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Zhang Yi in einer Szene des Kinofilms "Yi miao zhong" ("One Second").

© Matt Kennedy/Huanxi Media Group/Berlinale/dpa

Berlinale-Kolumne: Bei der Absage chinesischer Filme wirkt das Filmfest ausgeliefert

Ein chinesischer Beitrag wird wegen "technischer Probleme" aus dem Wettbewerb genommen. Kritische Filme werden in China offenbar nicht rechtzeitig fertig.

Es soll ja viele Leute geben, die China bewundern. Weil da schon autonome Busse fahren. Weil da Flughäfen schnell gebaut werden. Weil da jemand den verrückt gewordenen USA die Stirn bietet. Es gibt da bloß ein klitzekleines Problem. Es könnte für die Berlinale noch ein großes werden.

Im Grundgesetz heißt es: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Gilt das eigentlich auch für die Berliner Filmfestspiele?

Die Berlinale hat über Nacht einen chinesischen Beitrag aus dem Wettbewerb genommen. Offizieller Grund: „technische Probleme bei der Post-Production“. Der Film „Yi miao zhong“ („One Second“) des preisgekrönten Regisseurs Zhang Yimou spielt in der Zeit der Kulturrevolution, die Chinas Behörden totzuschweigen versuchen. Der Protagonist ist aus einem Arbeitslager geflohen. Die Berlinale hat bereits Tickets für den Film verkauft; nun zeigt sie zu den Terminen einfach was anderes. Die Pressemitteilung zu dem Vorgang umfasst vier nichtssagende Sätze.

„Wir können uns nur auf die Aussage der Produktionsfirma beziehen“

Ich habe der Pressestelle ein paar Fragen geschickt – zum Beispiel: „Laut Berlinale sind ,technische Probleme bei der Post-Production’ Grund für die Absage. Um welche technischen Probleme handelt es sich dabei?“

Dazu schreibt die Berlinale: „Laut Auskunft der Produktionsfirma gibt es Probleme bei der Postproduktion – welcher Natur diese sind, ist uns nicht bekannt.“ Schade.

Weiter wollte ich wissen: „Können Sie ausschließen, dass die Absage auf politischen Druck oder auf Zensur in China zurückgeht?“

Die Antwort: „Wir können uns nur auf die Aussage der Produktionsfirma beziehen.“ Schade.

Die Berlinale, 1951 begründet in West-Berlin als Festival der Freiheit und weiterhin mit hohen politisch-moralischen Ansprüchen von sich selbst gesegnet – sie wirkt ausgeliefert. Nur schade?

Vor einer Woche wurde schon ein chinesischer Beitrag abgesagt: der Jugendfilm „Shao nian de ni“ („Better Days“) über ein gemobbtes Schulmädchen. Im Programm heißt es, er verbinde „schonungslose Gesellschaftskritik mit einer märchenhaften Liebesgeschichte“.

Die Berlinale begründete die Absage so: „Die chinesische Produktionsfirma hat uns mitgeteilt, dass der Film noch in der Postproduktion ist und nicht rechtzeitig fertig gestellt werden kann.“

In China können sie schnell Flughäfen bauen. Aber kritische Filme kriegen sie nicht rechtzeitig fertig.

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Robert Ide, Berlin-Chef beim Tagesspiegel und großer Kino-Fan, schreibt für den Tagesspiegel jeden Tag seine neue Berlinale-Kolumne - auch auf der Titelseite. Titel: "Im Film mit Robert Ide". Er löst damit Harald Martenstein ab, der seit 1990 die Berlinale als Kolumnist begleitet hat. Hier lesen Sie Martensteins Bilanz im Tagesspiegel.

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