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Fünfkämpfer Pele und Schauspieler Langston Uibel, ab 7. Dezember in der Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ zu sehen, fühlen sich wohl zwischen Theodor-Heuss-Platz und Olympiapark.

© Thilo Rückeis

Spaziergang mit Langston und Pele Uibel: „Berlin kann sehr spießig sein und das ist auch gut“

Der eine ist Schauspieler, der andere Spitzensportler. Beide sind sie überzeugte Ur-Charlottenburger. Unterwegs mit den Uibel-Brüdern.

Von David Joram

Das Wetter für einen Stadtrundgang könnte schlechter nicht sein. Es regnet, der Himmel hängt grau über dem Theodor-Heuss-Platz. Langston Uibel, 20 Jahre alt, erscheint trotzdem wie vereinbart am Treffpunkt. Uibel ist Schauspieler und wird ab 7. Dezember in der Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ zu sehen sein, „als Fußballspieler am falschen Ort“, so viel verrät er. An diesem Tag steht er am richtigen Ort, unter dem schmalen Dach einer Dönerbude. Eine Hand steckt in der Hosentasche, die andere hält eine Zigarette.

„Den Theodor-Heuss-Platz kennen wahrscheinlich mehr Leute als Theodor Heuss“, sagt Langston Uibel, während er wartet. Es soll nämlich noch ein weiterer Uibel kommen: Pele Uibel, 18 Jahre alt, eine der größten deutschen Nachwuchshoffnungen im modernen Fünfkampf. Lange dauert es nicht, und da kommt der kleine Bruder mit dem Fahrrad auch schon angerauscht. Die Kälte ignoriert er, eine dünne weiße Trainingsjacke, auf der in schwarzen, dicken Lettern „Germany“ steht, reicht ihm offenbar. Hände werden geschüttelt, die Brüder umarmen sich.

Wo sie in ihrem Kiez besonders gern abhängen?

Der Plan sieht vor, in den Straßen des Westends spazieren zu gehen. Die Uibels, zwei überzeugte Ur-Charlottenburger, sollen ein bisschen durch ihren Kiez führen und dabei erzählen, wo sie besonders gern abhängen und warum. Sie schaffen es nicht weit: Der Regen. Die Kälte. Selbst die Ewige Flamme wirkt, als hätte sie weniger Kraft als sonst. Sie brennt seit 1955 mitten auf dem Theodor-Heuss-Platz und mahnt: Nie wieder Vertreibung! „Freiheit Recht Friede“, prangt auf dem wuchtigen Betonsockel. „Man läuft so oft dran vorbei und schaut immer wieder drauf“, sagt der größere Uibel. Hier, wo der Klotz des RBB wie ein überdimensioniertes Raumschiff gelandet ist und die Heerstraße beginnt, wollen die Uibels fotografiert werden.

Als alle Bilder im Kasten sind, vertreibt sie das Wetter in ein nahe gelegenes Café mit West-Berliner Charme. „Entenkeule auf Apfel-Rotkohl mit Kartoffelklößen für 14,90“, wird draußen geworben. Drinnen bietet eine Eckbank mit beiger Polsterung und bunten Mustern Platz. „Berlin kann sehr spießig sein und das ist auch gut“, sagt Langston Uibel.

Das Leben als angehender Fünfkämpfer

Zeit für den angenehmen Teil: Ein Kännchen Kaffee, Marzipantorte, ein Gespräch. Der Jüngere beginnt, er spricht über das Leben als angehender Fünfkämpfer und den Traum, eines Tages vielleicht mal ganz groß rauszukommen – „das Fernziel sind die Olympischen Spiele 2024“. Im Oktober erst nahm Pele Uibel, 1,70 Meter groß, kräftig gebaut, an den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires teil, „das war der längste Flug, den ich je hatte“, sagt er. Noch länger hat er sich für diese Reise gequält: „Ich war ein Jahr damit beschäftigt, die Quali zu schaffen.“ Am Ende wurde er Vierter: „Wegen einer Rachenentzündung, die ich mit Schmerzmitteln behandeln musste, konnte ich nicht alles mobilisieren.“

Fünfkämpfer müssen schießen, schwimmen, reiten, laufen und fechten können. Es ist ein ständiger Balanceakt, alles so zu koordinieren, dass auch das perfekte Ergebnis herauskommt. „Würde ich mich beim Schwimmen – meinem Schwachpunkt – um fünf Sekunden verbessern wollen, würde ich in einer anderen Disziplin an Leistung verlieren“, erklärt Pele Uibel.

