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Fan nach der Show seiner neuen Kollektion in den Wilhelm Hallen (2021) .

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Kira Hofmann

Berliner Designer William Fan: „Wegen Corona nur am Computer. Das ist für Kreative schon ein Killer“

Vor Beginn der Berlin Fashion Week spricht der Modeschöpfer William Fan über seine Kunst, seine ersten Schritte in dieses besondere Geschäft – und seine Pläne.

Herr Fan, viele junge Kreative träumen von einer Karriere als Modedesigner in Berlin. Sie haben es geschafft. Erinnern Sie sich noch, wie Sie an Ihre ersten Kunden kamen?
Ganz einfach: Am Anfang sind es immer die Menschen aus dem näheren Umfeld, die einen unterstützen. Ich habe schon früh verstanden, dass wenn ich langfristig am Markt bestehen möchte, meine Designs verkaufen muss. Anfangs sogar in meiner Wohnung. Ich lebte damals in einer WG; da wurde das Schlafsofa hochgeklappt und schon war das Zimmer ein Showroom. Ich habe mit allen Mitteln, die ich zur Verfügung hatte, versucht, die Inszenierung zu perfektionieren.

Hatten Sie schon immer einer Verbindung zu Mode?
Meine Eltern stammen aus Hongkong, ich selbst bin in Hannover aufgewachsen und hatte dort eine unaufgeregte, dörfliche Kindheit und Jugend. Aber ich denke, ich hatte schon immer einen Hang für ästhetische Dinge. Meine Mutter hat mir das Nähen beigebracht und ich habe früh begonnen meine Kleidung selbst zu nähen. Mit MTV und VH1 bin ich aufgewachsen und diese Popkultur hat mich in der Wahrnehmung was Kleidung ist oder kann stark beeinflusst. Mode war ein Zufluchtsort, ein Schutzmantel und ein Hilfsmittel, meine Identität zu finden. Ich kann sehr viel mehr Tiefgang in Mode sehen, als dass sie einem nur warmhält.

Und der beste Weg, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen, ist also das Modedesign-Studium?
Für mich ja. Den Master in Berlin habe ich gezielt angefangen, weil ich wusste, ich möchte mich hier selbstständig machen. Deshalb habe ich meine Abschlussarbeit strategisch so gestaltet, dass sie gleichzeitig eine vollwertige Kollektion war. Mit Taschen, mit Schmuck und allem, was dazugehört. Und dann habe ich eine Bewerbung an die Berlin Fashion Week geschrieben mit der Frage, ob sie nicht einen Slot an einen Absolventen vergeben möchten.

Hatten sie zu dieser Zeit schon irgendwelche Kontakte?
Gar nicht. Diese Anfrage habe ich an eine E-Mail-Adresse geschrieben, die ich irgendwo im Internet gefunden hatte. Doch es kam sofort ein Feedback: Super – die Kollektion sieht gut aus. Ich habe dann meine erste Show gesponsort bekommen. Das war der Startschuss in die Selbständigkeit und mein Debüt.

Wie groß war Ihre Firma am Anfang?
Anfangs war ich allein. Die ersten Jahre habe ich nebenher noch anderswo gearbeitet, um einen Nebenverdienst zu haben. All das habe ich reinvestiert. Und ich hatte durch meine Jobs auch schon Erfahrung in der Produktion.

Nähen, einkaufen, verkaufen – wie lang haben Sie es durchgehalten, alles alleine zu machen?
Nun ja, ich hatte ja kein Budget für mehr. Nach neun Monaten habe ich meinen ersten Praktikanten eingestellt. Meinen ersten Mitarbeiter erst deutlich später. Er ist noch immer bei uns und heute unser Head of Sales. Inzwischen sind wir zu zehnt. Als der Verkauf hochging, habe ich außerdem nach Produzenten gesucht.

Durch meine chinesischen Wurzeln hatte ich sehr früh Zugang in die internationale Textilindustrie. Schon als ich mit 18 Jahren das erste Mal in Hongkong war, hatte ich begonnen, Kontakte zu knüpfen. Und als ich die Produktion dann brauchte, kannte ich schon einige kleine Manufakturen, die mit vier, fünf Mitarbeiter:innen Kleidung auf dem Niveau herstellen, das mir vorschwebte. Mit denen habe ich lange zusammengearbeitet und sie sind mit mir über die Jahre gewachsen – es sind Familienbetriebe.

