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Berlin wird älter - immer mehr Menschen brauchen Pflege.

© Patrick Pleul/dpa

Mario Czaja stellt Landespflegeplan 2016 vor: "Berlin wird bunter, aber Berlin wird auch älter"

Mario Czaja stellt den Landespflegeplan vor. Dabei darf auch sein Lieblingsthema nicht fehlen.

Der Gesundheitssenator kann es nicht lassen. Wenige Monate vor der Abgeordnetenhauswahl holte Mario Czaja (CDU) sein Lieblingsthema hervor: die Pflegekammer. „Ich verstehe die ablehnende Haltung der Berliner SPD nicht“, sagte der Senator am Mittwoch in einem Pflegeheim im Kreuzberger Graefekiez. „Eine Konkurrenz zu den Gewerkschaften wird es durch eine Kammer nicht geben.“ So wie die Ärztekammer den Medizinern – aber auch dem Gesundheitswesen in Gänze – helfe, sollten auch Schwestern und Pfleger ihre Interessen in einer Kammer durchsetzen können.

Eine Pflegekammer könnte dabei Helfen, Schwestern und Pflegern mehr öffentliche Anerkennung zukommen zu lassen und ihre Interessen besser zu vertreten. Das erhoffte Ergebnis: Qualifizierte, motivierte Menschen, die sich um unsere Mütter, Väter und Verwandten kümmern und gebührende Anerkennung dafür bekommen.

Immer mehr Menschen brauchen in Berlin Pflege

Und da gibt es einiges zu tun. Immer noch fehlen in Berlin qualifizierte Mitarbeiter für Altenheime und Pflegedienste – womit Senator Czaja am Mittwoch beim eigentlichen Thema war: dem aktuellen Landespflegeplan. „Berlin wird bunter, aber Berlin wird auch älter“, sagte Czaja. „Der Personalbedarf steigt.“ Bis 2030 steigt die Zahl der Pflegebedürftigen auf 170.000 Männer und Frauen, derzeit sind es rund 115.000.

Um den steigenden Bedarf zu decken, hat der Senat das Schulgeld für Altenpfleger ausgesetzt. Und die Ausbilder bekommen Zuschüsse für die praktische Einweisung neuer Kollegen. Außerdem wurde beschlossen, auch in Berlin die Ausbildung zum Pflegehelfer einzuführen – bislang gab es das nur in Brandenburg.

Anders als examinierte Fachkräfte, die drei Jahre lang ausgebildet werden, gilt für die Helfer eine einjährige Ausbildung. Das soll Jugendliche ohne Schulabschluss und Quereinsteiger ansprechen.

Die Helfer sind wichtig – weniger als 60 Prozent der Beschäftigten in den Heimen haben die dreijährige Ausbildung. Das Ziel ist es aber nicht nur, neues Personal zu bekommen, sondern auch die Menschen im Beruf zu halten. Vor allem bei der Altenpflege ist die Absprungquote besonders hoch. Viele kündigen die nicht nur körperlich anspruchsvollen Jobs in Heimen und bei ambulanten Diensten schon nach wenigen Jahren.

Was die Pflegekammer bringen könnte

Das hat viel mit Erschöpfung zu tun – aber auch die vergleichsweise geringe gesellschaftliche Anerkennung belastet Pflegekräfte. Eine Kammer könnte da womöglich helfen. Als Organisation öffentlichen Rechtes bekommt sie vom Staat hoheitliche Aufgaben zu beruflichen Fragen zugestanden. Kammern können ihre Mitglieder zu Fortbildungen verpflichten, ihre Fähigkeiten prüfen und Versäumnisse sanktionieren. Der Staat hat dabei nur die Oberaufsicht.

Anders als bei Gewerkschaften besteht für ausgewiesene Angehörige des jeweiligen Berufes deshalb Zwangsmitgliedschaft samt Beitragsabgaben. Dafür sollen Kammern die sozialen Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Czaja geht davon aus, dass eine eigene Kammer zu einer stärkeren Identifikation mit dem Pflegeberuf führt.

Im vergangenen Jahr hatte Czaja eine Umfrage unter Berliner Schwestern und Pflegern gestartet. Das Ergebnis: 59 Prozent sind für eine eigene Kammer. Um Kammern zu gründen, gibt es jedoch rechtliche Hürden, der Gesetzgeber muss begründen, warum bestehende Behörden und Verbände nicht ausreichen.

Kritiker aus der Gesundheitsbranche fürchten Zusatzbürokratie.

Höchste Auslastung in Marzahn und Spandau

Der Pflegeplan selbst ist eher eine Plattform, von der aus die Politik einzelne Maßnahmen ergreifen sollte. Deshalb hatte Czaja am Mittwoch auch bekannt gegeben, wie die Altenheime wo ausgelastet sind. Am niedrigsten ist die Belegung vorhandener Plätze in Neukölln mit 81 Prozent. An der Spitze stehen Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Reinickendorf mit 95 Prozent.

Der wichtigste Pflegedienst besteht ohnehin nicht aus Fachkräften, sondern aus Angehörigen. Die Hälfte aller Pflegebedürftigen wird durch die Familie zu Hause versorgt – nicht immer konfliktfrei. Auch die Krankenkassen haben den Stress in der häuslichen Pflege im Blick.

Susanne Hertzer, Landeschefin der Techniker Krankenkasse (TK), sagte: Drei Fünftel der pflegenden Angehörigen in Berlin und Brandenburg fühlten sich einer Pflegestudie der TK von 2014 zufolge oftmals erschöpft. „Umso wichtiger wird es in Zukunft sein, pflegende Angehörige zu beraten und zu unterstützen, damit aus den Pflegenden nicht selbst Pflegefälle werden.“

Informationen über die Pflege und die Berliner Heime finden Sie in „Tagesspiegel Pflegeheime Berlin 2015/2016“. Das Magazin kostet 12,80 Euro. Es ist im Tagesspiegel-Shop erhältlich, Kontakt unter 030-29021-520 oder www.tagesspiegel.de/shop. Reportagen und Zahlen gibt es auch unter: www.gesundheitsberater-berlin.de

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