zum Hauptinhalt
Dieter Kosslick bekommt von Juliette Binoche einen riesigen Plüschbären.

© John Macdougall

Berlinale-Abschluss: Bären-Nacht: Verabschiedungen, aber ohne Tränen

Die Gewinner haben Samstagnacht im Martin-Gropius-Bau gefeiert. Lauter letzte Male waren es. Nicht nur arrivierte Stars waren unter den Gästen.

Um Mitternacht gibt es im Spiegelzelt am Martin-Gropius-Bau ein Geburtstagsständchen für Bärengewinnerin Nora Fingscheidt. Wunderkerzen, Glückwünsche, ein kleines Fest im Fest beim Bärendinner für die Preisträger. Später in der Nacht wird sich Jurypräsidentin Juliette Binoche mit Handkuss von Gastgeber Dieter Kosslick verabschieden, der sich seinerseits mit einer Doppelverbeugung bedankt. Das Abschiedsgeschenk der Jury, ein Riesenteddy, hat es bis in die erlesene Dinnergesellschaft geschafft und guckt den teils filmreifen gefühlvollen Szenen mit bärischem Vergnügen zu. Die siegreichen Italiener um den Autor Roberto Saviano, die für das Drehbuch von „La paranza dei bambini“ einen silbernen Bären bekommen haben, wollen nicht aufbrechen, ohne noch ein paar Erinnerungsfotos mit dem scheidenden Festivalchef in ihren Smartphones zu speichern.

Anekdoten aus seinem unerschöpflichen Reservoir

Das geht natürlich nicht ohne einige Anekdoten ab, die Kosslick noch mal aus seinem schier unerschöpflichen Reservoir hervorholt. Vielleicht geben sie irgendwann noch mal Stoff für ein Buch her. Die Straßenjungs aus dem Neapel-Film können nicht mit auf die Fotos, sie sind schon wieder abgereist. Dafür genießt Helena Zengel, die kindliche Hauptdarstellerin aus „Systemsprenger“, ihr wohl erstes Bärendinner in einer Berlinale-Nacht. Immer wieder brandet Beifall auf, auch als Wang Jingchun und Yong Mei, die besten Darsteller aus „So Long, My Son“, noch einmal ihre silbernen Bären schwenken. Die Trophäen sind der schönste Tischschmuck.

Nur wenige Berliner sind gekommen in das Zelt, das nur 200 Gäste fasst. Peter Raue ist dabei, der die Filmfestspiele seit langem juristisch vertritt, und der langjährige Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius. „Das ist kein trauriger Abschied. Er hat so viele Pläne“, konstatieren sie nach einer Gesprächsrunde mit dem scheidenden Chef. „Eher werden die Festspiele ihn vermissen als umgekehrt“, prophezeit Raue. Und Sartorius, der Dichter, ergänzt: „Es gibt so viele andere Dinge, denen er seine Leidenschaft widmen kann.“

Jeder einzeln verabschiedet

Gerührt ist Dieter Kosslick in dieser Nacht aber doch und gibt es freimütig zu. Jeder Gast wird noch mal einzeln verabschiedet und an das Samtjackett gedrückt. Auch der Abschied von Anke Engelke, die für das Bären-Dinner ihre große Abendrobe mit Schleppe und Bändern gegen ein feuerrotes Cocktailkleid ausgetauscht hat, dauert etwas länger: So viele lustige gemeinsame Auftritte. Die Moderatorin ist nicht die einzige, die sich zwischen Gala und Dinner umgezogen hat. Auch die Jury-Präsidentin hat das lange weiße Kleid gegen einen aufregenden, gold-schwarz funkelnden Hosenanzug getauscht. Während sich viele der Gäste im Berlinale-Palast vom liberalen Dresscode „Black Tie Optional“ dazu verführen ließen, auf Smoking und langes Abendkleid zu verzichten, wurde er im Spiegelzelt glamourös abgewandelt. Gästebetreuerin June Galgey ist ebenfalls dabei. Die gebürtige Südafrikanerin kommt jedes Jahr aus England zurück, um die VIPs durch die Stadt zu lotsen und ihnen alle möglichen Wünsche zu erfüllen. „Ich freue mich immer schon auf die Berlinale-Familie“, lacht sie. Und dann ist da noch der Teenager, der aussieht, als hätte er gerade einen Bären für den besten Nachwuchsdarsteller gewonnen. Manche Gäste erkennen in ihm ein Berlinale-Kind, Kosslicks 14-jährigen Sohn.

Ein Ritual

Das vegetarische Festmenü, von Florian Glauert aus dem Restaurant „Duke“ , wird als Ritual der Nacht wohl nicht erhalten bleiben, mutmaßen einige Gäste. Kraftbrühe von getrockneten Pilzen mit Rosmarin eröffnet das Bärenmahl, gefolgt von Topinambur mit geflämmten Kartoffeln, wildem Brokkoli und Trüffelsauce. Zum Schluss ein Chocolate Cup Cake „Street Food Style“ mit rotem Cookie-Bären als Verzierung, alles vom Chef persönlich ausgesucht. Als Proviant gibt’s kleine braune Pappkartons mit Süßigkeiten und dem Aufdruck „Care-Paket“, eine sinnige Anspielung auf die Anfänge der Berlinale im Kalten Krieg.

Nicht nur arrivierte Stars

Hier sind nicht nur arrivierte Stars versammelt, sondern auch Preisträger, die sich zu Hause die Heizung nicht leisten können, weil alles Geld in den Film gesteckt wird, oder Gewinner, die mal bei der Berlinale als Praktikanten begonnen haben. Sie konnten sich anschließend in den großen Limousinen der Berlinale-Flotte zum Crackers chauffieren lassen, um in einer selbstvergessenen Berliner Clubnacht in neue Pläne zu starten. Rappelvolle Tanzfläche, neben typischen Wodka-Drinks finden auch die Berlinale-Beeren-Säfte Abnehmer. Und als nachts um zwei der Gewinner des goldenen Bären auftaucht, brandet noch mal Applaus auf. Fremde lächeln einander an. Auch so ist Berlin.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false