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Lehrersein wird zur Statusfrage: Sollen sie Angestellte sein oder Beamte?

© picture alliance / dpa

Berlin streitet über Lehrerverbeamtung: Ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft!

Wer ehrlich rechnet, stellt fest: Beamtete Lehrer rechnen sich - trotz Pensionslasten. Aber an diesen Zahlen ist Berlin ja nicht interessiert. Ein Gastbeitrag.

„Die finanziellen Folgen einer Verbeamtung belasten zukünftige Generationen. Wir brauchen deswegen Vorsorge in Form eines Pensionsfonds. In die müssen die Beamten einzahlen und das dort angesparte Geld bekommen sie später als Pension – genau wie es für die Arbeitnehmer bei der Rentenversicherung funktioniert“. Diese Meinung ist weit verbreitet und trotzdem falsch.

Schon die Rentenversicherung funktioniert anders. Die Einzahlungen in die Rentenversicherung werden dort nicht angespart und zurückgelegt „für später“, wenn der Einzahler alt ist und nicht mehr arbeitet. Die Einzahlungen gehen vielmehr an die vorhandenen Rentner. Das Verfahren hat einen treffenden Namen: Generationenvertrag. Die Beamtenversorgung funktioniert im Grundsatz ähnlich. Nur zahlt hier z.B. das Land Berlin keine Pensionsbeiträge in eine Pensionskasse ein, die dann das Geld an die Pensionäre auszahlt. Vielmehr erhalten die Pensionäre es direkt vom Land Berlin.

Der Senat von Berlin hat 2004 entschieden, Lehrkräfte nicht mehr zu verbeamten. Eine Begründung für diese Entscheidung hat er gegenüber der Öffentlichkeit nicht gegeben, auch u den Auswirkungen auf die Personalgewinnung und für den Haushalt hat er sich ausgeschwiegen. Alle anderen Bundesländer verbeamten derzeit, dort verdient eine Lehrkraft rund 400 Euro im Monat mehr. Berlin hat große Probleme, qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen und im Lande zu halten, für die Schulen hat das einschneidende Konsequenzen. Aber war die Entscheidung des Senats denn wenigstens haushaltswirtschaftlich vernünftig? Sie war und ist es nicht, wie folgende Rechnung zeigt.

Beamtete Lehrer kosten pro Jahr ca. 61.700 Euro

Eine beamtete aktive Lehrkraft kostet das Land aktuell rund 61.700 Euro pro Jahr. Darin ist die Beihilfe enthalten. Eine angestellte aktive Lehrkraft kostet das Land dagegen rund 82.000 Euro. Darin sind die Zahlungen in die Rentenkasse enthalten. Berücksichtigt man bei der beamteten Lehrkraft die Kosten für die Pensionen nicht, dann ist sie fraglos billiger, 20.300 Euro je Jahr. Will man die Kosten der beiden Beschäftigungsverhältnisse vergleichbar machen, dann müssen bei der beamteten Lehrkraft auch die Pensionszahlungen berücksichtigt werden. Da eine Lehrkraft nach durchschnittlich 33 Berufsjahren 20 Jahr lang Pension bezieht, kann der jährliche Pensionsbeitrag, der für jede Beamtenstelle ausgewiesen werden müsste, berechnet werden, indem die in der Ruhephase gezahlten Pensionen auf die Gehälter in der aktiven Phase rechnerisch umgelegt werden. Nach heutigen Daten käme man auf einen Betrag von 24.400 Euro je Vollzeitbeamten und Jahr. Die mit dem Angestellten vergleichbaren Kosten einschließlich der Rentenzahlungen liegen beim Beamten also bei rund 86.100 Euro  je Jahr – 4.100 Euro höher als beim Angestellten. Mit diesem Betrag sollten die staatlichen Haushälter kalkulieren.

Trotz der kalkulatorisch höheren Personalkosten für Beamte hat Berlin mit dem Ausstieg aus der Lehrerverbeamtung enorme finanzielle Belastungen für das Land ausgelöst. Auf den ersten Blick erscheint dies widersprüchlich, wenn die Beamten bei ehrlicher Berechnung, d.h.  unter Berücksichtigung der Pensionszahlungen, mehr kosten.

Derartige Belastungen ergeben sich auch nur bei einer Veränderung des Beschäftigungsstatus einer ganzen Gruppe. Den spiegelbildlichen Fall mit erheblichen Entlastungen hat es mehrfach gegeben. In den neuen Ländern waren Lehrkräfte nach der Wende alle als  Angestellte beschäftigt. Als erstes der neuen Länder hat das Land Brandenburg die Lehrkräfte verbeamtet, weil es sonst im Wettbewerb mit Berlin hoffnungslos unterlegen gewesen wäre. Da Beamte in der aktiven Phase weniger kosten als Angestellte, Pensionen aber für mehrere Jahrzehnte noch nicht gezahlt werden mussten, weil es noch keine pensionierten Lehrkräfte gab, hat das Land Brandenburg in einem langen Zeitraum sehr viel Geld gespart. Es hat für die verbeamteten Lehrkräfte nicht mehr in die Rentenkasse eingezahlt, obwohl ehemalige Lehrkräfte als Rentner aus dieser Kasse Rente bezogen. „Zurücklegen“ für die zukünftigen Pensionslasten war nicht nötig, solange und wenn klar war, dass dieser Zustand nicht auf Dauer Bestand haben würde. Sobald nämlich eine Beamtengeneration durchgewachsen ist, fallen auch in den neuen Ländern die Versorgungsausgaben in der oben beschriebenen Höhe an.

