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Rote Backsteinfassade des Rathauses Berlin-Lichtenberg, mit geschwungen altertümlichem "Rathaus"-Schriftzug am Tor.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ausschließlich Männer haben entschieden: Bezirksamt Lichtenberg will Frauenpreis nicht an linke Politikerin verleihen

Das rein männliche Bezirksamt in Lichtenberg hat die Kandidatin für den diesjährigen "Frauen*preis" abgelehnt - eine Linkspolitikerin, die für das Abgeordnetenhaus kandidiert. 

In diesem Jahr wird es im Bezirk Lichtenberg keinen "Frauen*preis" geben - das Bezirksamt hat die von einer Jury ausgewählte Kandidatin abgelehnt. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des noch jungen Preises, der 2017 ins Leben gerufen wurde. Durch den Preis gewürdigt werden sollen Frauen aus dem Bezirk, die sich in besonderer Weise für die Rechte von Frauen und Mädchen, für Chancengleichheit und Gleichstellung einsetzen. 

Die acht Vorschläge kamen aus der Bevölkerung. Danach hatte eine Jury Claudia Engelmann ausgewählt, die für ihr ehrenamtliches Engagement im Bezirkselternausschuss von einer Gruppe Eltern vorgeschlagen wurde. 

Engelmann selbst gehört zu den alleinerziehenden Frauen in Lichtenberg mit zwei Kindern im Schulalter, die von einer körperlichen Einschränkung betroffen sind, sie selbst hat eine chronische Krankheit. Die Kinder hatte sie mit ihrer Frau bekommen und per Stiefkindadoption angenommen. "In Ihren Augen gehört der Bezirk den Menschen die hier leben, in all Ihrer Buntheit, mit all Ihren Lebensentwürfen und unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen", schreiben die Eltern in der Nominierung. 

Bezirksamt will sich nicht zu den Gründen äußern

Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury unter dem Vorsitz des Bezirksbürgermeisters Michael Grunst (Linke). "Sie setzt sich aus Mitgliedern des Bezirksamts, der Bezirksverordnetenversammlung und der Zivilgesellschaft zusammen", heißt es in dem Aufruf.

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Der Ablauf ist allerdings etwas anders: Die endgültige Entscheidung obliegt dem Bezirksamt. Grunst legt die Juryentscheidung diesem zur Abstimmung vor. Der diesjährige Vorschlag hat jedoch "keine Mehrheit gefunden", wie die Pressestelle des Bezirksamts auf Nachfrage bestätigt. Den Namen der abgelehnten Kandidatin und eine Begründung wollte man nicht nennen. 

Aus politischen Gründen Preis verweigert?

"Engelmann ermutigt Frauen und Mädchen, ihre Stimme zu erheben und an Diskussionen teilzunehmen", sagt eine Frau aus der Elterngruppe dem Tagesspiegel. Bei ihr könne man keine klaren Grenzen ziehen zwischen ehrenamtlichem Engagement und politischer Arbeit. Engelmann ist aktive Bezirksverordnete für die Linksfraktion und Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses.

Claudia Engelmann von der Linksfraktion in Lichtenberg wurde für den "Frauen*preis" abgelehnt. 

© privat

War Engelmann also parteipolitisch zu engagiert für den "Frauen*preis"? Engelmann wurde, nachdem sie von der Jury für den Preis nominiert wurde, von den Linken zur Direktkandidatin für das Abgeordnetenhaus des Wahlkreises Fennpfuhl gewählt

Das Bezirksamt, das Engelmann nun für den Preis abgelehnt hat, besteht ausschließlich aus Männern, da Stadträtin Katrin Framke (parteilos, für die Linke) seit Sommer 2020 krank ist. Das Bezirksamt gibt dazu keine Auskunft und auch nicht darüber, wie lange CDU-Stadtrat Martin Schäfer sie noch vertreten soll. 

Neben Schäfer besteht das Bezirksamt aus den Stadträten Kevin Hönicke (SPD) und Frank Elischewski (AfD). Die Pressestelle des Bezirksamts schreibt auf Nachfrage, keine Auskünfte zum Abstimmungsverhalten oder der Diskussion mitteilen zu dürfen - es gebe hier eine Verschwiegenheitspflicht. Eine offizielle Begründung der Ablehnung gibt es nicht. Auch Engelmann hat keine Nachricht aus dem Rathaus erhalten - und wollte sich auf Nachfrage zunächst nicht dazu äußern.

Grunst selbst soll für Engelmann gestimmt haben. Das sagt die Linksfraktion in einer Mitteilung. Die in Lichtenberg größte Fraktion spricht nach der Ablehnung ihres Mitglieds Engelmann von einem "Skandal" und schreibt: "Formale Gründe können es nicht sein. Damit ist klar, dass es also eine Allianz von 3 Männern aus SPD, CDU und AfD gibt, welche gemeinsam das Votum einer legitimierten Jury inhaltlich in Frage stellen." Man erwarte von den Stadträten, dass sie sich zu den Gründen der Ablehnung äußern. 

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Der "Lichtenberger Frauen*beirat" ist empört. Sprecherin Ulrike Leyh sagt: "Es ist ein Skandal, dass ausschließlich männliche Stadträte nach einem Nominierungsverfahren und einer Juryentscheidung unbegründet die Preisträgerin ablehnen." Der Frauenpreis würde dadurch nachhaltig stark beschädigt und die Menschen, die Nominierungen einreichen als überflüssig erklärt. "Wir vermuten allein parteipolitische Interessen in der Blockade der Stadträte, wodurch die Anerkennung und Wertschätzung der Frauen* kaputt gemacht wird. Darum fordern wir die sofortige Rücknahme der Entscheidung und eine schriftliche Begründung der Stadträte.“

Neben den Berliner Bezirken verleiht auch die Stadt Berlin einen Frauenpreis. Der ging in diesem Jahr an Astrid Landero. Auch sie ist für die Linke parteipolitisch aktiv - und kandidiert für die Bezirksverordnetenversammlung Pankow. 

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