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Starke Statur und lockere Sprüche. Andreas Scholz liebt seinen Job im Prinzenbad in Kreuzberg – schon wegen der frischen Luft.

© Verena Eidel

Berliner Stadtmenschen im Sommer: Sein Revier ist das Prinzenbad

Andreas Scholz ist Bademeister in Berlin-Kreuzberg. In kritischen Situationen setzt er auf Witz und Lockerheit. Der Mann mit Zopf und Sonnenbrille im Porträt.

„Wie ein Fruchtzwerg sollte man nicht aussehen“, wenn man von den Badegästen als Autorität am Beckenrand wahrgenommen werden will. Dennoch versteht sich Andreas Scholz, 56, nicht als unangefochtener Revierchef. Die wichtigste Eigenschaft in seinem Job: Redegewandtheit. „Mit Witz und Lockerheit, lassen sich kritische Situationen viel eher runterkochen.“

Das Prinzenbad in Kreuzberg zählt zu den beliebtesten Sommerbädern in Berlin, an besonders heißen Tagen kommen bis zu 6.500 Badegäste hierher – da bleiben Konflikte nicht aus. 2010 wurde eine Vierjährige leicht verletzt, als es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen und Wachschützern kam. Tim Raue, früher Gangmitglied bei 36 Boys, heute Sternekoch mit Gangvergangenheit, hat hier „völlig zu Recht“, wie er 2008 im Interview gestand, eine Schelle kassiert.

Andreas Scholz sieht das so: „Ohne Security geht es nicht mehr, aber inzwischen ist das Prinzenbad auch für Familien attraktiv.“ Ein Selbstversuch an einem sonnigen Tag bestätigt: Alles friedlich, gemischtes Publikum. Größte Aufregung in diesem Jahr: Ein Fuchs, der bei laufendem Badebetrieb erschossen wurde. „Fuchsi wurde hingerichtet, es war grauenhaft“, zitierte die „B.Z.“ eine Augenzeugin. „Der Jäger hat den schwerverletzten Fuchs in einem Gebüsch erlöst“, twitterte die Polizei. „Offensichtlich krank“ (der Fuchs), sagt Scholz zu dem Vorfall.

Viel los ist allerdings nicht an diesem Nachmittag. „Die Saison läuft schleppend an dieses Jahr. Manche Leute brauchen eine Weile, bis sie begreifen, dass die Sonne scheint“, erklärt der braungebrannte Bademeister nicht ohne Ironie. Macht aber nichts, denn ein wechselhafter Juni kann durch einen heißen August ausgeglichen werden. Im vergangenen Jahr zählte das Prinzenbad insgesamt 203.070 Badegäste. Die Anlage ist gut in Schuss, in den 80ern runderneuert und mit schattiger Wiese und Kiosk ein lauschiger Ort, um den ganzen Tag dort zu verbringen. Der Bademeister mit Zopf und Sonnenbrille fühlt sich offensichtlich wohl hier: „In welcher Stadt gibt es schon so viele schöne Freibäder?“

„Zwanzigjährige, die sich wie Kinder benehmen“

Man merkt, er ist eine feste Größe im Prinzenbad, die Leute grüßen ihn im Vorbeigehen, winken von Weitem. Seit 2010 ist er hier Bademeister, und er kennt sein Schwimmpublikum ganz genau. In der Woche kommen viele Früh- und Spätschwimmer. Leute, die auf ihre work-life-balance bedacht sind und sich vor oder nach der Arbeit die nötige Bewegung verschaffen. Auch ältere Herrschaften, die sich durch Brustkraulen fit halten, ziehen ihre Bahnen. In den Ferien kommen vor allem Jugendliche, darunter auch „Zwanzigjährige, die sich wie Kinder benehmen“. Dem Kiez entsprechend haben viele einen „integrativen Hintergrund“, wie Scholz es nennt. Da zahlt es sich aus, dass die Sicherheitsleute ebenfalls einen Migrationshintergrund haben. Arabisch, türkisch, kurdisch – für jeden Problemfall steht die passende kulturelle Autorität bereit.

Die Durchsetzung der Badeordnung geschieht jedoch ohne Ansehen der Person. „Nicht von den Längsseiten springen“, „Im Innenbereich nicht Rauchen“, „Auf der Rutsche nicht laufen“ – das ist der Alltag. Die Melone wird besser geschnitten mitgebracht, denn Messer und andere Waffen sind im Schwimmbad tabu. Wer sich nicht daran hält, wird mit freundlichem Nachdruck darauf hingewiesen, spätestens beim dritten Mal folgt die Konsequenz, im schlimmsten Fall ein Hausverbot. Dennoch, für den sportlichen Mitfünfziger sind auch kritische Situationen eine Frage des Umgangs. „Fördern statt fordern“ lautet sein Mantra. Er ist überzeugt: Wer Sport treibt, bleibt gesund und gerät nicht so leicht auf die schiefe Bahn und vor allem wieder auf die Beine. Scholz weiß, wovon er spricht. Der gelernte Kfz-Mechaniker hat viele verschiedene Jobs gehabt, war Krankenwagenfahrer, Fleischer und Postzusteller, bevor er in Arbeitslosigkeit und Hartz IV abrutschte. Dann bekam er eine Stelle bei den Bäderbetrieben angeboten und entschloss sich, die Prüfung zum Bademeister zu machen.

Lieblingsplatz: Wiese hinten beim Kleinkind-Becken

Die fünf Monate von Mai bis Ende September im Freibad zieht er der chlorgeschwängerten Luft im Hallenbad am Spreewaldplatz, wo er im Winter arbeitet, vor. Sein Lieblingsplatz im Prinzenbad? Die Wiese hinten beim Kleinkind-Becken. Wenn vorn das wilde Leben tobt, hört man unter den großen Bäumen die Vögel zwitschern. Nach Feierabend schätzt er die Ruhe in Britz und Spaziergänge mit seinem Hund. Wenn er doch mal unter Leuten gehen möchte, steuert er das Brauhaus am Südstern an. Ein gemütlicher Ort an der Hasenheide, wo man im Biergarten ein naturbelassenes Bier genießen kann – die wurden hier schon selbstgebraut, als Craft-Bier noch niemand kannte.

Mehr Berliner mit interessanten Geschichten haben Lucia Jay von Seldeneck und Verena Eidel recherchiert: „111 Berliner, die man kennen sollte“ ist vor kurzem im emons Verlag erschienen (240 Seiten, 16,95 Euro).

Unsere Serie: Die Serie Stadtmenschen im Sommer erscheint in Kooperation mit Checkpoint, dem täglichen Newsletter des Tagesspiegel-Chefredakteurs Lorenz Maroldt. In den Sommerferien erscheint der Checkpoint immer montags, derzeit geschrieben von Robert Ide, mit einem Stadtmenschen. Parallel dazu stellen wir die Menschen in der gedruckten Zeitung ausführlicher vor. Bisher erschienen: Kolumnistin Pascale Hugues. Nächste Folge: Imkerin Erika Mayr. Den Checkpoint abonnieren können Sie unter: checkpoint.tagesspiegel.de

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