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Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) gehört seit dem 21. Dezember dem Senat an.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Koalition berät über die Verteilung des Personalmangels: Berliner Bildungssenatorin bestätigt Lücke von fast 1000 Lehrkräften

Dieses Versprechen gehörte immer dazu in Berlin: Alle Schulen sollten alle Stellen besetzen können – wenn auch mit Quereinsteigern. Damit ist es jetzt vorbei.

Es reicht nicht mehr. Die Bildungsverwaltung verzichtet erstmals seit Jahrzehnten auf die Ankündigung, dass alle Stellen in Berlins öffentlichen Schulen besetzt werden können: „100 Prozent ist das Ziel, aber wir wissen, dass wir das nicht schaffen können“, lautet die zentrale Botschaft im Hinblick auf das neue Schuljahr.

Wie der Tagesspiegel bereits im Vorfeld berichtete, fehlen Berlin bis zu 1000 Lehrkräfte (T+), weil auch die Quereinsteiger nicht mehr reichen. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) bestätigte diese Angabe inzwischen, indem sie die Lücke mit "920" angab. Im Senat erläuterte sie, welche Konsequenzen der Mangel für die Personalverteilung hat.

Im Mittelpunkt steht das Bestreben, den Schulen zu helfen, die es am schwersten haben, genug Lehrkräfte zu finden und die in der Vergangenheit mitunter nur rund 90 Prozent ihrer Stellen besetzen konnten, während andere über 100 Prozent lagen. Deshalb sollen die Schulaufsichten in den Regionen dafür Sorge tragen, dass Bewerberinnen und Bewerber umgelenkt werden. Das bedeutet: Wenn eine Schule etwa bei 98 Prozent Stellenausstattung liegt und eine begehrte Mathematiklehrkraft einstellen könnte, kann es passieren, dass ihr das versagt wird, weil eine andere Schule noch schlechter dasteht.

Senatorin Busse legt aber Wert auf die Feststellung, dass der Unterricht selbst, also die vorgeschriebene Stundentafel, nicht in Gefahr sei: „Dafür haben wir genug Lehrkräfte im System“, betonte sie. Stattdessen sollen die Schulen bei den übrigen Angeboten streichen.

Wo sie ansetzen, bleibt dabei jeder Schule selbst überlassen. Das kann etwa ein Teil der Förderangebote sein, eine bisherige Schwerpunktsetzung für ein bestimmtes Schulprofil oder auch der Pool für Stundenermäßigungen, über den Schulen verfügen. „Dies ist ein Desaster, denn Teilungsunterricht zur Förderung schwacher Schüler und Vertretungsunterricht werden die ersten Opfer dessen sein“, kommentierte Paul Fresdorf (FDP) die Ankündigung.

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Der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren (VOB), Arnd Niedermöller, sagte, „grundsätzlich“ begrüße er den Versuch der Steuerung bei den Einstellungen. Es bedürfe der Solidarität gegenüber den Schulen, die ihre Bedarfe nur schwer decken könnten. Die Steuerung müsse allerdings eng zwischen Schulen und Schulaufsicht abgesprochen werden, damit es nicht dazu komme, dass an einer Schule aufgrund einer versagten Einstellung der Unterricht nicht abgedeckt werden könne.

Grüne: "Es ist gut, dass wir endlich ehrliche Zahlen haben."

Für die Grünen sagte Bildungspolitiker Louis Krüger, es sei „gut, dass wir endlich ehrliche Zahlen haben, wie groß das Problem wirklich ist“. Jetzt müsse die Bildungsverwaltung gute Lösungen anbieten, die dem Ausmaß des Problems gerecht werden. Dazu würden nun die Gespräche in der Koalition geführt: „Klar ist für uns aber schon jetzt, dass es nicht zu Lasten derer mit den größten Unterstützungsbedarfen gehen darf“.

