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Keimfrei. Auch das Adlon empfängt wieder Touristen.

© Carsten Koall/dpa

Update

Berlin lockert die Corona-Beschränkungen: Was haben Hotelmanager in zwei Monaten Zwangspause gemacht?

Mehr als 100 Hotels in der Hauptstadt hatten zwei Monate komplett geschlossen. Wer glaubte, die Belegschaft hatte endlich mal Zeit zum entspannen, täuscht sich.

Die letzten Gäste verabschieden, alle Fenster schließen, noch schnell die Schutzhaube über das Piano und die Sessel in der Lobby gespannt und dann Türen verriegeln. Dann und wann kommt der Wachdienst gucken, ob auch kein Dieb eingebrochen ist.

So ungefähr stellen sich viele einen Shutdown in einem Hotel vor. Tatsächlich aber braucht eine größere Herberge auch ohne einen einzigen Gast viel Pflege und produziert hohe Kosten, an die Privatleute, die ihre Wohnung für einen längeren Urlaub verwaist lassen, gar nicht denken (müssen). Doch vielen Hotelbetreibern wurde das in diesen Wochen schmerzlich bewusst.

So können Hoteliers die Klimaanlage und Belüftung zwar minimieren, aber nicht ganz abschalten, heißt es gleich in Punkt 1 einer langen Checkliste des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga für seine Mitglieder. Denn andernfalls träten Geruch und Feuchtigkeit innerhalb des Gebäudes auf und können Installationen, Möbel- und Ausrüstungsgegenstände beschädigen. Zudem müsse die Warmwasserproduktion auf oder mehr als 60 Grad Celsius gehalten werden, um eine Kontamination mit Legionellen zu vermeiden, heißt es in dem Dehoga-Dokument weiter.

Kurzum: Gastgeber, die ihr Haus in den vergangenen Wochen seit Mitte März sich selbst überlassen haben, haben es womöglich mit Schimmel und Keimen in den Leitungen endgültig ruiniert. Allen anderen bietet sich seit Montag dieser Woche wieder die Chance, langsam ins Normalgeschäft einzusteigen. Die Politik lockert diverse Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus.

Kein Buffet, kein Wellnessbereich

Konkret dürfen Betreiber von Hotels und Ferienwohnungen in Berlin wieder Übernachtungen an Touristinnen und Touristen anbieten. So hatte es der Senat beschlossen. Die Öffnung wird nur unter Auflagen erlaubt, versteht sich: So dürften zum Beispiel keine Speisen als Buffet angeboten werden.

Das Hotel Park Inn am Alexanderplatz hat während der Corona-Krise einige Fenster so beleuchtet, dass sie zusammen ein Herz bilden.
Das Hotel Park Inn am Alexanderplatz hat während der Corona-Krise einige Fenster so beleuchtet, dass sie zusammen ein Herz bilden.

© imago images/Reiner Zensen

Auch Spa- und Wellnessbereiche, eine wichtige Einnahmequelle für viele Häuser, müssen geschlossen bleiben. Die Polizei werde kontrollieren, ob die Regelungen für Gastronomiebetriebe und Hotels während der Coronakrise eingehalten werden, kündigte der Senat auf seinem Corona-Infoportal im Internet an.

Bisher hatten die Hotels lediglich Geschäftsreisende empfangen dürfen, deren Zahl angesichts der ausgefallenen Messen und Kongresse natürlich ebenfalls dramatisch eingebrochen war. Besonders bekannte Häuser wie das Hotel Adlon am Pariser Platz oder das Waldorf Astoria am Zoo hatten für diese Klientel einen Notbetrieb aufrechterhalten. Nach Schätzung des Dehoga-Verbandes haben aber mehr als 100 Hotels sowie eine unüberschaubar große Zahl von kleinen Pensionen und privaten Zimmervermietern über die Wochen komplett geschlossen.

Sascha Braunstein, Manager des Pentahotels am Rande der Köpenicker Altstadt freute sich am Montag, der er nach zwei Monaten Pause wieder die ersten Gäste begrüßen konnte.
Sascha Braunstein, Manager des Pentahotels am Rande der Köpenicker Altstadt freute sich am Montag, der er nach zwei Monaten Pause wieder die ersten Gäste begrüßen konnte.

