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Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde hat bald ausgedient. Schnellere Zugverbindungen sollen beim Strukturwandel helfen.

© Christoph Soeder/dpa

Ausbau ohne Tempo: Bahnprojekte in der Lausitz kommen kaum voran

Die Lausitz soll als Ausgleich für den Kohleausstieg bessere Bahnverbindungen bekommen. Es werden nun weniger als versprochen.

Zwei Bundesminister, zwei Ministerpräsidenten und zwei Vorstände der Deutschen Bahn waren dabei, als Mitte September 2020 in der Lausitz das erste große Vorhaben des Strukturstärkungsgesetzes offiziell gestartet wurde. Die Tagebau-Region soll als Ausgleich für den Kohleausstieg unter anderem bis 2023 das modernste und größte Bahn-Werk Europas bekommen.

Die Deutsche Bahn will künftig in Cottbus nicht nur ihre ICE 4-Flotte in einer 400 Meter langen Halle warten, sondern nebenan auch klimaschädliche Diesel- zu Hybridloks umrüsten, die auch mit Strom fahren können. Außerdem soll ein Verwaltungs- und Technologiezentrum entstehen, um neue Antriebe zu erforschen.

Zudem hat die Politik einen umfassenden Ausbau besonders der Schieneninfrastruktur versprochen. Die Bahnverbindungen in der Grenzregion zu Polen sind beklagenswert dürftig, es gibt seit Jahrzehnten gewaltigen Nachholbedarf.

Nach Informationen des Fahrgastverbands Pro Bahn wurden nun offenbar jedoch wichtige Vorhaben gestrichen. „Wir sind sehr enttäuscht über die Ergebnisse der Verhandlungen“, sagt Peter Cornelius, Vorsitzender des Landesverbands Berlin-Brandenburg.

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Demnach seien bei der Strukturentwicklung der Lausitz, für die bis 2038 zweistellige Milliardensummen aus den Steuerkassen fließen sollen, weder der Ausbau der Strecken Cottbus-Dresden und Cottbus-Leipzig für Tempo 160 vorgesehen noch die Elektrifizierung der Verbindung Cottbus-Forst.

ICE-Strecke ohne ICE-Züge

Übrig geblieben seien lediglich ein teures Großprojekt mit fraglichem Nutzen und zwei nicht zu Ende gedachte Vorhaben. So soll weiterhin die Strecke Berlin-Cottbus-Görlitz durchgehend zweigleisig und elektrifiziert für Tempo 200 ausgebaut werden. Der Ausbau für mindestens Tempo 160 und „optional 200 km/h“ soll Ende der 2020er Jahre starten. Diese geplante ICE-Trasse werde aber die Hälfte der Finanzmittel binden, die für die Bahnprojekte zur Verfügung steht, kritisiert der Verband.

Die Folge: Das Geld fehlt an anderer Stelle für den Ausbau in der Fläche. Der Fahrgastverband hält einen Ausbau der Trasse für Tempo 160 zunächst für ausreichend. Das dafür nötige noch fehlende zweite Gleis zwischen Lübbenau im Spreewald und Cottbus werde Ende 2027 endlich zur Verfügung stehen. Zudem müssten die Strecke zwischen Berlin/Grünauer Kreuz nach Königs-Wusterhausen sowie der dortige Bahnhof noch ertüchtigt werden.

Pro Bahn bezweifelt, dass sich der geplante Ausbau für Tempo 200 zwischen Berlin, Cottbus und Görlitz auszahlt. Aktuell sei weder eine mehrmals täglich verkehrende ICE-Linie der DB absehbar noch sei es wahrscheinlich, dass auf Brandenburger Regionalexpress-Linien künftig schnellere und viel teurere Züge als bisher eingesetzt werden. Zudem seien nennenswert kürzere Fahrzeiten auch vom und zum Flughafen BER ab Cottbus nur ohne Zwischenhalt zu erreichen.

