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Licht aus. Das Colosseum ist wohl die längste Zeit ein Kino gewesen.

© Paul Zinken/dpa

Berliner Traditionskino muss schließen: Kongresse statt Kinofilme

Fast 100 Jahre bot das „Colosseum“ großen Premieren und der Berlinale eine Bühne. Nun wollen die Brauner-Erben das Kino für immer schließen.

Das Kino „Colosseum“ an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg bleibt wohl für immer geschlossen – wegen „mangelnder Fortführungsaussichten“. Stattdessen wollen die Erben des Filmproduzenten Artur „Atze“ Brauner auf dem Gelände einen Büro- und Kongresskomplex entstehen lassen.

Die bislang von Brauner-Sohn Sammy geführte Betreiberfirma des Kinos hatte wegen der Coronakrise im Mai Insolvenz angemeldet – doch die Pläne, den Kinobetrieb einzustellen, gibt es schon länger. Das Bezirksamt Pankow hätte seit Monaten gewarnt sein können. Nun will Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) mit den Brauner-Erben eine Lösung suchen.

Nach einer Mitarbeiterversammlung am Freitag haben die 43 Beschäftigten T-Shirts und Transparente vor das geschlossene Kino gehängt, darauf stand: „Wir verlieren unsere Arbeitsplätze und ihr einen Lieblingsort.“ Am Samstagvormittag sagte Insolvenzverwalter Sebastian Laboga, das „Colosseum“ werde infolge der Coronakrise seinen Betrieb nicht wieder aufnehmen können.

Obwohl Kinos in Berlin ab dem 2. Juli wieder öffnen dürfen, sei wegen der Hygiene-Auflagen auf absehbare Zeit keine rentabler Betrieb möglich. Das Kino müsste durchschnittlich zu 70 Prozent ausgelastet sein, das sei derzeit nicht zu erwarten. „Auf dieser Grundlage kann die erforderliche Auslastung nicht erreicht werden“, sagte Laboga. Der Eigentümer des Kinos, die Erbengemeinschaft Brauner, habe den Pachtvertrag für die Immobilie für das Colosseum zum Jahresende gekündigt. Auch eine Vermietung an einen anderen Kinobetreiber sei nicht gewünscht.

Es ist eines der ältesten Lichtspielhäuser Berlins

Das Colosseum, vor fast 100 Jahren in eine historische Wagenhalle der Pferde-Straßenbahn hineingebaut, ist eines der ältesten Lichtspielhäuser Berlins. In der DDR war es Premierenkino. Artur Brauner eröffnete es 1997 als Multiplex-Kino neu, die Berlinale war dort seit 15 Jahren zu Gast. Brauner hatte das Colosseum als „Krönung seines Lebenswerkes“ bezeichnet. Im Juli 2019 starb Brauner kurz vor seinem 101. Geburtstag. Unter den sechs Brauner-Erben der Immobilie ist auch der bisherige Kino-Chef Sammy Brauner.

Ist die Coronakrise nur ein willkommener Anlass? Bereits 2019 wurde für das Grundstück ein Bauvorbescheid beantragt. Dabei handele es sich um eine Anfrage, ob das Grundstück neu überbaut werden kann – auch unter Rücksicht auf den Denkmalschutz, sagte Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) am Samstag. Der Bauvorbescheid sei „positiv beantwortet“ worden. Demnach sind Neubau und Überbauung mit Büros auf knapp 16.000 Quadratmetern geplant.

Der Bezirksbürgermeister will ein „Haus der Kultur und Kreativwirtschaft“

Im Bezirksamt war das mögliche Aus für das Kino seit Herbst 2019 bekannt, doch niemand hat reagiert. Bezirksbürgermeister Benn sagte, dass zuweilen mehr Sensibilität nötig sei für politisch relevante Sachverhalte. Der Bauvorbescheid ist intern wohl nicht als brisant eingestuft und nach oben gemeldet worden. Benn sucht jetzt das Gespräch mit den Brauner-Erben.

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Für den Bezirk bestehe „keinerlei Interesse an großräumigen Büro- und Kongresskapazitäten“ am Kino-Standort, schrieb Benn jetzt Sammy Brauner. Ziel des Bezirks sei es, „dass die traditionsreiche kulturelle Nutzung des Colosseum fortgeführt wird“. Neben dem Kino seien „auch andere kulturelle Nutzungen“ vorstellbar.

Benn schlägt ein „Haus der Kultur und Kreativwirtschaft“ vor. Zugleich warnt er vor längerfristigem Leerstand. Das wäre in dieser prominenten Lage nicht akzeptabel. Für die Übergangszeit sollten „großzügig Zwischennutzungen der freien Kulturszene Pankows“ ermöglicht werden.

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