© Kevin P. Hoffmann

So war es am Montag auch der erste Tag für das Pentahotel am Rande der Altstadt von Köpenick, wo knapp 40 Mitarbeiter in Kurzarbeit zu 40 bis 80 Prozent gehen mussten. Sie hatten auch während der zweimonatigen Schließzeit mindestens einmal pro Woche im Gebäude zu tun, um das Vier-Sterne-Haus mit seinen 190 Zimmern und 380 Betten ohne Besucher weiterzubetreiben, wie Hotelmanager Sascha Braunstein erklärt: Man habe jeden Tag gelüftet, und in jedem Zimmer Wasser durch alle Rohre laufen lassen, Wände und Geländer gestrichen, Flächen gereinigt. „Es war wie ein besonders intensiver Frühjahrsputz, bei dem Jeder angepackt hat – und in der Regel ganz andere Aufgaben erledigen musste als sonst“.

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Mit der Öffnung arbeiten nicht alle im Pentahotel wieder in Vollzeit. „Wir müssen erst sehen, wie das Geschäft wieder anläuft“, sagt Braunstein. Es gibt weniger Gäste, aber einige Tätigkeiten erfordern mehr Personal – zum Beispiel, weil Gäste das Frühstück nicht selbst am Buffet zusammenstellen dürfen, sondern am Tisch persönlich bedient werden.

Das Pentahotel in Köpenick hielt bei der Wiedereröffnung am Kontag für jeden Gast ein solches Hygiene-Kit mit Schutzmaske und Desinfektionsmittel bereit. Auch andere Models öffneten mit Schutzmaßnahmen.
Das Pentahotel in Köpenick hielt bei der Wiedereröffnung am Kontag für jeden Gast ein solches Hygiene-Kit mit Schutzmaske und Desinfektionsmittel bereit. Auch andere Models öffneten mit Schutzmaßnahmen.

© Kevin P. Hoffmann

Es gibt große Aufkleber mit Pfeilen auf dem Boden, sie schlagen Gästen einen Weg durch die riesige Lobby vor. Desinfektionstücher an Kaffeemaschinen und am Billardtisch stehen bereit. Doch am frühen Nachmittag verlieren sich nur drei Gäste in der Lobby, sind eingetaucht in der weiträumigen Sofalandschaft und kommen kaum in Verlegenheit, sich aus dem Weg gehen zu müssen. Die Mitarbeiter aber müssen Abstands- und Hygieneregeln sowie Schutzmaßnahmen lernen – und das Wissen in spielerischen Tests auf einer Handy-App nachweisen.

Hotelmanager spricht von einem "Super -GAU"

Das hilft sicher im Kampf gegen die Pandemie. „Das ändert aber wenig an der Sache: Das Ganze ist für uns wirtschaftlich der Super-GAU“, wie Hotelmanager Braunstein erklärt. Vor der Pandemie beherbergte er zu rund 65 Prozent Geschäftsreisende und Tagungsgäste. 15 Tagungsräume hält er für diese Gruppe Reisender bereit. Erst wenn diese wieder genutzt werden, gehe es aufwärts. „Dabei müssen wir auch in Konferenzräumen Abstand halten. Kleinere Gruppen nutzen also unsere größeren Räume“.

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Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft will man trotzdem schon jetzt Licht am Ende des Tunnels sehen. „Berlin gewinnt Lebendigkeit zurück“, kommentierte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) die Lockerung für Hotels am Wochenende. Der Tourismus sei für Berlin eine besondere Branche – wirtschaftlich und kulturell für das Lebensgefühl der „offenen und gastfreundlichen Stadt.“ Mit einem jährlichen Bruttoumsatz von 11,5 Milliarden Euro trage der Tourismus 6,7 Prozent zum Berliner Volkseinkommen bei. Insgesamt sichere der Sektor so rund 230 000 Vollzeitarbeitsplätze. 2019 hatten mehr als 34 Millionen Gäste in Berlin übernachtet.

„Ich freue mich, dass wir nun erste Schritte der Öffnung gehen können und zähle auf die Solidarität aller Akteure, unserer gemeinsamen Verantwortung für den Gesundheitsschutz gerecht zu werden. Denn nur in gemeinsamer Verantwortung können wir das Leben in Berlin wieder Schritt für Schritt öffnen.“ Pop sei zuversichtlich, „dass Berlin gemeinsam mit der Unterstützung aller Leistungsträger der Tourismus- und Gastronomiebranche dafür sorgen wird, dass die Touristinnen und Touristen trotz der derzeitigen Umstände einen schönen, sicheren Urlaub in Berlin erleben.“ Braunstein und seine Leute tun sehr viel dafür.

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