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Berliner Filmregisseur: Artur "Atze" Brauner wird 95 Jahre alt

Nach Jahren der Flucht vor den Nazis kam Artur Brauner nach Berlin. Seine Filme wurden zur Legende, er machte viel Geld mit Immobilien, verlor viel. Heute wird er 95 – und ist immer noch aktiv.

Es ist erstaunlich, wie viel Kraft er noch in den Händen hat, wenn er überschwänglich zur Begrüßung die Oberarme der Bekannten drückt. Und dann vielleicht eines seiner flirtenden Komplimente nachreicht. Wer vor fünf Jahren bei der Feier zu seinem 90. Geburtstag womöglich dachte, dass Artur Brauner nun doch langsam alt oder schaffensmüde oder gar partyabstinent werden könnte, lag völlig falsch. Zunehmend immerhin werden die großen Auftritte des legendären Produzenten auf dem roten Teppich von bewunderndem Raunen begleitet. Dass der das noch schafft! Und es fällt ihm nicht mal schwer, dem Augenschein nach. Erst kürzlich saß er mit der Familie, mit Ehefrau Maria, Tochter Alice, die ebenfalls Produzentin ist, und dem Schwiegersohn beim Sommerfest der Produzentenallianz im Garten des Hauses der Kulturen der Welt. Immer wieder stoppten Schauspieler und Regisseure, um ein Weilchen Platz zu nehmen und zu plaudern. Am heutigen Donnerstag wird Artur Brauner nun 95 Jahre alt. Er wird im Kreise der Lieben seine eigene Party feiern und kann zurückblicken auf ein erfülltes Leben voller Licht und auch tiefer Schatten

Am 1. August 1918 wurde Artur als Abraham im polnischen Lodz geboren

Wann es hell wurde, kann Ehefrau Maria am besten erzählen. Als junges Mädchen stieg die während der Nazizeit mit dem Namen Maria als Christin getarnte Jüdin Teresa aus Lemberg nach einer langen Flucht an der polnischen Grenze spontan aus einem Zug. Eigentlich wollte sie möglichst weit weg aus Deutschland, aber auf keinen Fall wollte sie in Sibirien landen. Sie ging die Straße herunter, sah einen jungen Mann, der mit seinem Bruder unterwegs war, fragte ihn nach dem Weg. Zwei Jahre später heirateten die beiden , bekamen vier Kinder und leben seitdem glücklich miteinander.

Der junge Mann hatte ursprünglich Abraham geheißen, sich aber in Artur umbenannt und war am 1. August 1918 als Sohn eines jüdischen Holzgroßhändlers in Lodz geboren worden. Schon als Junge ging er praktisch täglich ins Kino, drehte später Dokumentarfilme im Iran und im Nahen Osten. Als die Nazis Polen besetzten, floh die Familie in die Sowjetunion. Sie schafften es zu überleben. Brauners Eltern gingen später nach Israel. Aber 49 seiner Verwandten waren in den Konzentrationslagern ums Leben gekommen.

In Berlin-Spandau gründete Brauner die Central Cinema Company (CCC)

Nachdem er Maria getroffen hatte, wurde das Leben besser. Zusammen kamen sie nach Berlin, und noch im selben Sommer widmete er sich wieder seiner alten Leidenschaft, dem Film. In Spandau siedelte er seine Central Cinema Company (CCC) an und baute sie in den 50er Jahren zur wichtigsten europäischen Produktionsgesellschaft aus. Es war die Zeit, in der die Leute heile Welt sehen wollten im Kino, nicht etwa „Morituri“, den von eigenen Erfahrungen geprägten Film über geflüchtete KZ-Häftlinge und ihr Versteck.

Erfolge feierte er eher mit Titeln wie „Man spielt nicht mit der Liebe“, „Maharadscha wider Willen“, „Der keusche Lebemann“. Seine Stars hießen Maria Schell und Curd Jürgens, Lilli Palmer und O. W. Fischer, Romy Schneider und Hans Albers. Träume waren gefragt. Glamour.

Seit den 80er Jahren bereitete er die Nazi-Vergangenheit auf, u.a. mit "Hitlerjunge Salomon"

Trotzdem brachte er auch weiter anspruchsvolle Streifen wie „Mädchen hinter Gittern“, „Die weiße Rose“ oder „Der 20. Juli“ auf die Leinwände. In den 60er Jahren konzentrierte er sich vorübergehend aufs Fernsehen. Edgar Wallace, Karl May, solche Sachen, mit denen hatte er auch Erfolg. Seit den 80er Jahren spielten jüdische Erfahrungen in der Nazizeit wieder eine größere Rolle mit dem Höhepunkt „Hitlerjunge Salomon“.

Große Auftritte gehörten zum Leben eines Produzenten dazu. Sein Bungalow im Grunewald wirkt ein bisschen wie aus einem Film über einen Produzenten, ganz in Rot und Weiß eingerichtet, mit opulenten Sitzensembles, mit Flügel, Blumenarrangements und ganz vielen Bildern der Kinder und Enkelkinder an den Wänden. Im Keller gibt es ein Fitnessstudio, in dem Maria ihre Abendkleidfigur und den Status als Frau ohne Alter erhält.

So herzlich er im Umgang sein kann, es ist ihm nichts in den Schoß gefallen. West-Berlin war auch ein verwegenes Pflaster. Und auch im neuen Teil der Stadt engagierte sich Brauner nach dem Fall der Mauer. Im Dezember 1997 feierte er in Prenzlauer Berg die Fertigstellung seines Multiplexkinos mit 2600 Plätzen, in das auch der denkmalgeschützte Saal des alten Colosseum integriert war. Bei den Mietverhandlungen erwies er sich dann als zäher Partner, denn er wollte die 60 Millionen D-Mark, die er investiert hatte, wieder hereinholen.

Vor fünf Jahren sah er dann doch plötzlich sein Vermögen in Gefahr, zu dem viele Immobilien gehören, nicht nur der Bungalow, sondern beispielsweise auch das Hollywood-Media-Hotel am Kurfürstendamm. Rund 60 Millionen Schulden drückten ihn, von den rund 70 Immobilien, die er vor der Wende besaß, waren zwanzig Jahre später nur noch 22 übrig. Er sah sich betrogen von dem Bankhaus Goldman-Sachs und stritt erbittert mit der Hypovereinsbank. Auch vorher schon gab es Gerüchte über falsche Abrechnungen, Scheinentführung und Kunstschmuggel, Gerüchte, in denen Brauner eine gezielte Diskreditierung sah, eine „von rechten Kreisen ausgelöste üble Initiative“. Er hat immer weitergekämpft und konnte auch wieder Erfolge erleben. Im März 2010 wurde in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem die „Artur Brauner Mediathek“ eröffnet, in der dauerhaft 21 Filme gezeigt werden, an denen er mitgewirkt hat.

Bei seinem 90. Geburtstag war viel von seinem ausgeprägten Geschäftssinn die Rede. Aber auch von seiner Kunst, jung zu bleiben. Herzprofessor Roland Hetzer diagnostizierte entspannt: „Um sein Herz kümmern sich nur schöne Frauen.“

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