"Ich würde es begrüßen, wenn unbesetzte Lehrerstellen zukünftig einfacher und ohne viel Bürokratie in andere Professionen umgewandelt werden können", reagierte von der CDU die bildungspolitische Sprecherin, Katharina Günther-Wünsch.

So könnten gerade in dieser Mangelzeit insbesondere multiprofessionelle Teams mit einem Logopäden, Ergo- und Lerntherapeuten, Kinderkrankenschwester oder einem Psychologen entstehen: "Durch diese gewandelte Stelle wären sie vollwertiges Mitglied im Kollegium, hätten reguläre unbefristete Verträge und die Schulen hätten die Möglichkeit der zuverlässigen Planung", erwartet die Abgeordnete. Bisher dauere diese Umwandlung ein bis zwei Jahre. Günther-Wünsch hielt es Busse zugute, "dass der Senat endlich weitestgehend ehrlich mit den Zahlen umgeht".

Nach der Senatssitzung war es aber erstmal um Busse selbst gegangen, denn die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wurde befragt, wie es denn um die Zukunft Busses als Bildungssenatorin bestellt sei. Wie berichtet gibt es in der Koalition Stimmen, die meinen, Busse werde womöglich schon im Sommer abgelöst (T+). Argumentiert wird dabei etwa mit ihrer mangelnden Gegenwehr bei den Haushaltseinsparungen sowie mit ihren früheren Äußerungen als Schulleiterin über fehlenden Integrationswillen bestimmter Migrantencommunities.

Die Regieremde Bürgermeisterin stellt sich hinter Busse

Giffey sprach von einer „Gerüchteküche“ und betonte: „Unsere, meine Unterstützung gilt der Bildungssenatorin“. Es gebe „überhaupt keinen Anlass, über Rücktrittsszenarien zu sprechen“. Wer dergleichen behaupte, tue dies „nicht im Sinne des Berliner Senats“, der ganz andere Aufgaben habe, darunter die Bewältigung des Lehrkräftemangels. Denn die Pensionierungswelle sowie die Abwanderungen von Lehrkräften in Bundesländer, die verbeamten, habe dazu geführt, dass es zum kommenden Schuljahr eine Lücke von 925 Lehrkräften gebe.

Nur zwei Drittel der Stellen fließen in die Pflichtstunden

Busses Verwaltung hat anlässlich der Mangelsituation vorgerechnet, wie bisher Berlins rund 30.000 Lehrkräftestellen verteilt sind. Demnach dienen nur zwei Drittel, also 20.000 Stellen, dazu, den reinen Unterricht abzudecken. Weitere 4500 Stellen (15 Prozent) unterstützen die Schulen „strukturell“, also etwa bei der Förderung von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen oder mit Förderbedarf wegen Behinderungen.

Nochmals 4500 Stellen dienen dazu, etwa die Stundenermäßigung für ältere Pädagogen abzudecken oder auch für andere Ermäßigungen – etwa für Klassenleitungen oder Sonderaufgaben wie die Gewaltprävention. Über 1000 weitere Stellen (3,6 Prozent) haben Berlins rund 800 Schulen zur Verfügung, um ihre eigenen Profile zu stützen – etwa für Zusatzstunden in Fremdsprachen oder anderen Fächern, die ihnen wichtig sind.

Offen ist, ab welcher Personalausstattung künftig Neueinstellungen blockiert werden. Das komme auf die Lage in den einzelnen Regionen an, erläuterte die Bildungsverwaltung.

Erschwert wird die gerechtere Verteilung dadurch, dass Schulen jenseits der sozialen Brennpunkte nur wenig Stellen haben, die über die Abdeckung des reinen Unterrichts hinausgehen. Wenn sie beispielsweise nur 95 Prozent ihrer Stellen besetzen dürften, könne das dann doch dazu führen, dass der Pflichtunterricht gekürzt werden müsse (T+), befürchtet Stephan Witzke von der Vereinigung der Grundschulleitungen. Er fordert, die „Stundentafel und den Rahmenlehrplan neu zu überdenken“.

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