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Rohre des Vattenfall-Fernwärmetunnels an einer Baustelle in Berlin-Mitte.

© Foto: imago/Jürgen Heinrich

Update

Berlins Wärmeversorgung in Landeshand?: Opposition kritisiert Senat für Verhandlungen mit Vattenfall

Berlins Oppositionsfraktionen CDU und FDP lehnen die Verhandlungen des Senats mit dem Energieversorger Vattenfall ab – auch wegen möglicher Neuwahlen.

In den Fraktionen von CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus formiert sich Widerstand gegen die Pläne des rot-grün-roten Senats zum Kauf der Wärmeversorgung der Stadt vom schwedischen Vattenfall-Konzern. „Ich rate Frau Giffey dringend, die Finger davon zu lassen“, sagte Christian Gräff, der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion dem Tagesspiegel am Donnerstag. Ihm gehe es weniger um die Frage, ob eine Rekommunalisierung der Energieversorgung sinnvoll sei oder nicht, sondern ums Prinzip.

Auch in der CDU könne man sich grundsätzlich eine Beteiligung des Landes an der lokalen Wärmeversorgung vorstellen, „allerdings nur mit Know-how und unter maßgeblicher Kapitalbeteiligung der Privatwirtschaft“, betone Gräff. Das Land Berlin solle sich allenfalls 25 Prozent der Anteile sichern. „Sollte das Land wie geplant eine Mehrheit erwerben, besteht die Gefahr, dass das neue Unternehmen zu einem Versorgungswerk für SPD-Politiker wird“.

CDU verweist auf mögliche Wahlwiederholung

Abgesehen davon verfüge der amtierende Senat nicht mehr die nötige politische Legitimierung, um Verhandlungen mit derart weitreichenden finanziellen Folgen zu führen. Spätestens nach Urteilsverkündung des Berliner Verfassungsgerichts zu einer Wiederholung der Wahl von 2021, die für den 16. November angekündigt ist, stünden sämtliche Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in Frage, argumentierte der CDU-Politiker.

Die Verhandlungen mit Vattenfall dürften sich ins kommende Jahr ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die politischen Mehrheitsverhältnisse bei einem Urnengang im Februar neu verteilen, sei groß, sagte Gräff. „Vor dem Hintergrund ist es unvorstellbar, dass der amtierende Senat ein Milliardenvorhaben verhandelt, das das Land Berlin über viele Jahre finanziell binden wird.“

Christian Gräff ist wirtschafts- und energiepolitsicher Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

© Foto: dpa/Annette Riedl/dpa

Das Presse- und Informationsamt des Landes hatte am Mittwochabend offiziell mitgeteilt, dass der Senat sowohl das Berliner Fernwärmegeschäft von Vattenfall (Vattenfall Wärme Berlin) als auch die Anteile des schwedischen Konzerns am Versorger Gasag übernehmen will. Dieser Schritt kam nicht überraschend: Wie mehrfach berichtet, laufen Verhandlungen schon lange und zunehmend intensiv. Die Absicht zum Rückkauf ist auch im gemeinsamen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken formuliert.

Hintergrund der nun erfolgten offiziellen Bestätigung dürfte sein, dass die Vattenfall-Zentrale ihrerseits öffentlich Verkaufsabsichten der Berlin-Geschäfte bekundet hatte. Anders als man es sich in Senatskreisen wünscht, möchte Vattenfall aber nicht exklusiv mit dem Land Berlin verhandeln, sondern hat auch internationale Privatinvestoren eingeladen, Gebote abzugeben. Das erhöht den Druck auf Berlin, sich zu bewegen – nicht nur beim Kaufpreis.

32
Prozent der Anteile an der Gasag hält Vattenfall.

Vattenfall versorgt über sein Fernwärmenetz rund zwei Drittel aller 1,9 Millionen Berliner Haushalte und hält zudem knapp 32 Prozent an der Gasag, über deren Netz weitere Hunderttausende Haushalte mit Erdgas versorgt werden. Die anderen Gasag-Eigentümer sind der Düsseldorfer Eon-Konzern und der französische Versorger Engie. Beide möchten auch weiterhin eine Rolle bei der Versorgung spielen und dienen sich dem Senat als strategische Partner an.

Berlin habe sein Interesse an einem gebündelten Erwerb bekundet, teilte der Senat jetzt mit. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und weitere Senatsmitglieder hätten in einem Gespräch mit der Vattenfall-Vorstandsvorsitzenden Anna Borg die Zielsetzung des Landes verdeutlicht, „das Fernwärme- und das Gasnetz für eine effektive Wärmewende zusammen zu denken“, hieß es weiter.

Anders als die CDU lehnt die ebenfalls oppositionelle FDP im Abgeordnetenhaus eine Rekommunalisierung der Energie in Berlin grundsätzlich ab. „Der Realitätsverlust im Senat muss immens sein, wenn er trotz der absehbar angespannten finanziellen Lage des Landes Berlin jetzt plant, die Wärmeversorgung zu verstaatlichen“, schrieb Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion, in einer Mitteilung.

Was man jetzt brauche, sei nicht immer mehr Staatseigentum, sondern einen konsequenten Schutz von privatem Eigentum. „Damit sichern wir Jobs und Wohlstand der Menschen in unserer Stadt, die jeden Tag aufstehen, zur Arbeit gehen und Steuern zahlen“, sagte Czaja.

Vattenfall stellt klar: Es gibt keine „Verhandlungen“

Bei Vattenfall gab sich am Donnerstag überrascht von der Aufregung im landespolitischen Berlin. Man habe das Interesse zur Kenntnis genommen, sagte der schwedische Konzern der Presseagentur dpa. „Wir setzen unsere strategische Neubewertung des Berliner Wärmegeschäfts strukturiert fort und bereiten die Marktansprache vor.“ Bis dahin werde mit niemandem über eine Transaktion „verhandelt“. Auch würden keine Informationen über das eigene Geschäft weitergegeben.

Im Frühjahr hatte Vattenfall Berichte nicht dementiert, wonach dieser Prozess der Prüfung bis Ende 2022 abgeschlossen sein solle. An diesem Zeitplan hat sich offenbar nichts geändert. Sollten im neuen Jahr auch formal „Verhandlungen“ zum Verkauf des Berlin-Geschäfts aufgenommen werden, dürfte das Unternehmen mit einem dann auch wieder voll legitimierten Senat ins Gespräch kommen.

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