Strukturwandel. Über neue Strecken in der vom Kohleausstieg betroffenen Lausitz müssten sich Brandenburg und Sachsen verständigen. Gelungen ist das bisher nicht.
Strukturwandel. Über neue Strecken in der vom Kohleausstieg betroffenen Lausitz müssten sich Brandenburg und Sachsen verständigen. Gelungen ist das bisher nicht.

© Jan Woitas/dpa

Angesichts der bisherigen Planungen im Strukturstärkungsgesetz wirke das jetzige Ergebnis nicht mehr wie ein Programm, das den Bahnverkehr in der gesamten Kohleregion weitreichend verbessern werde, kritisiert Pro Bahn. Auch das Vorhaben des Verkehrsverbundes Oberelbe, die Dresdner S-Bahn via Kamenz bis Senftenberg in die Lausitz zu führen, lasse sich mit derart lückenhaften Projekten zur Elektrifizierung nicht umsetzen.

Sachsen und Brandenburg bevorzugen eigene Projekte

Die bundeseigene DB Netz reagierte auf Anfrage zur Streichung von Bahnprojekten nur ausweichend. Man verfolge die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern auf Grundlage des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen aufmerksam. „In die Umsetzung der Projekte bringen wir uns aktiv ein“, erklärte eine Sprecherin. Über den Ausbau der Bahnstrecken in der Lausitz müssen sich vor allem Brandenburg und Sachsen verständigen.

Die Mittel aus dem Strukturstärkungsgesetz sind begrenzt. Brandenburg bekommt 6,7 Milliarden Euro, um deren Verwendung wie im Freistaat heftig gerangelt wird. Das Land werde zunächst zehn Schienenprojekte finanzieren, erklärte eine Sprecherin von Infrastrukturminister Guido Beermann(CDU).

Der Ausbau der wichtigen länderübergreifenden Strecken Cottbus-Leipzig sowie Cottbus-Dresden sei im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes aber „nicht vorgesehen“, so das Ministerium in Potsdam. Die ausgebaute Verbindung Cottbus-Forst soll dagegen bis 2031 in Betrieb gehen. Der Ausbau Cottbus-Görlitz für „mindestens 160 km/h“ sei bisher erst grob bis 2041 geplant.

Bundesmittel für die Lausitz sind nicht ausgeschöpft

Weder für die Strecke nach Leipzig noch nach Dresden sei über Ausbau und Finanzierung entschieden, erklärte das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage von Tagesspiegel Background. Bis 2038 sollen bis zu 40 Milliarden Euro Strukturhilfen in die drei vom Kohleausstieg betroffenen Reviere am Rhein, in Mitteldeutschland und in der Lausitz fließen, davon bis zu 14 Milliarden direkt an die Länder.

Bis zu 26 Milliarden kommen vom Bund unter anderem für Verkehrsprojekte. Nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen soll ein Bund-Länder-Koordinationsgremium (BLKG) die Maßnahmen bestimmen, über die Finanzierung entscheidet letztlich der Bundestag.

Das BMVI betont, dass die Mittel für die Lausitz „noch nicht in Gänze ausgeschöpft“ seien. Zudem könnten wichtige Bahnprojekte auch anderweitig finanziert werden. Über die Vorhaben in der Lausitz sollen sich Brandenburg und Sachsen verständigen, was bisher offenkundig bei den genannten Strecken, die sie verbinden, nicht gelungen ist.

Bisher seien von Brandenburg zehn und vom Freistaat drei Schienenprojekte priorisiert und im BLKG beschlossen worden, so das BMVI. Darunter sind mit der Hauptverbindung Berlin-Cottbus-Weißwasser-Görlitz und der Strecke Graustein-Spreewitz nur zwei gemeinsame Vorhaben.

Brandenburg will die Strukturförderung unter anderem für die Knoten Falkenberg und Ruhland, die Bahnhöfe Königs-Wusterhausen und Lübbenau sowie die Strecken Lübbenau-Cottbus, Berlin-Grünau-Königs Wusterhausen, Cottbus-Forst und Cottbus-Falkenberg gen Leipzig nutzen. Sachsen priorisiert als drittes Vorhaben Arnsdorf-Kamenz-Hosena.

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