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Montage von tonnenschweren Modulen für den Holzbau bei Firma Kaufmann Bausysteme in Berlin-Köpenick.

© Marian Schuth

Der Holzklotz von Köpenick: Berliner Baufirma liefert Module für den „Luisenblock“ des Bundestages

Bei Kaufmann Bausysteme in Berlin-Köpenick werden sechs Tonnen schwere Holzmodule vormontiert. Aus ihnen entsteht der „Luisenblock West“. Ein Werksbesuch.

"Luise" steht unweit des Reichstagsgebäudes, trägt ein buntes Glaskleid und misst sieben Stockwerke. Vor allem aber: Unter ihrer Fassade besteht sie aus Klima-Gründen fast vollständig aus Holz. "Luise" ist der Kosename für den Bürobau für Bundestagsabgeordnete, Luisenblock West, der voraussichtlich nach nur acht Monaten Bauzeit im Dezember fertig wird – dank modularer Holzbauweise.

Das funktioniert so ähnlich, als wenn Kinder Bauklötze stapeln. Mit dem Unterschied, dass beim Luisenblock ein Bauklotz sechs Tonnen wiegt und sieben Meter lang ist. Keine Verschluckungsgefahr. Die Firma Kaufmann Bausysteme hat diese Raummodule an ihrem Standort in Berlin-Köpenick vorgefertigt.

Dort stehen zwischen Containerreihen und Lkw Menschen in Arbeitskleidung und rauchen. Der Industriepark, der „Cöpenicker Industriegelände“ heißt, ist ein Ort des Betons und schwerer Maschinen. Hier befinden sich die Produktionsstätten eines halben Dutzend Baustofffirmen. Der Hauptsitz von Kaufmann Bausysteme liegt im österreichischen Vorarlberg. Christian Kaufmann ist seit 2015 in dritter Generation Geschäftsführer und erklärt den Schritt nach Berlin: „Wir haben damals einen Auftrag für drei Schulen bekommen, und es hätte keinen Sinn ergeben, die Module aus Österreich herzukarren.“

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In der Werkhalle läuft die Arbeit wie an einem Fließband ab. Im ersten Schritt werden querverleimte, massive Fichtenholzplatten im Wortsinn zusammengezimmert – zu einem stabilen, länglichen Raum mit Boden, Decke und Wänden. Dann folgen weitere Ausbaustufen mit Fenstern, Heizungen und Steckdosen. Die rund 20 Arbeiter – es sind an diesem Tag ausschließlich Männer, überwiegend Deutsche und Slowenen –, wiederholen ihre Arbeitsschritte an jedem Raummodul.

"Wir können alles so bauen", sagt der Chef

Manche der Module haben keine Seitenwände, sie werden auf der Baustelle zu größeren Räumen zusammengesetzt. Etwa sechs Module verlassen so täglich die Halle, 470 waren es für den Luisenblock, 2000 werden es insgesamt in diesem Jahr sein. Auf der Baustelle müssen die Module nur noch gestapelt werden. „Wir können alles so bauen: Hotels, Wohnungen, Kitas, Schulen und Sozialzentren“, zählt Kaufmann auf. „Wir können also unser ganzes Leben im Modulbau verbringen“, sagt er und es bleibt unklar, ob er es mit einem Augenzwinkern meint. Aktuell produziert die Firma Raummodule für 32 Schulerweiterungen in Berlin unter dem Projektnamen HOMEBS.

Computersimulation des Haupteinganges zum Luisenblock des Bundestages. Das Gebäude befindet sich aktuell im Bau.

© Illustration: sauerbruch hutton

Luise wurde von einem Planungskonglomerat entwickelt: dem Architekturbüro Sauerbruch Hutton, Entwickler Primus Developments und Kaufmann Bausysteme. Der Architekt Matthias Sauerbruch schätzt die neuen Möglichkeiten von Holzwerkstoffen: „Traditionell hieß Holzbau immer mit Stämmen bauen.“ Seit einigen Jahren könne man großflächige und tragfähige Holzplatten verwenden, die vom Wuchs des Baumes unabhängig seien. „Das ist ein neues Kapitel in der Konstruktionsgeschichte.“ Der Grund, warum in den vergangenen Jahren dieses „neue Kapitel“ entstanden ist: die Klimawirkung des Holzes. Während Stahl und Zement in der Herstellung viel CO2 freisetzen, bindet Holz im Baumwachstum sogar Kohlendioxid. Wenn man also Holz als Baustoff verwendet, wird CO2 im Gebäude eingelagert. Wenn gleichzeitig – und das ist der entscheidende Punkt – mindestens die gefällten Bäume nachwachsen oder es gar aufgeforstet wird, dann könnte dieses Vorgehen einen großen Beitrag zur Klimaneutralität leisten.

