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Mieter in der denkmalgeschützten Karl-Marx-Allee protestieren gegen den Verkauf von rund 700 Wohnungen an den umstrittenen Investor Deutsche Wohnen.

© imago/Christian Mang

Update

Karl-Marx-Allee in Berlin: Baustadtrat: Spekulationsverkauf hat begonnen

Eine Wohnung an der Berliner Karl-Marx-Allee wird für 1,1 Millionen Euro angeboten. Der Mieter hat laut Maklerbüro sein Vorkaufsrecht wahrgenommen.

Rund 1,1 Millionen Euro soll die „Paradewohnung“ mit Terrasse an der Karl-Marx-Allee 91 kosten, inklusive Makler- und Notargebühren. Dabei hat sie nur drei Zimmer und 137 Quadratmeter. „Der Wahnsinn beginnt schon. Wohnungen aus den verkauften Blöcken werden auf dem Spekulationsmarkt weiterverkauft“, twitterte am Sonntag der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne) .

Das Inserat auf Immobilienscout24.de war den Mietern aufgefallen, die gegen den Verkauf ihrer Häuser an die Deutsche Wohnen kämpfen. Am Sonntag demonstrierten rund 100 Mieter vor dem Willy-Brandt-Haus an der Stresemannstraße, der SPD-Bundeszentrale. „Enteignen!“ forderten die Teilnehmer in Sprechchören und prangerten die „Geschäftspraktiken“ des Konzerns Deutsche Wohnen an, darunter „spekulative Verkäufe“. Die Deutsche Wohnen hat im November vier Blöcke mit rund 700 Wohnungen an der Allee erworben.

Gegenüber der Parteizentrale der SPD in der Stresemannstraße protestierten am Sonntag Mieter der Karl-Marx-Allee.

© Thomas Loy

Deutsche Wohnen-Sprecherin Manuela Damianakis wies die Vorwürfe zurück. Die Wohnungen an der Karl-Marx-Allee seien nicht im Vertrieb. Sie sollen im Bestand gehalten werden, wie das Unternehmen schon im November betont hatte. „Die historischen Bauten an der Karl-Marx-Allee passen sehr gut in unseren Bestand, da wir außergewöhnlich viel Erfahrung mit der Bewirtschaftung denkmalgeschützter Immobilien haben.“ Denkbar sei jedoch, dass der Mieter der angebotenen Wohnung sein Vorkaufsrecht bereits genutzt habe und die Deutsche Wohnen gar nicht zum Zuge kam, sagte Damianakis.

Nun stellt sich heraus: Der Mieter der Wohnung, der in selbiger auch wohnt, nutzt hat Vorkaufsrecht genutzt und verkauft die Wohnung. Das teilte das Maklerbüro am Sonntagabend mit.

Treuhandmodell versus individuelle Hilfen

Mietersprecher Norbert Bogedein hatte zuvor Zweifel geäußert. Die Wohnung stehe leer, so Bogdein.

Mietersprecher Thomas Bogedein misstraut den Versprechungen der Deutsche Wohnen.

© Thomas Loy

Bezirk und Senat ringen unterdessen weiter um eine Lösung für die Mieter von rund 620 Wohnungen. Während Florian Schmidt ein Treuhandmodell vorschlägt, in dem eine städtische Wohnungsbaugesellschaft stellvertretend für die Mieter als Käufer auftritt, favorisiert Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) individuelle Finanzhilfen für jeden Mieter, der seine Wohnung kaufen will, aber das nötige Geld nicht parat hat.

In einem Schreiben an Schmidt hatte Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof starke Zweifel an einem treuhänderischen Modell geäußert. Schmidt müsse darstellen, wie der „administrative Transaktionsaufwand, der bis 5. Januar 2019 zu leisten sein würde“ bewältigt werden soll und wie hoch die Transaktionskosten wären. Bei einem Weiterverkauf an eine Wohnungsbaugesellschaft fielen möglicherweise zwei Notarverträge und die doppelte Grunderwerbssteuer an.

Zweites Gutachten soll bis Dienstag vorliegen

Zu den komplizierten Rechtsfragen liegt ein Gutachten vor, ein zweites soll bis Montag fertig sein und Grundlage für eine Senatsentscheidung am Dienstag sein. Die Zeit drängt. Schmidt twitterte, es würden weitere Alternativlösungen erarbeitet, zudem lägen „Unterstützungsangebote von Dritten vor, mit denen ich nicht gerechnet habe“. Von den vier Blöcken, die die Deutsche Wohnen an der Allee erworben hat, steht einer im Milieuschutzgebiet, hier hat der Bezirk ein Vorkaufsrecht.

In den anderen Blöcken wurden die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt, hier können die Mieter laut Norbert Bogedein ihre vier Wände für 150.000 bis zu 300.000 Euro erwerben. Aber nur, wenn sie vor der Umwandlung bereits dort Mieter waren. Rund 60 Mieter hätten daher kein Vorkaufsrecht, hinzu kämen rund 40 leerstehende Wohnungen. Für ein Treuhandmodell würde es aber reichen, wenn 80 Prozent der Mieter mitmachten. Sudhof hält diese Zahl für unrealistisch. Nicht mal 50 Prozent der Mieter würden von einem Treuhandmodell erreicht.

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