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Bremsspuren bei den Investitionen meldet der BBU - das könnte Klimaziele gefährden.

© Andrea Warnecke/dpa

Update

BBU-Bilanz für Berlin: Ein Viertel mehr Wohnungen gebaut – soziale Vermieter investieren wie nie

Die Firmen des größten Wohnungsverbands in der Region stellten 2020 knapp 6800 Wohnungen fertig. Doch die Genehmigungszahlen sind katastrophal.

Gute Nachrichten und schlechte Stimmung beim größten Wohnungsverband Berlins und Brandenburgs, dem BBU. Wie dessen Chefin Maren Kern am Dienstag mitteilte, stellten die Unternehmen des BBU-Verbandes 6792 Wohnungen im vergangenen Jahr fertig, mehr als im Boomjahr 1997 (6394). Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Plus von fast einem Viertel (24,3 Prozent). In den vergangenen zehn Jahren seien so viele Wohnungen in Berlin gebaut worden wie im Stadtteil Weißensee insgesamt stehen.

Rekorde gab es auch bei der Höhe der Investitionen: 2,854 Milliarden Euro seien verbaut worden, 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr und so viel wie in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr.

Grund zum Feiern sieht die Verbandschefin trotzdem nicht. Denn die Stimmung bei den Unternehmen sei wegen der Einführung und Wiederaussetzung des verfassungswidrigen Mietendeckels sowie dem bislang erfolgreich angelaufenen Mietenvolksentscheid ("Deutsche Wohnen & Co. enteignen") miserabel bei den Verbandsmitgliedern.

Die Politik habe viel "Vertrauen verspielt". Die bisherigen Erfolge seien Ergebnis früherer Anstrengungen. Dies sei auch an der Entschleunigung des Investitionswachstums erkennbar: Das Plus von 4,4 Prozent sei so schwach wie seit sieben Jahren nicht mehr - und ein böses Vorzeichen für Kommendes.

Kassandrarufe trotz Rekorden – das lässt sich durch eine Besonderheit des Wohnungsmarktes erklären: Von der Planung einer neuen Wohnung bis zum Einzug eines Haushaltes in das fertig gestellte Haus vergehen sehr viele Jahre. Zunächst braucht es für den Plan eine amtliche Genehmigung zur dessen Realisierung. Und wenn das Amt dem Plan zustimmt, dann dauert es in der Regel gut zwei Jahre bis Baugrube ausgehoben, Wände gemauert und alle anderen Gewerke das Haus fertig gestellt haben. Wer also Prognosen zur Zukunft des Wohnungsangebots stellen will in der kommenden Zeit, schaut sich daher die Zahl der genehmigten Wohnungen an.

Zahl der Genehmigungen um 18 Prozent zurückgegangen

Und eben diese ist - bezogen auf ganz Berlin und nicht nur auf die erfolgreichen im BBU organisierten Firmen - katastrophal: Seit 2016 – ziemlich genau mit dem Dienstantritt des nun scheidenden Senats und seiner links geführten Bauverwaltung – geht es zurück mit der Zahl der genehmigten Wohnungen: um 18,4 Prozent insgesamt. Im ersten Halbjahr 2021 lag das Minus sogar noch höher bei 28,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Nun hat sich dieser stetige Rückgang bei den genehmigten Neubauwohnungen erstmals auch auf die Zahl der in Berlin insgesamt fertig gestellten einzugsbereiten Wohnungen niedergeschlagen: Und erstmals seit 14 Jahren kamen im vergangenen Jahr weniger Wohnungen auf den Markt – und zwar 14 Prozent weniger.

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Widerlegt scheinen damit Stimmen, wonach das Verhältnis so eindeutig nicht sei und dass es auch einen Berg Zehntausender früher genehmigter aber nicht gebauter Wohnungen gebe. Zumal das immer noch bestehende Wachstum bei BBU-Mitgliedsunternehmen zu einem guten Teil getragen ist von den landeseigenen Wohnungsgesellschaften, die von Rot-Rot-Grün großzügig bedient wurden mit landeseigenem Bauland. "Die soziale Wohnungswirtschaft wächst in Berlin", sagt deshalb Kern.

Für die Politik bedeutet der zeitliche Gap zwischen Genehmigungen und zum Einzug bereiten, fertig gestellten Wohnungen am Markt: Die Rekordzahlen bei den Fertigstellungen sind zu guten Teilen Erfolge der großen Koalition vor der Rot-Rot-Grün-Legislatur. Und der kommende Senat wird ausbaden müssen, was die düsteren Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen verheißen. Denn die BBU-Chefin sagt auch, dass große Teile der Branche nicht mitgenommen werden von diesem Senat. Nicht einmal die Genossenschaften, die für günstige Mieten und keine Wohnungsverkäufe seit 100 Jahren bekannt sind.

Baulandverkauf an Genossenschaften

"Der Senat sollte Genossenschaften Bauland verkaufen und nicht nur verpachten", fordert Kern deshalb. Deren Wohnungen seien "langfristig gemeinwohlorientiert gebunden", also günstig. Sollte das Land dennoch Verkäufe befürchten, könne es sich ein Vorkaufsrecht für diesen Fall im Grundbuch sichern.

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Förderungen von Genossenschaften liegt eher auf Linie der Grünen. Den Vorstoß von deren Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bewertet der Verband zwiespältig: "Man will ins Gespräch kommen, das liegt auf meiner Linie", sagte Kern. Aber: Dass die Grünen notfalls mit Enteignungen Druck ausüben wollen, das sei negativ. Man habe sich "mehr Offenheit" erwartet.

Erste Reaktionen von der Industrie- und Handelskammer hoben die düsteren Vorzeichen hervor: "Das vom BBU aufgezeigte niedrigste Investitionswachstum seit sieben Jahren zeigt deutlich, dass nicht nur die private Wohnungswirtschaft unter der fehlgeleiteten Wohnungspolitik des Senats leidet, sondern auch der soziale Wohnungsbau. Vor allem dringend notwendige Investitionen in die Modernisierung nahmen um zwölf Prozent ab", sagte Geschäftsführer Jörg Nolte.

Wenn die Politik nicht umschwenke "und die Wirtschaft endlich als Partner statt als Gegner begreift", würden sich die aktuellen Probleme am Wohnungsmarkt weiter verschärfen. Darunter würden nicht nur die Berliner:innen leiden, sondern auch die Erreichung der Klimaschutzziele im Lande seien dann gefährdet.

Berlin Senator für Wohnen Sebastian Scheel (Linke) sagte auf Anfrage: "Die Frage des Wohnungsneubaus hat viele Jahre lang kaum eine Rolle in Berlin gespielt. Darum verstehe ich und teile sogar den Verdruss, wenn es manchen nicht schnell genug geht." Tatsache bleibe es trotzdem: "Es wurde in dieser Legislatur mehr gebaut und mehr genehmigt als unter dem Vorgängersenat." Außerdem habe R2G die Grundlagen dafür geschaffen, dass "der Wohnungsmotor auch über diese Legislatur hinaus weiter auf Hochtouren laufen kann."

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