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Früher galt als durchaus salonfähig, hinter vorgehaltener Hand aktiv zu werden. Aber es geht auch anders.

© Steinach/Imago

Benimmkolumne: Ist der Zahnstocher am Tisch passé?

Nach dem Essen kommt das große Reinemachen. Richtig oder eklig? Elisabeth Binder gibt Rat.

Im Urlaub mit einer Freundin packte diese jedes Mal nach dem Essen ihren mitgebrachten Zahnstocher aus und fummelte sich (mit vorgehaltener Hand) minutenlang zwischen den Zähnen herum. Das fand ich unmöglich und habe ihr gesagt, dass man das am Tisch nicht macht. Man kann doch bei störenden Resten zwischen den Zähnen kurz auf die Toilette gehen. Sie ist der Meinung, dass man den Zahnstocher am Tisch benutzen darf. Was meinen Sie? (Griet, angewidert)

Manche Regeln und Verhaltensweisen ändern sich im Laufe der Zeit. Der Gebrauch des Zahnstochers bei Tisch scheint mir ein solcher Fall zu sein. Früher wurde das Verhalten Ihrer Freundin nicht nur toleriert, sondern in manchen Restaurants auch noch ermutigt, indem Zahnstocher bereitgestellt wurden. Und es galt als durchaus salonfähig, hinter vorgehaltener Hand die hölzernen Werkzeuge auch in Gesellschaft zum Einsatz zu bringen.

Inzwischen sind die Menschen sensibler geworden. Dafür sollte man ein Gespür entwickeln. Wenn einem dann auch noch gesagt wird, dass dieses Verhalten den oder die anderen stört, sollte man blitzschnell davon Abstand nehmen. Über ein solches Thema kann es eigentlich keinen Streit geben. In dem Moment, in dem jemand zum Ausdruck bringt, dass er sich gestört fühlt, ist die Sache eigentlich schon entschieden. Das gilt selbst dann, wenn irgendwo noch ein alter Benimmführer herumliegt, demzufolge es in Ordnung ist, die Zähne bei Tisch zu traktieren.

Es kommt ja nicht in erster Linie auf Regeln an, sondern auf die anderen Menschen. Wenn man nur zu Zweit im Urlaubsrestaurant ist, spricht doch auch gar nichts dagegen, schnell mal auf die Toilette zu verschwinden. Bei einem formellen gesetzten Dinner mag einen das Überwindung kosten. Aber auch da würde ich unbedingt dazu raten, lieber mal kurz rauszugehen, als den anderen durch den eigenen Anblick den Appetit zu verderben.

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