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Street-Art-Künstler Bibo hat die Eingänge von elf Berliner Clubs in Miniatur nachgebaut, darunter: Das Kater Blau .

© Doris Spiekermann-Klaas

Berghain, Yaam, SO36: Künstler baut Berliner Clubs nach

Vor Clubeingängen entscheidet sich das Schicksal einer Nacht. Street-Art-Künstler Bibo hat die bekanntesten Türen nachgebaut – im Miniaturformat.

Bibo sagt, er sei bis jetzt immer in jeden Club reingekommen. Dann denkt er noch mal nach. Nein, einmal habe ihn der Türsteher vor dem Tresor in Mitte rausgefischt. Aber das lag eher an dem Kumpel, mit dem er unterwegs war, der hatte da Hausverbot. Trotzdem kenne er die Clubschlangen-Stille. Die kollektive Anspannung kurz vor den Türstehern. Die Angst, sie könnte einen für zu albern, zu betrunken, zu uncool halten. Der bevorstehenden Nacht nicht würdig genug.

Dann die Sorge, gleich wieder den ganzen Weg an der Schlange vorbei zurücklaufen zu müssen. Den sogenannten „Walk of Shame“ anzutreten und an der nächsten Straßenecke verstohlen die Freunde anzurufen, um ihnen zu sagen, dass man heute Abend leider nicht dabei sein wird. „Trotzdem euch noch viel Spaß.“

Clubtüren sind mystische Orte. An ihnen entscheidet sich das Schicksal einer Nacht. Sie seien das perfekte Sujet für künstlerische Arbeiten, sagt der 26-jährige Bibo. Bis jetzt hat er elf Berliner Clubtüren nachgebaut. Die Modelle sind zwischen 30 und 60 Zentimeter groß. Die meisten hat er aus dem Gedächtnis nachgebildet.

Die Türen der beiden Kreuzberger Clubs Lido und SO36 zum Beispiel. Da war er vor Corona besonders gerne. Der Detailreichtum auf den kleinen Modellen aus Holz, Plastik und Weggeworfenem beeindruckt. Dort, wo Schriftzüge auf die Betonwände oder Metalltüren geschmiert sind, hat Bibo sie auf seine Miniaturen übertragen. Das Gitter vor dem Türglas im Mensch Meier in Prenzlauer Berg hat er mit Draht nachgeformt, die Lichterkette an der Pforte zum Friedrichshainer Yaam mit Ton.

So lang und schon so zu. Durch welche Türen wird man auch nach der Pandemie noch gehen können?
So lang und schon so zu. Durch welche Türen wird man auch nach der Pandemie noch gehen können?

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Tür vom Berghain musste Bibo erst googeln, in dem weltbekannten Technoclub war er noch nie. Einige Follower auf Instagram hatten ihn um den Nachbau gebeten. „Die Tür ist optisch nicht besonders spannend“, sagt Bibo. „Das Spannende ist, dass man nicht reinkommt.“ Das könne man aber leider nicht nachbauen. Bibo ist sich sicher, dass das Berghain als „Touri-Schuppen“ die pandemiebedingte Schließung überstehen wird, auch ohne Spenden.

Bei anderen Clubs macht er sich mehr Sorgen. Auch deshalb hat er die Modelle angefertigt, um auf die prekäre Lage der Kulturszene aufmerksam zu machen. Die kleinen Clubtüren sehen empfindlich aus. Nichts deutet auf die Entscheidungshoheit, die sie mal besessen haben.

Die Tür vom Berghain.
Die Tür vom Berghain.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Bibo selbst ist finanziell nicht vom Lockdown betroffen. Er macht eine Umschulung vom Sozialarbeiter zum Mediengestalter. Vielleicht auch ein Grund, warum er bislang alle Kaufanfragen abgelehnt hat und stattdessen eine Ausstellung mit den Modellen plant. „Ich habe viele Nachrichten von obligatorischen Clubgängern bekommen, denen das Feiern fehlt und die gerne ein Modell erwerben wollen.“

Die Tür vom SO36.
Die Tür vom SO36.

© Doris Spiekermann-Klaas

Bibo hatte sich schon vor der Aktion mit den Clubtüren in der Street-Art-Szene einen Namen gemacht. Vor etwa drei Jahren hatte er damit begonnen, leere Zigarettenbüchsen von seinem Vater umzugestalten. Er baute kleine Mini-Appartements in die Dosen. Dann klebte er Zettelchen dazu, auf denen stand: „1200 Euro für 0,1 Quadratmeter“. Ein Protest gegen die steigenden Mieten in Berlin. Er montierte die Dosen mit festem Kleber an Hauswände.

Die Tür vom Lido.
Die Tür vom Lido.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die meisten Büchsen wurden von Touristen mitgenommen

Der Grund, warum er seinen richtigen Namen nicht sagen will. Er weiß nicht, wie legal das ist. „Allerdings habe ich immer nur Hauswände ausgesucht, die auch vorher schon bemalt waren.“ Mehr als 100 Büchsen verteilte er in Berlin. Irgendwann wurden sie fester Bestandteil einer Street-Art-Stadtführung. Heute hängen nur noch ungefähr drei Stück.

Die Tür vom Sisyphos.
Die Tür vom Sisyphos.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die meisten seien von Touristen mitgenommen worden. Einmal erreichte ihn sogar eine Nachricht aus Buenos Aires. Bibo scheint das nicht zu stören. Er nennt das „Mitmach“-Kunst.

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Auf seinem Instagram-Account (@bibostickas) präsentiert er sein Portfolio. Ein Mann ist zu sehen, der mit roten Herzen jongliert und eine Frau in Unterwäsche, auf der mehrfach „love yourself“ steht. Die Umrisse erinnern an die Werke des weltberühmten Street-Art-Künstlers Banksy.

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Bibo moniert: „Bei Street-Art denkt man immer gleich an Banksy, dabei ist der Urvater der Stencil-Kunst eigentlich Blek le Rat.“ Blek le Rat, der mit bürgerlichem Namen Xavier Prou heißt, begann in den 80er Jahren in Paris damit, Ratten an Häuserwände zu sprühen.

Ein Motiv, das auch Banksy heute immer wieder nutzt. Trotzdem haben Banksy und Bibo eine elementare Sache gemeinsam: Sie wollen auf keinen Fall ihr Gesicht im Zusammenhang mit ihrer Kunst irgendwo sehen. Die Türsteher vom Berghain werden nie wissen, dass da jemand vor ihnen steht, der sich schon lange mit der Tür hinter ihnen beschäftigt hat – und damit auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht hat. So kann Bibo nur hoffen, dass seine gute Quote an den Berliner Clubtüren nicht einreißt.

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