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Schicker Fahrstuhl am Alexanderplatz. Aber so ein Bauwerk zu errichten, ist oft gar nicht so einfach.

© Imago

Behindertengerechtes Berlin: Teuer und langwierig: Ein neuer Fahrstuhl bei der BVG? Das dauert!

Im besten Fall ist ein Aufzug der U-Bahn nach vier Jahren fertig. Manchmal dauert es aber bis zu zehn Jahre. Warum, erklärt der BVG-Bauchef - und erzählt die Geschichte eines ganz konkreten Bahnhofs.

Wer den Neubau eines Flughafens für kompliziert hält, der sollte sich mal mit Aufzügen befassen. Am besten mit solchen, die nachträglich in einen U-Bahnhof eingebaut werden. Noch immer hat jede dritte Station keinen Lift. Bis 2020 sollen alle nachgerüstet sein, sagt Uwe Kutscher. Als Bauchef der BVG kann er erklären, warum der Bau eines Aufzuges im besten Fall vier Jahre dauert und eine knappe Million Euro kostet. Es können aber auch zehn Jahre und drei Millionen Euro werden.

Exemplarisch für diesen Extremfall ist der Bahnhof Jannowitzbrücke. Um 2005 begann die Planung eines barrierefreien Zugangs für die U8, deren Tunnel hier die Spree unterquert und deshalb besonders tief liegt. Entsprechend lang muss der Aufzug werden, was ihn von vornherein etwas aufwändiger und teurer macht. Schwerer wiegt allerdings, dass sich der U-Bahnhof unter der östlichen Fahrbahn der Brückenstraße befindet. Grübe man sich vom Gehweg vor dem S-Bahn-Eingang an der Ecke Holzmarktstraße abwärts, käme man unten nicht auf dem Bahnsteig an, sondern auf dem Gleis. Umgekehrt würde ein Aufzugsschacht vom Bahnsteig mitten auf der Fahrbahn ankommen.

Der Aufzugschacht würde auf der Straße rausgucken

Als (Not-)Lösung schien sich eine Kombination aus zwei versetzten Aufzügen anzubieten – mit Umstieg in der sogenannten Verteilerebene, wie sie auch andere Bahnhöfe haben: Jenes Zwischengeschoss, das die seitlichen Ausgänge mit dem mittigen Bahnsteig verbindet. An der Jannowitzbrücke existiert eine solche Ebene, die hier allerdings ungenutzt und verschlossen ist. „Aber sie ist nur 2,10 Meter hoch“, sagt Kutscher. „Ein Aufzug inklusive der Technik auf der Kabine ist 2,70 Meter hoch, so dass dann eine Art Buckel aus der Straße ragen würde. Wir müssten dann also das Niveau der gesamten Kreuzung anheben.“

Das klingt ein bisschen wie in Loriots Sketch „Das Bild hängt schief“ – und konnte dann auch verworfen werden, weil bei ohnehin geplanten Straßenbauarbeiten der Gehweg verbreitert werden konnte, was dann doch einen direkten Schacht von dort zum Bahnsteig ermöglicht hat. Nur verlaufen unterm Pflaster an jener Stelle drei Hauptversorgungsleitungen. Also muss mit deren Betreibern über die Umverlegung verhandelt werden, wobei Gas- und Fernwärmerohre im Winterhalbjahr grundsätzlich tabu sind, damit niemand frieren muss.

Aber vor den ersten Bauarbeiten steht ohnehin und nicht nur hier eine Abstimmung mit den Leitungsbetreibern – Vattenfall, Gasag, Wasserbetriebe, Telekom.

Wenn mehrere involviert sind, kann die Umverlegung durchaus zwei Jahre dauern. Für die Umbauten muss außerdem eine Baustelle eingerichtet werden, was die Verkehrslenkung des Senats (VLB) genehmigen muss. Da die VLB bekanntlich völlig überlastet ist, kann vom Antrag bis zur Aufstellung der ersten Baustellenbake laut Kutscher ein halbes Jahr vergehen.

Bevor die BVG für teures Geld fremde Leitungen verlegen lässt, muss natürlich das Gesamtvorhaben geregelt sein. Ein Aufzug benötigt nicht einfach nur eine Baugenehmigung, sondern – wie der Flughafen – einen Planfeststellungsbeschluss. Den erteilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erst, nachdem Träger öffentlicher Belange wie Feuerwehr, Bezirksamt und Polizei angehört wurden. Bahntechnische Aspekte muss wiederum die Technische Aufsichtsbehörde genehmigen, die zur selben Verwaltung gehört.

Hoch hinaus. Uwe Kutscher ist der Bauchef der BVG.
Hoch hinaus. Uwe Kutscher ist der Bauchef der BVG.

© Kai-Uwe Heinrich

Das Geld kommt ebenfalls vom Senat – aber „das liegt dort nicht einfach rum, sondern muss detailliert beantragt werden“, sagt Kutscher. Dazu muss ein Architekturbüro mit der Planung beauftragt werden – wobei die BVG diesen Auftrag je nach Volumen bundes- oder sogar europaweit ausschreiben muss. Deshalb dauere es allein von der Idee bis zum fertigen Finanzierungsantrag rund ein Jahr.

Bei unkritischen Vorhaben kann die BVG mehrere Schritte zeitgleich gehen, bei heiklen – etwa einem Ausstieg nahe einer Feuerwehrzufahrt – tut sie lieber einen nach dem anderen. „Wenn dann ein Einspruch kommt, ist das, als würde jemand die Reset-Taste drücken“, sagt Kutscher. „Dann sind wir um zwei Jahre zurückgeworfen.“

Um das U-Bahn-Netz bis 2020 barrierefrei auszubauen, hat die BVG aus ihren Bauprojektleitern ein eigenes Team gebildet, das sich nur um die Aufzüge kümmert – damit nichts liegen bleibt, nur weil ein Kollege gerade vorrangig eine Tunnelsanierung samt Ersatzbusverkehr zu planen hat. Für die meisten der 67 noch fehlenden Bahnhöfe seien die Planungsaufträge schon vergeben worden, sagt Kutscher. Aber es gebe noch ein paar ganz harte Nüsse wie die Station Hausvogteiplatz mit ihrem nicht einmal fünf Meter breiten Bahnsteig.

„Und am Kurt-Schumacher-Platz sowie am Friedrich-Wilhelm-Platz kann seit Jahren nur deshalb kein Aufzug gebaut werden, weil die Verkehrslenkung eine Ampel ablehnt.“ Die Aufzüge dort kämen nämlich – wie die meisten anderen – auf dem Mittelstreifen der Straße an, so dass Ampeln zur Sicherheit zwingend notwendig seien. Das lehne die VLB ab, weil sich in der Nähe schon welche befinden. Nur ist „in der Nähe“ eben doch arg weit für Fahrgäste, die vom Bahnhof zum Bus eilen wollen.

Natürlich würden die Ampeln für die Aufzüge so getaktet, dass sie keinen Stau erzeugen, sagt Kutscher. Aber ohne die VLB gehe es eben nicht. Wenn die Berliner U-Bahn also doch nicht bis 2020 barrierefrei ist, soll es zumindest nicht an ihm gelegen haben.

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