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Eine Frau mietet ein Carsharing-Auto mit ihrem Smartphone

© dpa/Christin Klose

Update

Berlin verliert gegen Carsharing-Anbieter: Verwaltungsgericht stoppt Straßengesetz – Pleite für den Senat

Wieder hat Berlin seine Kompetenzen überschritten: Ab September sollten neue Vorgaben für Carsharing-Anbieter gelten, diese hob das Verwaltungsgericht nun auf.

Carsharing-Anbieter müssen in Berlin weiterhin keine Konsequenzen befürchten, wenn ihre Kunden die Mietwagen wild parken. Berlin wollte die Carsharing-Anbieter strenger regulieren – mit einer Umstellpflicht und einer Meldehotline für falsch geparkte Autos, einem Zulassungsverfahren und perspektivisch mit einem Pflichtangebot in den Außenbezirken. Doch nun hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben nach einem Eilantrag zweier Anbieter gestoppt.

Am Dienstag haben die Richter einer Eil-Klage von Carsharing-Anbietern gegen das Berliner Straßengesetz stattgegeben und die entsprechenden Regelungen vorerst außer Kraft gesetzt. Damit gelten die Berliner Vorgaben für die Carsharing-Anbieter ab September nicht. Die Anbieter Weshare und Sharenow hatten zuvor einstweiligen Rechtsschutz gegen die neue von SPD, Grünen und Linken durchgesetzte Regelung beantragt.

Der Grund für die Gerichtsentscheidung: Berlin hat nach Ansicht der Richter mit den neuen Vorgaben erneut – wie schon beim Mietendeckel – seine Kompetenzen überschritten. Denn vom Bund ist das Thema in den Augen der Richter rechtlich bereits geregelt.

Wie der Senat auf den Eilbeschluss reagieren wird, blieb am Dienstag offen. „Wir nehmen den Beschluss des Verwaltungsgerichts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Kenntnis – und prüfen weitere Schritte“, teilte ein Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung mit.

Möglich wäre gegen den Eilbeschluss eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einzulegen. Bis zur Entscheidung im Hauptverfahren sind die neuen Gesetzesregelungen vorerst aber ungültig. Auch der Berliner Anbieter Miles bereitet im Hauptsacheverfahren eine Klage vor, wartete aber den Ausgang des Eilverfahrens ab.

Berlin wollte das Parken auf Straßen regulieren

Das Land Berlin wollte mit dem Gesetz das Parken der Mietwagen auf den Straßen, also das von Mietstationen unabhängige sogenannte Freefloating-Carsharing, als gewerbliche Nutzung einstufen und regulieren. Nach dem Gesetz sollen ab September für alle Sharing-Angebote wie E-Scooter, Leihräder und Mietwagen in Berlin erstmals strenge Regeln gelten. Doch nun bleiben die Carsharing-Anbieter davon ausgenommen.

Das Gesetz hatte auch geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Anbieter die Sondernutzungserlaubnis bekommen. Dafür sollte es ein Kontingent und ein Auswahlverfahren unter den Anbietern vor. Ohne Erlaubnis hätten die Anbieter ordnungswidrig gehandelt.

Für die Mietwagen-Anbieter hätte das ab September bedeutet, falsch abgestellte Fahrzeuge umparken zu müssen. Zwischen 6 und 20 Uhr sollten ihnen dazu nur vier Stunden Zeit bleiben, sobald sie von dem Fall erfahren haben, heißt es in den Nebenbestimmungen zur Sondernutzung für die Autovermieter, die dem Tagesspiegel vorliegt.

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Falschparkende Fahrzeuge, die nachts gemeldet werden, sollten bis 10 Uhr am Folgetag umgesetzt werden. Damit Bürger nicht ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeuge melden können, sollten die Carsharer, ähnlich wie E-Scooter-Anbieter, dazu verpflichtet werden, eine kostenlose Telefonhotline einzurichten, die deutlich sichtbar an den Autos angebracht sein sollte.

