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René Frank und Julia Leitner vom Restaurant „Coda“ in Neukölln.

© Claudia Goedke

Berliner Meisterköche 2023 geehrt: Neuköllner Konditorei hängt das KaDeWe ab

Preisgekrönte Desserts, kreative Teams, ganz viel Neukölln, ein paar Tränen und ein Versprechen: So lief die Preisverleihung in Charlottenburg.

Von Felix Denk

Ein Restaurant, das fünfzehn Gänge lang Desserts serviert? Klingt nach Kindheitstraum, ist aber Wirklichkeit und vor allem: ein großer Erfolg. René Frank hat zwei Michelin-Sterne, drei rote Hauben im „Gault & Millau“, war Patissier des Jahres in der prestigeträchtigen „50s Best-Liste“ und nun gewann er gemeinsam mit seiner Küchenchefin Julia Leitner den Titel „Berliner Meisterkoch“. Am Sonnabend bei der Gala in den Kant-Garagen wurde Leitner der Preis vor rund 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gastronomie überreicht.

Ihr Restaurant „Coda“ steht in vielerlei Hinsicht für die Berliner Gastro-Szene: kreativ, unkonventionell und unprätentiös. An dem winzigen, dunkel gestrichenen Laden in einer Neuköllner Seitenstraße hängt nicht mal ein Schild vor der Tür. Wer nicht weiß, wo er hinmuss, ist schnell daran vorbeigelaufen. Was man dort serviert bekommt, vergisst man indes nicht so schnell. Der ewige Klassiker sieht aus wie ein Miniatur-Magnum in der High-End-Variante: ein Topinambur-Vanille-Eis am Stiel mit Osietra-Kaviar umhüllt und Pekannuss-Ganache gefüllt.

Aufsteigerin des Jahres: das Team um Sarah Hallmann vom Restaurant „Hallmann & Klee“.

© imago images/F. Anthea Schaap

Seit 1997 ehrt „Berlin Partner“ Berlins führende Köchinnen und Köche. Die Gala fand dieses Jahr in den Kant-Garagen in Charlottenburg statt. Den größten Applaus holte sich eine ab, die gar nicht am Herd wirkt: Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey lobte zu Beginn der Veranstaltung die Vielfalt der Berliner Gastronomie, kündigte an, die Ausbildung mit einem Dehoga-Campus stärken zu wollen. Vor allem aber versprach sie, sich gemeinsam mit dem Land Brandenburg für einen zweijährigen Aufschub bei der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 19 Prozent stark zu machen. Ein Thema, das die Gastrobranche gerade in Atem hält.

Wir haben noch nie einen Preis gewonnen.

Sulaiman Al Sakka, Konditorei Damaskus

In der Kategorie „Aufsteiger des Jahres“ ging der Preis ebenfalls nach Neukölln und auch an ein Team. Den holte sich das „Hallmann & Klee“, das zwar schon sieben Jahre am Böhmischen Platz kocht, sich aber kontinuierlich kulinarisch steigerte, ohne dabei den Charme des Nachbarschaftsrestaurants zu verlieren.

In der Konditorei Damaskus türmt sich das Baklava zu stolzen Pyramiden im Schaufenster.

© Mario Heller/Tagesspiegel/Mario Heller

Auch der überraschendste Sieger kam aus Neukölln. In der Kategorie „Kiezmeister“ setzte sich die Konditorei Damaskus gegen Kandidaten wie die gerade renovierte 6. Etage des KaDeWe durch. Die Familie Al Sakka stammt aus Homs, hatte dort einen großen Betrieb mit 25 Filialen, musste fliehen, als der Bürgerkrieg ausbrach. In den mittlerweile drei Filialen in Berlin verkaufen sie filigranes Baklava und andere Süßigkeiten wie Halawa: Grießröllchen mit Rosenwasser und Pistazien. Sichtlich bewegt sagte Sulaiman Al Sakka auf der Bühne: „Wir haben noch nie einen Preis gewonnen.“

Bei der Kategorie „Gastgeber“ setzte sich der charismatische Falco Mühlichen vom „Rutz“ durch, in der „Barkultur“ die nach einem Brand gerade wiedereröffnete „Victoria Bar“ an der Potsdamer Straße, als bestes Szenerestaurant wurde das „Sathutu“ geehrt, das Rezepte aus Sri Lanka mit Produkten aus der Region kombiniert: originell statt original.

Bedenklicher Schwund an der Spitze

Emotionaler Höhepunkt des Abends: Als Innovatoren geehrt wurde der Verein „proud to kellner“, der beherzt für das unter Personalmangel leidende Gewerbe ehrenamtlich trommelt. Juliane Winkler vom „Nobelhart & Schmutzig“ verdrückte ein paar Tränchen, als sie die Ehrung in Empfang nahm.

Bei der Gala am Sonnabend wurde eine Branche gefeiert, der der Wind gerade ziemlich ins Gesicht bläst. Inflation und Fachkräftemangel setzen der Szene zu. Die Folge: Gerade erlebt die Stadt einen so noch nie dagewesenen Schwund an Spitzenrestaurants. So hören gleich zwei Restaurants auf, die ebenfalls für den Titel des Meisterkochs nominiert waren: Das „Lode & Stijn“ Ende dieses und das „Ernst“ Ende nächsten Jahres. Und Sebastian Leyer, der in der Kategorie Aufsteiger nominiert war, steht auch schon nicht mehr im „Macionga“ am Herd.

Solche Meldungen kommen gerade praktisch im Wochentakt. Vergangenen Donnerstag verkündete das „Cordo“ in Mitte, dass es seine Türen am 31. Dezember schließen werde. Noch ein Stern, den Berlin verliert.

Entsprechend war es auch ein Abend mit vielen Fragezeichen im Raum. Wie umgehen mit der drohenden Erhöhung der Mehrwertsteuer? Hörte man sich bisschen um, ergab sich ein diffuses Meinungsbild unter den Gastronomen. Während einige sagen, sie müssten die Erhöhung direkt an die Kunden weitergeben, weil ihnen sonst die Marge verloren gehe, überlegen andere, wo man ohne Substanzverlust sparen könne, sei es an Handgriffen oder Produkten. Denn die Preise sind ja bereits kräftig gestiegen, die Kaufkraft gleichzeitig gesunken – und leere Tische, die will natürlich keiner. Klar ist: Das nächste Jahr wird ein hartes für die Branche werden.

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