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Rettungswagen vor der Notaufnahme am Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Berlin-Steglitz.

© imago images/Sabine Gudath

„Nur sieben Kliniken blieben übrig“: Berliner Krankenhäuser warnen vor Lauterbach-Plan

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will weniger, dafür größere Kliniken. Gerade in Berlin drohten deshalb Probleme, klagt die Krankenhausgesellschaft.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) warnt angesichts der Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor „massiven Einschränkungen“ der stationären Patientenversorgung. Die BKG, der die meisten Kliniken der Stadt angehören, bezieht sich dazu auf Analysen der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die hat die Vorschläge der Expertenkommission Lauterbachs detailliert auswerten lassen.

Würde die Klinikreform so umgesetzt, wie sie von Lauterbach im Dezember vorgestellt wurde, blieben von Berlins mehr als 50 Plankrankenhäusern nur sieben Standorte übrig. Plankrankenhäuser heißen jene staatlich, privat, gemeinnützig oder konfessionell betriebenen Kliniken, die vom Staat als notwendig eingestuft werden und Anspruch auf öffentliche Gelder für Bauten und Technik haben. Die Kosten für Personal und Medikamente zahlen die Krankenkassen.

Nur sieben Geburtsstationen

Wie der Tagesspiegel kürzlich berichtete, blieben bei strikter Auslegung der Reformpläne neben der Charité vier der ebenfalls landeseigenen Vivantes-Großkrankenhäuser und zwei, maximal drei Kliniken privater und konfessioneller Betreiber übrig. Die BKG listete am Montag auf, was das bedeuten könnte: Von aktuell 18 Geburtshilfe-Stationen in Berlin blieben nur sieben, von 14 Neurologien noch sechs, von zehn Urologien fünf.

Zur Einordnung der Lauterbach-Pläne sei gesagt: Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über viele, insbesondere kleine Kliniken. Lauterbach will weniger, dafür größere und bessere Krankenhäuser. Level-I-Kliniken wären demnach für die überwiegend ambulante Grundversorgung da; Level II kümmern sich um Regel- und Schwerpunktversorgung; Level-III-Häuser, vorrangig Universitätskliniken, erledigen zudem Spezialeingriffe.

Ob das Konzept in Ballungszentren funktionieren könne, bezweifeln Ärzte und Landespolitiker. Die Kommission des Bundes hätte sich besser mit den Ländern beraten sollen, sagte Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Montag wiederholt, Lauterbach habe versäumt, die Ideen „auf ihre Praktikabilität“ vor Ort zu testen. Dies hole die Krankenhausgesellschaft nun nach.

Zu viele stationäre Behandlungen

Eine Klinikreform sei nötig – in der Fachwelt gilt das bei aller Kritik als Konsens. Angesichts des demografischen Wandels, teilte die BKG mit, müssten Fachkräfte effizienter eingesetzt werden. Eine solche Reform aber brauche „zusätzliche Mittel für die notwendigen Umsetzungsschritte“, sagte BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner: Einen finanzstarken Strukturfonds, aus dem die dann womöglich fusionierten Großkliniken weiterentwickelt werden könnten, und eine „Offensive zu klinisch-ambulanter Patientenbehandlung“.

84 %
der Berliner Krankenhausbetten sind im Schnitt belegt

In Deutschland werden viele Fälle stationär behandelt, die genauso gut ambulant versorgt werden könnten – weshalb es pro Bewohner mehr Klinikbetten gibt als in den meisten anderen EU-Staaten. In Berlin wurden seit der Wende jedoch zahlreiche Betten gestrichen. Weil die Stadt wächst, genehmigten die Landesregierungen erst in den letzten Jahren neue Plätze. Derzeit gibt es circa 22.500 Krankenhausbetten in Berlin, die wegen fehlenden Personals jedoch nicht alle einsatzbereit sind.

Mit einer durchschnittlichen Auslastung von 84 Prozent aber liege Berlin über dem Bundesschnitt mit 77 Prozent, teilte die BKG mit, die Daten stammen wegen der Coronakrise noch aus dem Jahr 2019. Das ergebe 49 belegte Betten auf 10.000 Einwohner, im Bund seien es demnach 58 belegte Betten.

Als Hüft-Patient will ich die OP mit dem besten Ergebnis – dafür fahre ich lieber ein paar Kilometer.

Robert Möller, Chef der Helios-Kliniken

In einigen Krankenhäusern begrüßt man Lauterbachs Idee gar. Sie gehe „wichtige Probleme an“, so sollten Behandlungen zurecht „stärker in Kompetenzzentren“ gebündelt werden, sagte der Chef der privaten Helios-Kliniken, Robert Möller. Medizinisch sei unsinnig, dass jede Klinik jeden Eingriff anbiete. „Als Hüft-Patient will ich doch die OP mit dem besten Ergebnis, und dafür fahre ich dann vielleicht lieber ein paar Kilometer weiter“, sagte Möller, der selbst Arzt ist.

Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Dezember vorgestellten Reformpläne wurden im Kern zwar auch von Ärzten begrüßt, zuweilen aber als „unausgegoren“ bezeichnet.

„Was auf dem Papier gut klingt, im Sinne medizinischer Qualität auch unter Ärzten akzeptiert ist, wird in der Umsetzung zur herkulischen Aufgabe“, hatte Intensivmediziner Jörg Weimann gesagt. Es gebe nicht ausreichend valide Kriterien, welche Klinik rechtssicher in welches Level sortiert werde: „Es fehlen Daten, es droht Rechtsstreit.“ Weimann ist Experte für Intensivmedizin der Berliner Ärztekammer.

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