Ein Model zeigt eine Kreation des Designers William Fan bei einer Modenschau im Kunstgewerbemuseum Berlin.
Ein Model zeigt eine Kreation des Designers William Fan bei einer Modenschau im Kunstgewerbemuseum Berlin.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / dpa/Jens Kalaene

Hatten Sie sich von Anfang an eine bestimmte Zielgruppe vorgenommen?
Nicht direkt. Aber es sind häufig Menschen die eine Affinität zu Kunst und Design haben. Sie schätzen den feinen Unterschied in den Entwürfen und die universelle Tragbarkeit. Unsere Kunden haben eine Altersspannweite von 16 bis 85.

Sie sprechen eher eine Denkweise, eine Haltung an, als eine Altersgruppe?
Ich denke schon. Natürlich sind wir hochpreisig. Aber hier haben wir uns früh einen Weg überlegt, um für alle erreichbar zu sein, indem wir eine Null-Prozent-Ratenzahlung anbieten. Früher war es für viele Menschen ja unmöglich, an Luxusgüter zu kommen, wenn man nicht das entsprechende Budget hat. Das hat mich immer gestört – auch als ich jung war. Unsere Kunden finden die Ratenzahlung sehr angenehm. Und Zahlungsausfälle gab es noch nie.

Ist das Geschäftliche für Sie mehr als nur lästige Pflicht?
Auch wenn ich schon immer künstlerisch arbeiten wollte, agiere ich gerne wirtschaftlich. Kreativität und Geschäft sollten immer im Gleichgewicht sein. Dabei ist Service enorm wichtig. Das hat uns durch die Pandemie gebracht. Man glaubt es zwar kaum, doch wir haben unsere Umsätze zeitweise in der Corona-Zeit versechsfacht.

William Fan bei seiner eigenen Fashion-Show während der Berlin Fashion Week im März 2022 im Hamburger Bahnhof.
William Fan bei seiner eigenen Fashion-Show während der Berlin Fashion Week im März 2022 im Hamburger Bahnhof.

© Getty Images / Andreas Rentz/Getty Images

Versechsfacht?
Ja. Und das, obwohl es unseren Onlineshop erst seit dem Frühjahr 2022 gibt. Davor haben wir Verkauf, Akquise und Beratung übers Telefon, via Mundpropaganda, Social Media und mit Paketversand gemacht. Das ist zwar super oldschool, aber effektiv.

Covid war für Sie also kein Problem?
Die Pandemie hat andere Probleme verursacht. Fast alle Verkaufspartner wurden auf einen Schlag sehr vorsichtig im Einkauf – außer das KaDeWe. Die sind uns immer treu geblieben. Vor allem aber konnte ich auf einmal nicht mehr nach China reisen. Das stört mich schon sehr, denn die Reisen waren ein wichtiger Teil des Design-Prozesses. Wenn ich durch die Märkte gegangen bin, wenn ich mit den Produzenten und Nähern gesprochen habe, habe ich auch erfahren, was möglich ist. Das fiel komplett weg. Das heißt, meine letzten zweieinhalb Jahre waren nur am Computer. Das ist für Kreative schon ein Killer.

Haben Sie sich neue Produzenten gesucht?
Ja, ich habe angefangen, in Europa zu suchen. Und durch einen Kontakt aus meiner Schulzeit habe ich tatsächlich in Italien in der Nähe von Venedig Manufakturen gefunden, die genau das bieten, was ich suche. Und das ist wirklich wie ein Eintrittsticket in eine ganz neue Welt.

Inwiefern?
Ich habe jetzt Zugang zu Schuh-Manufakturen, wo Bottega Veneta produziert. Taschen da, wo Chanel produziert. Strickwaren dort, wo Jil Sander produziert. Ich bin begeistert von dem Handwerk, den alten Maschinen – und dennoch ihrer Flexibilität. Was stört, ist natürlich die Sprachbarriere, die ich in China nicht hatte. Aber ich lerne italienisch. Denn man darf auch nicht vergessen: Solche Produktionsstätten suchen sich ihre Partner aus. Man bewirbt sich sozusagen.

Models mit aktueller Mode von William Fan.
Models mit aktueller Mode von William Fan.

© Detlef Eden promo/prissilya junewin / PRISSILYAJUNEWIN

Die Produktion bleibt also in Europa?
Ja, die CO2-Bilanz, der Zeitgewinn, die Versandkosten – alles spricht dafür, die Dinge näher an sich heran zu holen. Ich werde aber immer einen kleinen Teil in China lassen, weil ich mich für meine bestehenden Kontakte verantwortlich fühle.

