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Ausgestellte Harmonie: CDU-Landeschefin Monika Grütters und ihr Kontrahent Kai Wegner

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Grütters contra Wegner: Berliner CDU steht vor einer Richtungsentscheidung

Wenn Berlins CDU im Mai ihre neue Spitze wählt, geht es um mehr als Personen: Monika Grütters steht für eine Öffnung, Kai Wegner für alte Seilschaften.

Wer die Pressemitteilung zur Wiederwahl Kai Wegners als Vorsitzender der CDU-Spandau aufmerksam gelesen hat, konnte es ahnen. „Wir müssen als CDU Verantwortung übernehmen wollen“, hatte Wegner erklärt, nachdem ihn am vergangenen Sonnabend die Delegierten mit 98,4 Prozent der Stimmen zum siebten Mal infolge im Amt bestätigt hatten (mehr lesen Sie hier).

Keine drei Tage später ist klar, wie ernst Wegner, ehemaliger CDU-Generalsekretär und aktuell einer der vier Stellvertreter von Landeschefin Monika Grütters, diesen Satz meinte. Wenn am 18. Mai der Landesparteitag der CDU zur Wahl des Landesvorstands zusammenkommt, will Wegner für den Vorsitz kandidieren und Grütters damit aus dem Amt drängen.

Grütters seit 2006 im Amt

Sie war im Dezember 2016 mit 78,4 Prozent der Stimmen zur Vorsitzenden der Berliner CDU gewählt worden. Vor der Wahl hatte Grütters designierter Kontrahent Wegner ihre Kandidatur mit den Worten kommentiert: „Sie freut sich darauf und wir freuen uns auch.“ Mit der Freude und erst recht der Freundschaft innerhalb der CDU und zwischen Grütters und Wegner war es schnell vorbei.

Erstaunte Gesichter gab es deshalb, als beide vor knapp einer Woche am Rande einer CDU-Regionalkonferenz in Pankow Harmonie zur Schau stellten. Offenherzig plauderten sie über ein Treffen in einer Bar unweit des Nollendorfplatzes – solche gemeinsamen Runden soll es mehrfach gegeben haben. Was die beiden miteinander zu besprechen hatten und ob die anstehende Vorstandswahl eine Rolle gespielt hatte, verrieten sie nicht.

Fakt ist: In den Reihen der alten, von selbstbewussten Männern wie Kai Wegner, Frank Steffel oder Frank Henkel beherrschten Berliner CDU, hatte die feinsinnige Grütters von Beginn an einen schweren Stand. Dafür sorgte neben der Positionierung von Stefan Evers im Amt des Generalsekretärs auch die Personalie Burkard Dregger. Der war 2010 von Grütters für den Landesverband geworben worden.

Wegner will wieder in den Bundestag

Seine ebenfalls von ihr initiierte Wahl zum Fraktionschef brachte die für das Spinnen von Intrigen bekannten Parteifreunde endgültig gegen Grütters auf. Dregger kämpft seit seiner Amtsübernahme im Sommer 2018 mit internen Gegnern und ist spätestens seit der Überstimmung durch die eigene Fraktion in der Debatte über einen Untersuchungsausschuss zum Fall Hubertus Knabe schwer beschädigt.

Warum Wegner nun den Landesvorsitz übernehmen möchte, ist klar: Er ist Machtmensch. Sein Bestreben ist es, wieder in den Bundestag zu kommen. Und als Landeschef hat er das Zugriffsrecht auf einen sicheren Listenplatz. Seine Kandidatur wiederum erinnert viele an eine Berliner CDU, in der Macht- und Ränkespiele untereinander wichtiger waren als der geschlossene Auftritt und politischer Erfolg.

Eine Frau aus der Partei spricht gar von einem drohenden „Rollback“, angetrieben von den „alten Männern“ in der CDU. Von der unter Monika Grütters eingeleiteten Öffnung der Partei würde nach einem Machtwechsel nicht viel übrig bleiben, so die Befürchtung von vielen CDUlern.

Einschüchterungsversuche und Drohungen

Und tatsächlich liefern die Vorgänge rund um die Ablösung des langjährigen Reinickendorfer Kreisvorsitzenden Frank Steffel einen Vorgeschmack auf das, was der Partei insgesamt bevorstehen könnte. Nachdem der durch den Verlust seines Doktortitels schwer beschädigte Steffel zum Rückzug gedrängt worden war, drohte die Aufstellung des Personaltableaus für einen neuen Kreisvorstand unter Steffels Nachfolger Frank Balzer den Verband zu zerreißen.

Wegen vermeintlicher Unregelmäßigkeiten wurde die Wahl der Delegierten für den Landesparteitag angefochten, außerdem soll es im Vorfeld Einschüchterungsversuche bis hin zu offenen Drohungen mit dem Ende der politischen Karriere gegeben haben.

Offen ist, wie die in zwei Monaten anstehende Wahl ausgehen wird, sollten tatsächlich beide Kandidaten antreten. Während Grütters am Dienstag erklärte, „selbstverständlich“ kandidieren zu wollen, schwieg Wegner. Auch unter den Kreisvorsitzenden herrschte Schweigen: Niemand wollte offen zur anstehenden Kampfkandidatur Stellung nehmen.

Hinter vorgehaltener Hand hieß es, die Kandidatur Wegners sei „absehbar“ gewesen. Grütters habe vor allem mit ihrer fehlenden Anbindung an die Abgeordnetenhausfraktion viele gegen sich aufgebracht, ihr fehle die Leidenschaft für die Berliner Landespolitik. Wegner dagegen sei in den vergangenen Wochen „überall und nirgendwo“ gewesen, habe kaum eine Veranstaltung verpasst und sich überall sehen lassen.

Manche sehen Wegner bereits als Sieger

Andere sind da nicht so vorsichtig, sondern sehen Wegner bereits als Sieger. Uwe Schmidt, Vorsitzender der Senioren Union in Berlin und selbst 15 Jahre Mitglied des Abgeordnetenhauses, erklärte: „Ich glaube, dass er nicht allzu schlechte Chancen hat.“ Die Kandidatur Wegners kommentierte er mit den Worten: „Wir sind halt eine lebendige Partei.“

Spannend bleibt, wie sich die in den kommenden Wochen anstehenden Wahlen der Kreisvorstände und damit auch der Delegiertenlisten für den Landesparteitag entwickeln. In neun von 12 Kreisverbänden stehen Wahlen bevor, sie entscheiden über das Machtverhältnis der Lager bei den Wahlen am 18. Mai. Einen Hinweis darauf, dass das Grütters-Lager bröckelt, gibt ein Blick nach Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort droht dem amtierenden Kreischef, Grütters-Mann Stefan Evers, ein schlechtes Ergebnis.

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