Der Senat wollte auch Daten über die Angebote sammeln. Die Anbieter sollten dafür quartalsweise die tägliche Gesamtzahl ihrer Fahrzeuge und den Anteil außerhalb des S-Bahnrings geparkter Autos melden. Daneben verlangte der Senat anonymisierte Angaben über die Zahl, Dauer und zurückgelegte Entfernung der täglichen Mietfahrten sowie die Start- und Zielpunkte in der Stadt.

Woran die Sondernutzung für Mietwagen scheiterte

Das Gesetz scheiterte daran, dass das Parken der Mietwagen als Sondernutzung von Straßen deklariert wurde. Doch nach Ansicht der Richter ist alles, was straßenverkehrsrechtlich erlaubt ist, ein sogenannter Gemeingebrauch, also auch das Parken von Autos. Das dürfe nicht zur erlaubnispflichtigen Sondernutzung erklärt werden, selbst wenn es sich um Sharingfahrzeuge handelt, die am Straßenrand gewerblich zur Miete angeboten werden.

Das Parken der Mietwagen sei „eine nach der Straßenverkehrsordnung zulässige Teilnahme am Straßenverkehr“. Ähnlich hatte vor Jahren bereits das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden.

Beschlossen worden war das novellierte Straßengesetz 2021. Dabei war die damalige rot-rot-grüne Koalition bereits gewarnt, dass sie damit zu weit gehen könnte. Bei einer Anhörung im Parlament einen Monat vor der Abgeordnetenhauswahl hatten Experten darauf hingewiesen, dass das Gesetz verfassungswidrig sein könnte.

Die Verwaltungsrichter stimmten den Carsharing-Unternehmen zu

Die Carsharing-Unternehmen hatten in einem Rechtsgutachten dargelegt, dass das Abstellen von Carsharing-Fahrzeugen „nach geltendem Bundesrecht ein erlaubnisfreier Parkvorgang“ sei, den der Bund abschließend geregelt habe. Das Land Berlin habe kein Recht, darüber hinaus gehende Bestimmung zu erlassen. Dieser Argumentation folgten nun die Verwaltungsrichter.

Mit der Novelle des Straßengesetzes sei der Senat „krachend gescheitert“, sagte CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. „Wie schon beim verfassungswidrigen Mietendeckel will dieser Senat einfach nicht kapieren, dass er Zuständigkeiten des Bundes nicht so einfach außer Kraft setzen darf.“

Carsharing als Chance?

Einen anderen Umgang mit den Unternehmen forderte Felix Reifschneider (FDP). Carsharing bringe für die Mobilität in Berlin große Chancen. „Wir wollen, dass die Carsharing-Angebote ausgebaut werden. Der Senat muss sich dafür als Partner der Carsharing-Anbieter verstehen, anstatt künstliche Blockaden aufzubauen“, sagte er.

An den geplanten Regeln für E-Tretroller und Leihfahrräder ändert sich durch die Entscheidung im Eilverfahren allerdings nichts. Diese sollen zunehmend vorrangig auf ausgewiesenen Abstellflächen abgestellt werden. Drum herum gilt dann ein Abstellverbot. Außerdem sollen die Anbieter verpflichtet werden, besser als bisher das ordnungsgemäße Abstellen durchzusetzen.

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Die beiden größten E-Scooter-Anbieter Tier und Lime wollen nicht gegen die neuen Regeln vorgehen. Es gehe um „Regulierungen, die zu stadtgerechtem Verkehr beitragen“, sagte ein Lime-Sprecher. Nötig seien aber ein in allen Bezirken einheitliches Infrastrukturkonzept und deutlich mehr Stellflächen für E-Bikes und E-Scooter, um die Fahrzeuge regelkonform abstellen zu können.

So könnten Parkplätze in Stellflächen umgewandelt werden. „Auf einen Pkw-Parkplatz passen bis zu zwölf E-Scooter“, sagte der Sprecher. In anderen europäischen Städten werde dies gut angenommen, Gehwege könnten entlastet werden. Gäbe es solche Flächen alle 100 bis 150 Meter, könnte das Abstellen der Fahrzeuge dort für die Nutzer Pflicht werden. Damit könnten der Umstieg auf nachhaltigere Mobilitätsangebote gefördert werden.

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