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Eine Hommage an Bruno Granz und „Der Himmel über Berlin“ – Robert Stadlober mit Engelsflügeln.

© R. Benbihy

Berlin, I love you – oder nicht?: Warum Filme über Berlin scheitern

Seit Donnerstag läuft der Episodenfilm „Berlin, I love you“ in den deutschen Kinos. Inhaltlich überzeugt er kaum, klischeeüberladen präsentiert er das Stadtleben.

Von Paul Lütge

Berlin, ich liebe dich! Ich liebe, wie alte Männer in den schicksten deiner Bars junge Frauen anbaggern, wie sich Touristen auf der Museumsinsel verlieben und wie Dragqueens an der Spree Jugendlichen zu Kusserfahrungen verhelfen. Natürlich liebe ich auch das Politische an dir, naja ein bisschen zumindest, aber zeig mir doch bitte noch mal den Fernsehturm!

Seit Donnerstag läuft der Episodenfilm „Berlin, I love you“ in den deutschen Kinos. Es ist der fünfte Teil der Filmserie „Cities of Love“, welche, eigentlich eine schöne Idee, das Leben in Metropolen durch kleine Alltagsgeschichten beleuchten möchte. Durch den Kurzfilm „True“ von Tom Twyker aus dem Jahr 2004 startete das Projekt, es folgte 2006 der erste Kompilationsfilm „Paris je t'aime“.

Das Berliner Leben wird in insgesamt zehn Kurzgeschichten gezeigt. Die Rahmenhandlung über eine israelische Sängerin, die auf einen als Engel verkleideten Lebenskünstler (Robert Stadlober) trifft – eine Hommage an Wim Wenders' Klassiker „Der Himmel über Berlin“ – soll das Geschehen zusammenhalten.

Viele große Namen waren an dem Projekt beteiligt: Neben internationalen Berühmtheiten wie Keira Knightley, Helen Mirren und Mickey Rourke ist mit Til Schweiger und Veronika Ferres und auch deutsche Prominenz durch Regie und Schauspiel vertreten. Trotzdem hätte schon die Vermarktung des Filmes durchaus besser laufen können: Die Berlinale lehnte ihn ab, weil er laut damaligem Festivalchef Kosslick „einfach grottenschlecht ist“, ein Beitrag des chinesischen Regimekritikers Ai Weiwei wurde schon im Voraus herausgeschnitten und über den Trailer empörten sich schon Monate vor dem eigentlichen Start die Feuilletonredaktionen des Landes.

„Was geht ab, Baby?“

Auch inhaltlich überzeugt der Film kaum, klischeeüberladen präsentiert er das Hauptstadtleben. Gleich in mehreren Sequenzen düsen schicke Autos durch Berlin. Verkehrsprobleme? Fehlanzeige. Immerhin ein E-Scooter ist kurz zu sehen. Die Dialoge wirken meist ideenlos.

Keira Knightley arbeitet in einem Flüchtlingscamp am ehemaligen Flughafen Tempelhof.
Keira Knightley arbeitet in einem Flüchtlingscamp am ehemaligen Flughafen Tempelhof.

© Martin Nicholas Kunz

So kündigte Mickey Rourke noch vor Beginn der Dreharbeiten an, dass er den für seine Episode geschriebenen Text umschreiben müsse – nach eigener Aussage hätten die Dialoge auch von einem Sechsjährigen verfasst sein können, „der noch nie in seinem Leben ein Mädchen angesprochen hat“. In der nun veröffentlichten Version spricht er eine junge Frau mit den Worten „Was geht ab, Baby?“ in einer Bar an.

Ein Film für ein breites internationales Publikum

„Berlin, I love you“ könnte ein gewaltiger Flop werden – und wird vermutlich deshalb nur in neun Berliner Kinos und 57 deutschlandweit gezeigt. Und das Projekt hat noch mit einem weiteren Hindernis zu kämpfen: Filme über das Leben in Berlin scheinen gerade für Bewohner der Stadt in jüngster Vergangenheit oftmals schwer ertragbar zu sein – gelten sie doch spätestens seit der umstrittenen Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ als neue Hassobjekte vieler Hauptstadtmenschen, irgendwo eingereiht zwischen elektronischen Rollern und Touristenattraktionen.

Helen Mirren in „Berlin, I love you“.
Helen Mirren in „Berlin, I love you“.

© Martin Nicholas Kunz

Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Film aber sowieso nicht für die Hauptstädter, sondern für ein breites internationales Publikum gedreht wurde. So lässt sich zumindest diesem eine Vision des bunten Treibens in Berlin verkaufen – solange, bis es dann wirklich mal her – kommt. Dann können sich die Besucher an den in „Berlin, I love you“ so oft gezeigten Orten – Fernsehturm, Oberbaumbrücke, Mauerpark – mit anderen Touris auf Tretrollern treffen. Worüber Berliner sich wieder aufregen werden. Alles beim Alten also.

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