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In letzter Zeit häufen sich Unfälle zwischen Autos und Radfahrern. Sie enden oft mit schweren Verletzungen der schwächeren Verkehrsteilnehmer.

© dpa

Fahrradunfälle in Berlin: Autofahrer zu oft ahnungslos am Steuer

Täglich gibt es Konflikte zwischen Radlern und Autofahrern, häufig mit Verletzten. Weil sie die Regeln nicht kennen, sagen die Grünen.

Von Fatina Keilani

Angesichts der Häufung von Fahrradunfällen in den vergangenen Tagen fordern die Grünen eine Aufklärungskampagne. „Vielen Autofahrern ist gar nicht bekannt, dass Radfahrer auf der Straße fahren dürfen, und zwar auch mitten auf der Fahrbahn“, sagte ihr Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar am Mittwoch.

Der Neuköllner Piraten-Politiker Steffen Burger war am Montag von einem Autofahrer so stark verprügelt worden, dass seine Gesichtsverletzungen genäht werden mussten. Auslöser war offenbar gewesen, dass Burger relativ weit links auf der Fahrbahn der Hasenheide unterwegs gewesen war – nach eigener Angabe, um nach rechts genügend Abstand zu den geparkten Autos zu halten. Denn wenn eine Autotür von innen geöffnet wird und es zur Kollision kommt, trifft den Radfahrer eine Mitschuld.

Obwohl sich Burger also demnach korrekt verhielt, provozierte er damit offenbar den Autofahrer, der ihn erst sehr nah überholte, dann über eine längere Strecke verfolgte, dann an der roten Ampel kurz vor dem Rathaus Neukölln ausstieg und auf Burger einprügelte. Laut Polizei erstattete nicht nur Burger Anzeige, sondern auch der Autofahrer – Burger wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung, der Autofahrer wegen Beleidigung und Sachbeschädigung, denn sein Seitenspiegel war beschädigt. Der Autofahrer brachte laut Polizei vor, er habe sich durch Burger behindert gefühlt.

Diese Art Taten werden in der Statistik nicht separat erfasst, das heißt, sie firmieren dann eben unter Beleidigung oder Körperverletzung, aber der Aspekt Aggressivität im Straßenverkehr fällt weg. Es lässt sich daher weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft in Erfahrung bringen, ob es eine Zunahme der strafrechtlich relevanten Konflikte zwischen Autofahrern und Radfahrern gegeben hat. Gefühlt sei das aber der Fall, sagte Nikolas Linck, Sprecher beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). In der wachsenden Stadt nehme der Verkehr allgemein zu, der Radverkehr besonders – und die schlechte Fahrradinfrastruktur begünstige Konflikte. Gerade erst sei er selbst auf dem Kottbusser Damm heftig abgedrängt worden.

Die wenigsten wollen einander schädigen - sie sehen einander bloß oft nicht

Im Fall Burger wird die Sache nach Angaben einer Polizeisprecherin jetzt ausermittelt und dann der Staats- oder Amtsanwaltschaft übergeben. Was weiter geschehe, werde dort entschieden. Gerichtsfest zu beweisen, dass etwa ein Autofahrer den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zum Radler nicht eingehalten hat, sei allerdings schwierig, sagte die Sprecherin. Die Polizei biete bereits, was die Grünen fordern, nämlich Präventionsveranstaltungen für Berufskraftfahrer, junge Erwachsene und Senioren.

Unfallforscher Siegfried Brockmann sieht viele Möglichkeiten, das Unfallpotenzial zu senken. „Dort, wo es noch Radwege gibt, müssen sie an Kreuzungen so verschwenkt werden, dass die Teilnehmer einander sehen können“, sagte Brockmann. „Die allerwenigsten Menschen wollen einander bewusst schädigen. Es kommt also darauf an, dass sie einander wahrnehmen und auch die Signale des anderen verstehen können.“ Ein Radfahrer könne zum Beispiel sein Verhalten auch anpassen, wenn er sehe, dass ein Lkw-Fahrer an der Ampel blinkt und das Lenkrad einschlägt. Verletzter Sicherheitsabstand sei nur selten die Unfallursache; häufiger komme es beim Abbiegen an Kreuzungen zur Kollision, und beim Verlassen von Grundstücken aus Ausfahrten.

Im Online-Forum des Tagesspiegels und auf Twitter ging es am Mittwoch hoch her. Radfahrer schilderten ihre Leiden im Alltag und posteten Fotos von Negativbeispielen: schlimme oder zugeparkte Radwege, Erlebnisse mit Autofahrern und immer wieder deren Unwissen. Vielleicht wäre eine Verstärkung der Fahrrad-Staffel der Polizei sinnvoll, regte Gelbhaar an. Bei der Polizei konnte niemand etwas Konkretes dazu sagen. Die Radlerperspektive kennt man dort jedenfalls auch in der Chefetage: Polizeipräsident Klaus Kandt ist passionierter Rennradfahrer.

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