorbereitet.“

Auch das Land Brandenburg mit seinem umtriebigen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) will der Firma zum Erfolg verhelfen. Als Apus im Sommer ein neues Testcenter am Flugplatz Strausberg einweihte, verwies Steinbach auf die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens für den Standort Brandenburg. Eine nachhaltige und klimafreundliche Wirtschaft soll das Bundesland zu einem Vorreiter in der Energiewende machen. „Wir versuchen in Brandenburg, auch einen Schwerpunkt im Bereich moderne Luftfahrt zu machen, die nach Möglichkeit klimaneutral sein soll“, sagte Steinbach.

Die Erwartungen sind da

Zugegen war bei der Einweihung auch Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie betonte die Bedeutung von Wasserstoff für eine klimaneutrale Luftfahrt und dass das Luftfahrtforschungsprogramm (Lufo) der Bundesregierung genau auf Unternehmen wie Apus setze.

Die Erwartungen sind da. Der European Green Deal und der deutsche Enthusiasmus für die Wasserstoffwirtschaft geben die Richtung vor. „Man kann eine flächendeckende Versorgung mit gasförmigem, grünem Wasserstoff in der allgemeinen Luftfahrt schaffen“, ist sich Scheffel sicher. Das Potenzial für die Produktion sei bei smarter Ausnutzung von Sonnen- und Wind-Peaks vorhanden.

Für Scheffel, der auch begeisterter Segelflieger ist, ist die grüne Luftfahrt zur Lebensaufgabe geworden. „Mit wenig Energie viel machen – das fasziniert mich.“ Denn eins sei klar: Eine klimaneutrale Luftfahrt wird mit neuen Antrieben eine weniger luxuriöse – eine Frage der Effizienz. Der Leichtbau werde auch in puncto Komfort noch viel konsequenter Anwendung finden.

Und langsamer müsse das Fliegen wohl auch werden. Der Luftwiderstand steige im Quadrat zur Geschwindigkeit „Sie sparen unfassbar viel Energie, wenn sie mit 600 statt 900 km/h fliegen. Oder mit 250 statt 500.“

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