Teure Angestellte werden eingestellt, aber die Beamten sind noch da

Anders ist es, wenn ein Land wie Berlin aus der Verbeamtung aussteigt. Dann ersetzt es "billigere" Beamte durch "teurere" Angestellte, muss aber gleichzeitig die Pensionen für die ausgeschiedenen und die noch ausscheidenden Beamten bezahlen. Das Land zahlt beim Ausstieg aus der Verbeamtung für einen langen Zeitraum also in das Altersversorgungssystem Rente ein, bekommt aber kein Geld aus dieser Kasse, weil es für einen langen Zeitraum keine Bezieher von Renten gibt und Pensionen nicht aus der Rentenkasse bezahlt werden. Geht man vom Beginn des Verbeamtungsstopps im Land Berlin im Jahre 2004 aus, dann scheidet in einer vereinfachten Modellrechnung der letzte Beamte rund 33 Jahre später, also 2037 aus. Von da an sind noch rund weitere 20 Jahre Pensionen zu zahlen. Dann erst – etwa ab 2052 - wird der Haushalt entlastet. Es wird nach unseren Berechnungen mehr als weitere 150 Jahre dauern, bis die Mehrbelastungen, die bis Mitte des Jahrhunderts in einer Dimension von über 10 Milliarden Euro entstanden sind, durch nachfolgende Entlastungen kompensiert sind. Dann schriebe man etwa das Jahr 2200. Die Kompensation gibt es aber nur, wenn bis dahin die Angestelltenvergütungen nicht angehoben werden, um die Differenz zu den Nettobezügen der Beamten zu verringern, wie es von einigen Parteien gefordert wird. Berücksichtigt man bei den Berechnungen eine auch nur geringe Verzinsung ( wir leben in keiner zinsfreien Welt), werden die später anfallenden entlastende Effekte die anfänglichen Mehrbelastungen gar nicht kompensieren.

Führt der Ausstieg aus der Verbeamtung zu den beschriebenen finanziellen Mehrbelastungen, so ist es bei der Rückkehr zur Verbeamtung genau umgekehrt: Berlin könnte seinen Haushalt um einen hohen einstelligen Milliardenbetrag entlasten, jährlich um durchschnittlich ca. 250 Mio. Euro. Nicht nur wegen der Gewinnung von qualifizierten Lehrkräften für den Schuldienst in Berlin, sondern auch aus finanziellen Gründen ist es also ein Gebot der Vernunft, in der Berliner Situation zur Verbeamtung von Lehrkräften zurückzukehren.

Das Interesse an den Zahlen ist offenbar gering

Eine kluge Regierung, ein waches Parlament könnten das durch die „Wiederverbeamtung“ eingesparte Geld zur Schuldentilgung einsetzen. Das wäre eine auf Nachhaltigkeit bedachte und künftige Generationen entlastende Politik.

Im Herbst 2016 haben wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen u.a. dem Senator für Finanzen zugeschickt. Zu unserem Erstaunen war das Interesse an einer fachlichen Auseinandersetzung mit den Berechnungen gering. Zwar gab es Gespräche mit der Finanzverwaltung, einer vorurteilsfreien und tiefergehenden Prüfung stand wohl die politische Vorgabe entgegen, dass die Verbeamtungsfrage von Lehrkräften nicht zu thematisieren sei. Ob die Prüfung in der Finanzverwaltung überhaupt stattgefunden hat, haben wir nie erfahren.

Ein Wort noch zur Forderung nach einem Pensionsfonds aus dem dann die Pensionen am Ende gar vollständig gezahlt werden sollen. Die Einrichtung eines solchen Fonds läuft auf ein anderes System, die kapitalgedeckte Altersversorgung hinaus. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob ein derartiges System besser wäre als die bestehenden. Wollte man diese Forderung aber umsetzen, müsste allein für das Land Berlin ein Kapitalstock von überschlägig mehr als 40 Milliarden Euro aufgebaut werden. Woher dieses Geld kommen soll – bei einem Schuldenberg von fast 60 Milliarden Euro –, hat bisher niemand seriös darstellen können.

- Reiner-Maria Fahlbusch war GEW-Vorsitzender in Berlin und Abteilungsleiter im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) des Landes Brandenburg. Andreas Volbracht ist Lehrer und Leiter der MBJS-Arbeitsgruppe „Schulressourcenkonzept für das Land Brandenburg“. Sönke Harm Pörksen war bis 1999 Leitung der Verwaltungsmodernisierung im Geschäftsbereich des MBJS

Reiner-Maria Fahlbusch, Sönke Harm Pörksen, Andreas Volbracht

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