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Blut statt Spucke. Mit einem Bluttest könnten auch Antikörper gefunden werden.

© Kay Nietfeld/dpa

Coronavirus-Infektion erkennen: Berliner Firma arbeitet an schnellen Antikörper-Tests für Sars-CoV-2

Die Corona-Tests einer Berliner Firma kommen ohne Labore aus und sollen Antikörper nachweisen. Die Gesundheitsverwaltung des Senats ist aber noch skeptisch.

Der junge Mann aus Schöneberg hat Schnupfen, seine Körpertemperatur ist leicht erhöht. Ist es bloß eine gewöhnliche Erkältung oder doch eine Infektion mit dem Coronavirus? Der 32-Jährige hatte keinen Kontakt mit Infizierten, seine Symptome sind schwach, testen würde ihn niemand. Aber er sorgt sich. Er fängt an, im Internet zu suchen: Selbsttests? Schnelltests?

Viele Unternehmen bieten solche Tests mittlerweile an, über Social Media werden Tests für zu Hause beworben. An ihnen ist vieles zweifelhaft. Eine Firma zum Beispiel bietet sie für 249 Euro an, kann aber auf Anfrage des Onlinemagazins „Vice“ nicht einmal belegen, wie diese Tests funktionieren, geschweige denn, in welchen Laboren die Proben untersucht werden. Eine Neuköllner Ärztin stellte jüngst eine Gebrauchsanleitung zum Selbsttest ins Internet.

Innerhalb von 20 Minuten soll man das Ergebnis erhalten

Der junge Mann aus Schöneberg geht in eine Apotheke: Die Angestellten wissen nichts von Schnelltests, auch ein Anruf in der Zentrale hilft nicht weiter, erzählt der Mann dem Tagesspiegel. Er sucht weiter im Internet und entdeckt eine Berliner Firma: „PharmACT“. Das Unternehmen mit Sitz in Neukölln ist laut eigener Aussage auf medizinische Schnelltests spezialisiert, etwa zur Früherkennung von Diabetes.

Mitte März teilte das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit, man habe einen Test für den Nachweis von „Sars-CoV-2“ – das Coronavirus – entwickelt. „Dafür werden lediglich zwei Tropfen Kapillarblut aus der Fingerspitze auf eine Testkassette gegeben“, heißt es weiter. Innerhalb von 20 Minuten gebe es ein Ergebnis. Das Verfahren soll dem eines Schwangerschaftstests ähneln: Färben sich die Testlinien, ist oder war man mit dem Virus infiziert.

Schnelltests wären eine enorme Erleichterung

Das geht grundsätzlich, weil es sich um einen sogenannten Antikörper-Test handelt. Bisher wird Sars-CoV-2 durch einen PCR-Test nachgewiesen, der Proben auf das Erbgut des Virus hin untersucht. Der Test muss im Labor gemacht werden und dauert mehrere Stunden. Bis die Probe dort hingeschickt, bearbeitet und das Ergebnis übermittelt ist, können Tage vergehen. In Berlin warten potenziell Infizierte teils eine Woche auf ihr Ergebnis.

Die Schnelltests wären eine enorme Erleichterung – auch für den 32-Jährigen. Wüsste er, dass er bereits infiziert war, könnte er über das Osterfest womöglich seine Großeltern besuchen. Er fragt, ob die Apotheke die Tests bestellen könnte. Es geht: ein Test kostet 39,95 Euro, mindestens zehn müsste er bestellen. Aber kann man sich auf diese Tests verlassen?

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Auf Anfrage des Tagesspiegels antwortet „PharmACT“ ausführlich. Der Schnelltest biete eine „sehr hohe Leistung“. Das Unternehmen spricht von einer 70-prozentigen Trefferquote zwischen Tag vier bis zehn der Infektion und mehr als 90 Prozent ab Tag elf. „Zudem liegt die Rate eines falsch positiven Testergebnisses bei fast 0 Prozent“, schreibt eine Sprecherin. Der Test sei für den „professionellen Gebrauch im medizinischen Bereich“ vorgesehen, man sei in der Lage, die Tests „in hohen Stückzahlen“ zu produzieren. 

Auch in den USA sei der Test im Zulassungsverfahren der Arzneimittelbehörde FDA und könne bereits als "non peer-reviewed" verkauft werden. Nach Informationen des Tagesspiegels prüfen Virologen der Universität Bonn derzeit den Schnelltest des Unternehmens. Dazu analysieren die Forscher positive Proben von Patienten mit dem Schnelltest, der ohne Laboruntersuchung auskommt, und vergleichen sie mit dem Ergebnis eines herkömmlichen Tests im Labor.

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Berufsverbände für medizinische Labore warnen vor solchen Produkten, berichtet die Deutsche Apotheker-Zeitung. „Antikörper sind bei Virusinfektionen wie mit dem Sars-CoV-2 meist frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen“, heißt es.

Der Chefvirologe der Charité, Christian Drosten, hält sich mit einer Einschätzung bislang zurück. „Die sind noch gar nicht validiert“, erklärte er auf einer Pressekonferenz vergangene Woche. Das solle aber nicht heißen, dass die Schnelltests keine Chance haben oder schlecht sind. „Wir wissen es einfach nicht.“

Berliner Senatsverwaltung zeigt sich skeptisch

Auch in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit zeigt man sich skeptisch. Eine Sprecherin teilt mit, die Schnelltests seien nicht geeignet zur „Akutdiagnostik“, weil Antikörper erst nach circa einer Woche im Blut gefunden würden. Sie wies auf derzeit laufende Studien hin, mit denen die Zuverlässigkeit dieser Antikörper-Tests überprüft werden. Sobald entsprechende Ergebnisse vorliegen würden, könnten diese Tests auch genutzt werden, um Personen zu identifizieren, die gegen das Coronavirus bereits immun sind.

Der 32-Jährige aus Schöneberg hat sich gegen die Tests entschieden. Seine Symptome sind verschwunden, die 400 Euro für die zehn Tests, die er kaufen müsste, wollte er erst mal nicht zahlen. Er setzt jetzt darauf, dass Schnelltests bald in großem Maßstab eingesetzt werden. Experten gehen davon aus, dass das noch zwei bis drei Monate dauert.

Anmerkung der Redaktion: Das Unternehmen hatte auf Anfrage behauptet, es gebe bereits eine Zulassung durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA. Dies ist nicht richtig. Auf eine erneute Anfrage hin, räumte das Unternehmen ein, dass der Test sich erst im Zulassungsverfahren befindet, die "endgültige Emergency Freigabe in den kommenden Tagen" aber erwartet wird. Wir haben das im Text korrigiert.

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