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Die Genossen kritisieren: "Die SPD hat keine klare Linie mehr".

© Fredrik von Erichsen/dpa

Berliner Sozialdemokraten: Positives Echo auf kritisches Papier gegen SPD-Kurs

In einem Appell fordern jüngere Funktionäre der Berliner SPD einen Neuanfang. Das Papier kommt im Landesverband gut an.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein öffentlicher Appell jüngerer SPD-Funktionäre, die für den Berliner Landesverband einen „echten Neuanfang“ fordern, hat in den eigenen Reihen ein positives Echo gefunden. Viele Genossen wollen den Aufruf, der von sieben Berliner SPD-Politikern aus verschiedenen innerparteilichen Lagern am Sonnabend über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde, auch unterschreiben.

Das Papier, das sich kritisch mit der sozialdemokratischen Regierungspolitik in Berlin auseinandersetzt, war seit längerer Zeit geplant. Als Initiator gilt der ehemalige Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning. Seit März ist er Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Nach dem SPD-Landesparteitag, der am 2. Juni den Vorstand neu wählt, planen die Verfasser des Aufrufs eine parteiinterne Diskussionsveranstaltung, um sich über die künftige Politik der Berliner SPD auszutauschen. „Wir machen uns Sorgen um die Partei“, teilte beispielsweise der Neuköllner Abgeordnete Joschka Langenbrinck mit. Er zählt zum pragmatischen Flügel der Landes-SPD.

Der Parteilinke Julian Zado, der für das Amt des Vize-Landeschefs kandidiert, lobte das Papier als „guten Beitrag“. Auch in der bisherigen Parteiführung stößt der Appell teilweise auf positive Resonanz. Zu den Befürwortern soll auch Staatssekretär Steffen Krach gehören, der für den Wissenschaftssenator Müller die Hochschulpolitik organisiert und mit Böhning eng befreundet ist.

Das Papier ginge nicht ums Personal

Der Ex-Kanzleichef versicherte seit dem Wochenende mehrfach, dass er den Berliner SPD-Chef Müller unterstütze. Wer glaube, es gehe in dem kritischen Papier ums Personal, der habe den Text nicht verstanden, so Böhning. Dennoch wurde der Online-Aufruf in Berliner SPD-Kreisen am Dienstag als weiteres Zeichen gewertet, dass es eine schleichende Absatzbewegung von Funktionären gibt, die Müller bisher unterstützt haben oder wenigstens loyal zu ihm standen. „Ihm laufen die Leute weg“, sagte eine Genossin.

Erst vor drei Wochen hatte der Bildungs-Staatssekretär und SPD-Vizechef Mark Rackles den Führungsstil Müllers scharf getadelt. Und am Dienstag legte Farhad Dilmaghani, Koordinator der Kommission „Politische Handlungsfelder“, die eine inhaltliche Neuausrichtung der SPD diskutiert, sein Amt nieder. Auch er zählte bislang zum Müller-Lager.

Strittig diskutiert wird im SPD-Landesverband, ob die Veröffentlichung des Aufrufs zwei Wochen vor dem Wahlparteitag der Sozialdemokraten nicht zum falschen Zeitpunkt kam. Auf dem Parteitag soll Müller als Landesvorsitzender im Amt bestätigt werden. Das stellt auch niemand in der Partei ernsthaft in Frage.

Der Regierungs- und SPD-Landeschef wollte sich zu dem Papier, das neue Unruhe in den Landesverband bringt, am Dienstag nicht äußern. In seiner Eigenschaft als Bundesratspräsident fliegt er am Sonnabend erst mal nach Rom, zu einer Privataudienz mit Papst Franziskus.

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