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13 Rocker der Hells Angels brachten 2014 einen Mann brutal um. Die Polizei wusste wohl von dem Vorhaben.

© Franz-Peter Tschauner dpa/lnw

Berliner Rockermord: Polizei Berlin suspendiert drei LKA-Beamte

Beamte der Polizei Berlin wussten offenbar, dass ein Mensch sterben sollte und nahmen dies billigend in Kauf. Nun wird gegen sie ermittelt.

Die Berliner Polizei hat nach neuen Vorwürfe im Fall des Wettbüro-Mordes drei Beamte des Landeskriminalamtes vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Sonntag gegen die Beamten wegen des Verdachts auf Totschlag durch Unterlassen. Anlass ist ein rechtlicher Hinweis des Landgerichts Berlin: Demnach sollen die Beamten bewusst zwingend gebotene Maßnahmen unterlassen und damit im Jahr 2014 einen Mord billigend in Kauf genommen haben.

„Die gravierenden Vorwürfe haben zur Entscheidung geführt, gegen die Betroffenen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bis auf Weiteres auszusprechen“, teilte die Polizei am Montagnachmittag mit. Zudem sollen nun wieder Disziplinarverfahren eingeleitet werde, soweit dies nicht bereits 2014 erfolgt sei. Tatsächlich waren die 2014 eingeleiteten Disziplinarmaßnahmen ins Leere gelaufen und ohne Folgen für die Beamten eingestellt worden.

Dennoch seien die Beamten schon damals in andere Bereich versetzt worden. Durch eine Kommission seien Strukturen und Arbeitsabläufe verbessert worden, um den Schutz gefährdeter Personen weiter zu erhöhen.

Durch die neuen Vorwürfe gerät nun LKA Christian Steiof erneut unter Druck. Er ist bereits seit den Pannen beim Umgang mit dem Attentäter Anis Amri angeschlagen. Durch den neuen Fall sei Steiof „maximal angezählt“, sagte der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber nun.

Der Mord hätte verhindert werden können

Steiof hatte schon kurz nach dem Mord zunächst behauptet, Polizeibeamte hätten keine Kenntnisse gehabt, die den Mord womöglich hätten verhindern können. Später musste sich Steiof korrigieren, gab Ermittlungs- und Informationspannen zu. Auch war Steiof nicht über das Vorgehen der LKA-Beamten informiert. Markus Wessel, Anwalt der Angehörigen des Opfers in der Nebenklage, sagte dem Tagesspiegel: "Es ist für mich schwer vorstellbar, dass ein Behördenchef schlecht informiert wird", sagte Wessel. Doch wenn das so gewesen sei, dann würde das nicht für den Chef sprechen.

Wie das Landgericht in der vergangenen Woche in einem rechtlichen Hinweis erklärte, hätte der Mord an Tahir Ö. am 10. Januar 2014 durch einen Trupp um Rockerboss Kadir P. verhindert werden können, wenn die LKA-Ermittler eingeschritten wären. Zumal sie schon seit Ende Oktober 2013 Hinweise auf die drohende Tötung gehabt hätten.

Der damals 26-Jährige Ö. war brutal hingerichtet worden. 13 Rocker der Hells Angels waren in ein Wettbüro in Reinickendorf gestürmt, Recep O. soll mehrere Mal auf Tahir Ö. gefeuert haben. Der Hauptangeklagte, Kadir P., soll den Mord an Ö. in Auftrag gegeben haben, weil dieser die Rocker auch durch Angriffe provozierte. So soll Ö. im Oktober 2013 auf zwei Hells Angels eingestochen haben. Kadir P., damals Boss der mehrheitlich türkischstämmigen Hells Angels aus Wedding und Reinickendorf, soll daraufhin Rache geschworen und einen Mordauftrag erteilt haben.

Warum wird erst jetzt ermittelt?

Das Landgericht befasste sich in dem seit Herbst 2014 laufenden Mordprozess gegen elf Angeklagte mit dem Verhalten der Polizei. Jetzt hat es das Gericht festgehalten: Die Ermittler haben schon Wochen vor dem Mord durch Kontaktmänner und abgehörte Telefonate von den Tötungsplänen gewusst, aber nichts dagegen getan, nur um Kadir P. hinter Gitter zu bringen. Die Nebenklageanwälte haben mindestens 19 LKA-Beamte namentlich identifiziert, die darin verwickelt gewesen seien.

Doch warum ermittelt die Staatsanwaltschaft erst jetzt? Durch den rechtlichen Hinweis des Gerichts auf den Ausgang des Prozesses musste die Staatsanwaltschaft einleiten. Denn das Gericht hält es für möglich, dass die LKA-Beamten vorsätzlich gehandelt haben.

Die Staatsanwaltschaft war schon kurz nach dem Mord mit dem Verdacht gegen LKA-Beamte befasst. Die damalige Polizeivizepräsidenten Margarete Koppers, die seit März Generalstaatsanwältin ist, hatte die Staatsanwaltschaft um eine Prüfung gebeten – eine Anzeige hatte sie jedoch nicht erstattet.

Damals hatte die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für eine Straftat gesehen und daher keine Ermittlungen eingeleitet. Im Februar 2017 dann bekam die Staatsanwaltschaft neue Anhaltspunkte durch einen Sondermittler der Polizei, der Disziplinarverfahren geführt hat, die eingestellt worden waren.  Konkret ging es um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Doch das war zu dieser Zeit schon verjährt. Ermittelt wurde nicht. Durch die Erkenntnisse, die das Gericht in dem seit November 2014 laufenden Prozess zu den Vorgängen bei der Polizei gewonnen hat, gibt es nun einen Anfangsverdacht.

Wie die Staatsanwaltschaft nun erklärte, hätte das LKA nach den Hinweisen auf eine geplante Tötung eingreifen müssen. Stattdessen sei eine falsche Gefährdungsprognose für das Opfer erstellt worden.

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