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Ausstattung wie anno dazumal: Die fünf großen Baustellen der digitalen Verwaltung

Berlins Behörden haben bei der Digitalisierung noch einen weiten Weg vor sich. Wie die Parteien diese Herausforderungen sehen – und sie angehen wollen.

1. Fehlende Zentralisierung

Die Zielstellung der Koalition war eindeutig: Damit die Verwaltung digitalisiert werden kann, braucht es eine „umfassende und konsequente Standardisierung der Informations- und Kommunikationstechnologie“. Fünf Jahre später ist davon wenig zu spüren, auf Landesebene genau wie in den Bezirken. Von „Technik-Zoos“ ist die Rede, wenn über die Vielzahl verschiedener Hardware-Nutzungen in Verwaltungseinheiten gesprochen wird. Von den Fachverfahren, also den zur Datenverarbeitung genutzten Programmen, ganz zu schwiegen.

Eine Zentralisierung ist kaum zu erkennen, auch weil das IT-Dienstleistungszentrum ITDZ die in die Einrichtung gesetzten Hoffnungen kaum erfüllt. Hinzu kommt: Aktuell teilen sich die Verantwortung für die Digitalisierung die Senatsverwaltungen für Inneres und Wirtschaft sowie die Senatskanzlei. Ein Agieren aus einem Guss ist so kaum möglich.

Ändern wollen das alle Parteien, auch diejenigen, die aktuell in Verantwortung stehen. Die SPD fordert neben der landesweiten Koordinierung eine „Stabsstelle Digitalisierung“ in jeder Behörde, die Grünen eine „zentrale Steuerungsstruktur, die mit Durchgriffsrechten, Ressourcen und Budget ausgestattet ist“. Die Linke wiederum spricht dem ITDZ eine „Schlüsselrolle“ zu und wirbt für bessere personelle Ausstattung und Finanzierung. Die CDU will eine Senatsverwaltung für Personal, Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung einrichten, die FDP den 2017 erstmals geschaffenen Posten des IT-Staatssekretärs stärken.

2. Fehlendes Know-How

Eine der schmerzhaftesten Niederlagen dieser Legislatur: Die Umstellung der mehr als 80.000 Verwaltungsrechner auf das Betriebssystem Windows 10. Die mehr als einjährige Verspätung kostete das Land mehrere Hunderttausend Euro. Der Fall zeigt: In den vergangenen Jahren hat sich kaum etwas verbessert. Schon das letzte großflächige Update auf ein neues Betriebssystem – damals noch auf Windows XP – konnte nicht termingerecht abgeschlossen werden. Beides ist peinlich – und teuer.

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Um Abhilfe zu schaffen, will die Linke „Daten-Lots:innen“ einstellen und umfassende Weiterbildungsangebote für die Beschäftigten in der Verwaltung und bei öffentlichen Unternehmen machen. Auch SPD und CDU wollen bei der Personalentwicklung die Weiterbildung stärken. Die Grünen fordern einen „Digitalisierungs-Check“ für neue Vorschriften, die FDP will hochqualifizierte Fachkräfte in der IT durch außertarifliche Bezahlung in die Verwaltung locken.

3. Fehlende Technik

Richtig ist: Corona hat die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Aller Anfang war schwer. Als im Frühjahr 2020 Tausende Behördenmitarbeiter:innen von einem Tag auf den nächsten nicht mehr ins Büro durften, wurden technische Mängel offensichtlich. Sichere Internetzugänge, mobile Rechner, Diensthandys – all das war Mangelware, und in der Not griffen Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen nicht selten auf private Geräte zurück – auf Kosten der Sicherheit.

Die Situation verbessert sich nur langsam. Zwar wurden 10.000 Rechner für die Bezirke gekauft und auch die Zahl der sicheren Internetzugänge wurde deutlich erhöht, noch immer liegt die Quote der Homeoffice-fähigen Mitarbeiter:innen aber weit unterhalb von 50 Prozent. Die Inbetriebnahme der neuen Hardware dauerte Monate, auch weil technische Voraussetzungen in Bezirken fehlten – teils sogar komplett. Für eine bessere Ausstattung der Behörden sprechen sich alle derzeit im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien aus. Im Wahlprogramm der FDP heißt es sogar, die Ausstattung erinnere „zuweilen noch an das Kaiserreich“.

4. Fehlende Kooperation

Berlin ist voller erfolgreicher IT-Unternehmen, warum nicht von ihnen profitieren? Auf den ersten Blick ist da etwas dran. Technisch und administrativ kämpfen Behörden mit Problemen, die Tech-Unternehmen gefühlt vor Jahrzehnten gelöst haben.

Zeitgleich hadern die Firmen mit gelähmten Behörden. Praktisch wiederum ist von Kooperation nicht viel zu spüren. Im Zuge der Pandemie soll es sogar konkrete Angebote gegeben haben, die im Sande verliefen. Es fehlt die Mentalität, auch als Behörde etwas zu wagen (siehe oben). Rechtssicherheit ist richtig und wichtig, sagen jene, die nah an den Prozessen dran sind. Sie dürfen aber pragmatische Vorgehensweisen nicht unmöglich machen. Genau das ist zu oft der Fall.

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Um das zu ändern, wollen SPD und Linke das CityLab Berlin, eine Art landeseigene Innovationsagentur, die der Verwaltung digitale Lösungen näherbringen soll, stärken. Die FDP setzt sich für eine verstärkte Kooperation mit aufstrebenden Unternehmen ein, die mit der Digitalisierung staatlicher Dienstleistungen ihr Geld verdienen.

5. Fehlende Digitalisierung

Nicht nur Mitarbeiter:innen, auch Bürger:innen leiden unter der fehlenden Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen. Ob für die Anmeldung einer Wohnung oder die Beantragung eines Personalausweises: Noch immer müssen beinahe alle Behördengänge analog erledigt werden, inklusive langer Wartezeiten auf einen Termin und vor Ort. Das soll sich – da sind sich alle Parteien einig – ändern.

Während die Linke Behördengänge über das Servicekonto digital ermöglichen will, fordern Grüne und CDU ein digitales Bürgeramt, die FDP spricht von einem „digitalen Rathaus“. Die SPD will bereits vorhandene Service-Angebote stärken, die AfD Online-Antragsverfahren beschleunigen.

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