Dem Klischee nach sprach das finanzielle Argument bislang ja immer für China.
Es gibt natürlich die Massenproduktionsstätten. Aber es gibt auch nischige Manufakturen, die mit sehr hochwertigen Stoffen arbeiten. Und man darf nicht vergessen: Seide und Kashmir sind nicht in Italien entstanden – die teuersten Stoffe stammen aus China, der Ursprung hochwertiger Kleidung liegt in China. Alles ist dort vor Ort – und es steht eine jahrhundertelange Tradition dahinter. Die Massenproduktion ist ja durch westliche Firmen entstanden. Aber es war am Anfang durchaus ein Antrieb für mich, dem angesprochenen Klischee zu widersprechen und hochqualitative Produkte eben genau aus China anzubieten.

Nochmal zurück zum Anfang: Hatten Sie Investoren oder ein nennenswertes Startkapital?
Ich hatte anfangs 4000 Euro angespart. Damit fing ich an. Und ich habe wirklich immer alles, jedes Muster, was ich hatte, verkauft. Natürlich habe ich mir zwischendurch auch mal Geld von der Bank geliehen. Aber Investoren hatte ich nie, die ganze Firma ist immer aus eigenen Kräften gewachsen.

Zeitlos schön: Ein Model präsentiert Slipper im Goldfisch-Design (2018) von William Fan.
Zeitlos schön: Ein Model präsentiert Slipper im Goldfisch-Design (2018) von William Fan.

© picture alliance / Britta Pedersen/dpa / dpa/Britta Pedersen

Hat das auch Nachteile?
Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem das Geschäft zwar gut läuft. Doch ich denke schon darüber nach, dass es mit mehr finanziellen Mitteln schneller vorangehen würde. 

Wie stellen Sie sich die Zukunft von WILLIAM FAN denn vor?
Ich denke gerne groß und sehe mein Label international. Ich bin sicher, das könnte funktionieren. Aber nur, wenn ich als Partner wirklich die richtige Person träfe, die meine Vision und meine Geduld teilt. Oder man wächst langsam weiter. Aber das ist manchmal frustrierend, weil Mode ja schnelllebig und Teil des Zeitgeistes ist. Aber meine Vision ist eigentlich, dass WILLIAM FAN nicht nur Mode ist, sondern eine ganze Welt. Ich stelle mir ein Café vor, ein Restaurant, ein Hotel. Weitere Produkte. Ich mag die ganzheitliche Idee, dass ich unsere Philosophie nicht nur über Mode, sondern auch über andere Wege kommuniziere.

William Fan, 2022.
William Fan, 2022.

© William Fan / Detlef Eden

Wie geht diese Philosophie?
Meine Arbeit hat den Anspruch, zeitlos zu sein und gleichzeitig den Zeitgeist aufzunehmen. An in und out glaube ich nicht. Wir gehen auch nicht in den Sale, weil ich das für eine Entwertung der Mode halte. Die Qualität ist enorm wichtig – dahinter steht auch der Gedanke, hochwertiges Handwerk in Deutschland aufzubauen. Ich denke, man kann solche Ausbildungen durchaus auch attraktiv aufbauen. Ich arbeite autobiografisch und ein wichtiger Teil meiner Identität ist die europäische und asiatische Kultur. Dieses Zusammenspiel ist ein Dialog, der immer wieder neu definiert und hinterfragt wird. Wir glauben beispielsweise nicht an Geschlechtertrennung in der Mode. Mit Blick auf die Atmosphäre sollte der Arbeitsplatz ein Safe Space sein.

Stichwort Berlin und Mode: Sie hatten Ihre erste Show auf der Berlin Fashion Week, als es noch das Zelt am Brandenburger Tor gab. Hat der Standort Berlin und seine Messen an Strahlkraft verloren?
Der Berliner Salon und der Vogue-Salon haben mir sehr dabei geholfen, Kontakte zur Presse zu knüpfen. Ich würde behaupten, dass wir im deutschsprachigen Raum durch die klassischen Medien so auch durchaus bekannt wurden. Für diese Region konnten wir durch die Fashion Week schon das Maximum herausholen. Ob die Fashion Week auch international ist, ist eine andere Frage. Das war für mich aber auch nicht schlimm – und auch nicht mein Anspruch. Ich wollte nur „überleben“, ein Netzwerk aufbauen und einen loyalen Kundenstamm. Das habe ich erreicht. Langsam aber stetig.

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