Das Planungskonglomerat will daher freiwillig die Menge an verbautem Holz innerhalb des Lebenszyklus eines Gebäudes nachwachsen lassen und nennt das Wood-Cycle-Konzept. Im Luisenblock sind 5000 Kubikmeter Fichtenholz verbaut, das entspricht laut Kaufmann 15 000 Bäumen. „Es ist gar nicht so leicht, so viele Setzlinge in der Baumschule zu bekommen“, sagt er.

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Robin-Wood-Pressesprecherin Ute Bertrand mahnt am Telefon: „Es ist eine Betrachtungsweise von Ingenieuren, einfach die verbaute Holzmenge nachzupflanzen.“ Ein Wald sei mehr als seine Holzmenge. „Die Qualität des Ökosystems ist entscheidend bei der Frage nach Abholzung und Anpflanzung und keinesfalls darf es Plantagen geben“, sagt Bertrand. Robin Wood bezeichnet sich selbst als gewaltfreie Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt.

Lorenz Nagel von Primus Development, hat sich das Wood-Cycle-Konzept ausgedacht. Er gibt zu: „Wenn ein Baum gefällt und dafür ein neuer gepflanzt wird, gibt es ein Zeitfenster, in dem der Wald weniger CO2 aufnimmt als vorher.“ Und nicht jeder gepflanzte Setzling wird zu einem großen, gesunden Baum. Beides müsse man einberechnen, möglicherweise, indem man mehr Bäume pflanze.

Suche nach Projekten für die ökologische Forstwirtschaft

„Die Finanzierung geht von unserem Gewinn ab“, sagt Nagel. Dabei handele es sich um eine hohe fünf- bis niedrige sechsstellige Summe. Derzeit suche man gemeinsam mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA), die auch den Bundesforst betreut, möglichst sinnvolle Wege, dieses Geld in Projekte ökologischer Forstwirtschaft zu investieren. Konkrete Lösungen sind noch nicht gefunden, aber Nagel verspricht: „Wir werden das dokumentieren und wollen auch den Nutzenden der Gebäude später sagen können, wo genau das verbaute Holz nachgepflanzt wurde. Das ist eine Art Selbstkontrolle für uns.“

Mitarbeiter der Firma Kaufmann Bausysteme in Berlin-Köpenick bereiten ein Modul für den Bundestagsbau vor.

© Marian Schuth

Der Holzbaumarkt wächst, es fehlt schon jetzt an Sägewerken. Aber nicht alle denken bei dieser Entwicklung die ökologische Seite mit, erzählt Lorenz Nagel: „Für die Immobilienwirtschaft bedeutet Holzbau oft nur, in Photoshop die Betonoberfläche durch eine Holztextur zu ersetzen.“ Und Christian Kaufmann warnt selbst: „Die Projekte im Holzbau nehmen so rasant zu, dass wir früher oder später ein Problem mit dem Rohstoff bekommen werden.“ Es ist also Genügsamkeit geboten. Zum Beispiel in der künftigen Konstruktion der Raummodule, überlegt Kaufmann. Durch die Stapelung bekommt jedes Modul einen doppelten Boden. Dort könnte Geld und Holz gespart werden. Denn im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise sei der Preis im Rohbau mit Holz noch um zehn bis 15 Prozent höher, sagt Sauerbruch.

Der Luisenblock West war zunächst als Provisorium für 15 Jahre ausgeschrieben. „Für uns hat das aber nichts geändert“, sagt Matthias Sauerbruch, „und der Holzmodulbau ist auch für mehr als ein Provisorium geeignet.“ Der Bau könne auch 100 Jahre stehen bleiben, sagt Kaufmann. Und man wisse ja: „Nichts steht länger als ein Provisorium.“

Auch Martin Spiering, Sprecher des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bauherr des Luisenblocks, geht davon aus, dass der Bau länger als die geplanten 15 Jahre stehen werde. Mit der Ausschreibung eines Provisoriums habe man Vorschläge für einen zügigen Zeitplan einholen wollen. „Der Neubau ist wichtig wegen des kurzfristigen Raumbedarfs und um ausweichen zu können, falls ein anderes Gebäude saniert werden muss.“ Besondere Nachhaltigkeit sei bei der Ausschreibung zwar keine Anforderung gewesen, aber das Wood-Cycle-Prinzip habe eine Rolle bei der Entscheidung gespielt. „Vertragsbestandteil ist es aber nicht“, teilt Spiering mit.

Im Oktober 2019 begann das BBR mit der Projektvorbereitung zum Luisenblock West, am 12. April 2021 wurden die ersten Raummodule montiert. Ein offizieller Übergabetermin steht noch nicht fest, soll aber noch im Dezember liegen. Der Bau des Luisenblock West kostet insgesamt 70 Millionen Euro. Welche Bundestagsabgeordneten die 400 neuen Büros beziehen werden, werden die Fraktionen noch entscheiden.

Im Köpenicker Industriepark wird Kaufmann Bausysteme derweil in die angrenzende Werkhalle umziehen, um seine Berliner Produktion zu verdreifachen. Im Januar kommenden Jahres soll außerdem ein deutscher Ableger der Firma gegründet werden.

Marian Schuth

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