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In Berliner Stadtteil Neukölln wurden 2016 insgesamt 37 Fälle von sexuellem Missbrauch gemeldet.

© picture alliance / dpa

Sexueller Missbrauch von Kindern: Berliner Bezirksstadtrat: „Einige Richter glauben das nicht“

Der Neuköllner Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) plädiert für eine bessere Zusammenarbeit von Familienrichtern und Jugendämtern beim Thema sexueller Missbrauch von Kindern.

Herr Liecke, Sie sind in Berlin-Neukölln als Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit zuständig. Wie oft hat es 2017 in Ihrem Bezirk den Verdacht auf sexuellen Missbrauch im Familienkreis gegeben?

2016 wurden 37 Fälle von sexuellem Missbrauch gemeldet. Eine differenzierte statistische Erfassung, ob es sich dabei um innerfamiliären Missbrauch handelt, findet nicht statt. Aus langjähriger Erfahrung und aufgrund wissenschaftlicher Studien finden derartige Fälle aber ganz überwiegend in der Familie beziehungsweise im sozialen Umfeld statt.

Im Breisgau wurde ein Neunjähriger von seiner Mutter und seinem pädophilen Stiefvater zum Missbrauch angeboten. Möglich war dies auch, weil Familiengericht und Jugendamt mangelhaft kommunizierten. Wäre so ein Fall auch in Neukölln möglich?

So ein schrecklicher Fall ist natürlich nicht ausgeschlossen. Mir ist wichtig, dass auch die Familienrichter eine gewisse Kompetenz in Sachen Kinderschutz haben. Da sind verpflichtende Fortbildungen nötig. Deshalb begrüße ich den Vorschlag von Familienministerin Barley, die genau das jetzt fordert.

Was müssten denn Richter noch lernen?

Sie müssten generell erst mal die Arbeit der Jugendämter verstehen. Es gibt Richter, die können nicht nachvollziehen, dass bestimmte Taten so passiert sind, wie es Gerichtsmediziner darstellen. Die glauben das einfach nicht. Da sagt ein Gutachten klar, dass ein schwerer Missbrauch stattgefunden hat, und was passiert: Die Kinder werden zurück zu dem mutmaßlichen Täter oder den mutmaßlichen Tätern, nämlich ins Elternhaus, geschickt. Zugegeben, das sind Einzelfälle, aber die sind natürlich dramatisch.

Ihnen fehlen im sozial schwierigen Bezirk Neukölln sechs Stellen im sozialen Dienst, der sich um Problemfälle kümmert. Was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit?

Wir können die Familienarbeit nicht so gestalten, wie wir das gerne würden. Unsere sehr gut qualifizierten Mitarbeiter können nicht so oft in die Familien gehen wie nötig. Ich finde diesen direkten Kontakt sehr wichtig. Wenn man einen freien Träger einsetzt, gibt man viel Verantwortung, viel wirtschaftliche Macht und sehr viel Know-how ab, das sehe ich kritisch.

Welche Arbeiten bleiben liegen, weil Ihr Jugendamt zu wenig Personal hat?

Wir können keine eigenen Angebote machen, weil wir auf freie Träger angewiesen sind. Wir müssten uns mehr um Systemsprenger kümmern, das sind gestörte Jugendliche, die einen extrem hohen Betreuungsaufwand benötigen. Das geht teilweise nur im Eins-zu-eins-Kontakt. Da reden wir in Einzelfällen von 500, 600 Euro Tagessatz. Für solche Menschen fehlt in Berlin ausreichend Fachkompetenz.

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