Ob er mal einer dieser Athleten wird, die irgendwann nur noch die Welt des Sports kennen? „Ich glaube nicht“, sagt er. Aber er gibt zu: „Man ist vor Ort schon sehr mit seiner Aufgabe beschäftigt.“ Für Land und Leute, in diesem Fall Buenos Aires, bleibe nicht so viel Zeit. Trotzdem hat er ein paar Beobachtungen gemacht: „Die Schere zwischen arm und reich ist dort groß, die Inflation extrem.“ Pele Uibel, stellt man schnell fest, ist für einen 18-Jährigen erstaunlich reflektiert.

Nicht nur Charlottenburger

Vielleicht liegt das auch daran, dass die Uibels nicht nur Charlottenburger sind, erst 2006 kamen sie mit den Eltern aus London nach Berlin. Die Mutter stammt aus Baden-Württemberg, der Vater betreibt eine Jazzbar in der britischen Hauptstadt. Klar, da rückt auch der Ausstieg der Briten aus der EU in ihren Horizont. „Die Argumente der Brexiteers wurden sehr hoch gepusht“, sagt Pele Uibel. „Wir kriegen ja nur die deutsche Sicht mit, die europäische.“ Das Ergebnis habe ihn daher nicht überrascht, Langston Uibel genauso wenig. „Es ist aber sehr schade, dass die Wahlbeteiligung der jungen Briten so gering war und nun die ältere Generation über ihre Zukunft entschieden hat.“

Für den Älteren der beiden Uibels ist London der Ort, „der die Welt abbildet“. Vielfältig, aufregend, aber auch stressig. „Eine Kombi zwischen Berlin und London wäre ideal“, sagt Langston Uibel, der die „einseitige Nachtszene“ Berlins anspricht – „sie ist sehr Techno-lastig.“ Dafür liebt er seinen Kiez. Die Eisdiele Gloria am Steubenplatz, den Glockenturm, das Olympiastadion („Ich bin natürlich Hertha-Fan!“), den Grunewald oder den Olympiapark, über den Pele Uibel urteilt: „Das ist einer der am meisten unterschätzten Orte Berlins.“

Eines, findet Langston Uibel, sei in Berlin ebenfalls besser als in London. „Von Anfeindungen habe ich in London öfter gehört. In Deutschland gibt es nicht so viele schwarze Menschen, da drehen sich die Diskussionen eher um Menschen mit anderen Migrationshintergründen.“

„Wenn jemand schwarz ist, muss Schwarzsein nicht Thema sein“

Und welche Rolle spielt die Hautfarbe in der Künstlerszene, unter Schauspielerkollegen? „Wenn jemand schwarz ist, muss Schwarzsein nicht Thema sein“, sagt Langston Uibel. Trotzdem erlebe er häufig, dass man erst erklären müsse, dass Menschen unterschiedlich aussehen. Diversität sei ja eigentlich etwas ganz Normales.

Die typischen Fragen, die nichtweiße Menschen gestellt bekommen – wo kommst du her? – wurden auch ihm schon gestellt. „Ich fühle mich genauso als Deutscher wie andere“, sagt Langston Uibel. Sein Bruder stimmt ihm zu: Natürlich falle er mehr auf als andere – eben weil er so aussieht, wie er nun mal aussieht. „Ich kenne es nicht anders, deshalb kann ich damit umgehen“, sagt er und schiebt noch einen klugen Satz hinterher: „Schwarzsein ist ja kein Charaktermerkmal. Viele verbinden damit Gangster-Rap oder andere Klischees. Dabei ist es doch nur das Aussehen.“

Manche Unterhaltungen, das haben beide Uibels festgestellt, seien deshalb schwierig. Sogar in ihrem geliebten Charlottenburg.

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