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Klassenfeind läuft mit: Auch Wowereit kam zum Gewerkschaftsmarsch

Beim traditionellen Gewerkschaftsmarsch war auch Bürgermeister Klaus Wowereit dabei. Nicht allen Protestlern passte das.

Klaus Wowereit kann machen, was er will, wann immer der Regierende Bürgermeister gestern beim traditionellen Berliner Gewerkschaftsmarsch am 1. Mai für die Fotografen posiert, stellen sich protestierende Polizisten hinter den leger gekleideten SPD-Politiker. „Herr Wowereit – wir wollen nicht die am schlechtesten bezahlten Beamten Deutschlands sein“, steht in Anspielung auf die Sparpolitik des Senats auf dem Transparent der Gewerkschaft der Polizei.

Wowereit hat sich in die Spitze des Zuges eingereiht, der vom Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Wittenbergplatz bis zum Brandenburger Tor läuft. Eine Kollegin der Gewerkschaft Verdi murmelt: „Dass ausgerechnet der hier bei uns mitläuft...“

Wowereit schiebt die Sonnenbrille zurecht und begrüßt die Berliner Verdi-Chefin Susanne Stumpenhusen herzlich, sie führt den Bürgermeister vom Brandenburger Tor über das Grillfest der Gewerkschaften im Tiergarten. Auf der Straße des 17. Juni finden sich im Tagesverlauf zu Bier und Bratwürsten mit fast 15 000 Besuchern allerdings deutlich mehr Interessierte ein als noch auf der morgendlichen Demonstration. Dort haben zahlreiche Teilnehmer dieses Jahr vor allem eine Botschaft mitgebracht: „Atomkraft – nein danke!“. Ansonsten bleiben die Sprechchöre eher leise. Etwas routiniert trotten die Demonstranten über den Potsdamer Platz. „Wird Zeit, dass sich die Leute mal wehren“, sagt ein Mann, Ende 30, mit Fahne der IG Bau in der Hand. „Als Ossi“, wie er sagt, „will ich endlich den gleichen Lohn wie im Westen.“ Die Demo am 1. Mai sei sein erster Protestmarsch überhaupt.

„Mir fehlt die Forderung nach einer Systemänderung. Die reden hier nur über Symptome“, schimpft eine junge Frau, ihre Freundin nickt. Andere finden die abendliche „Revolutionäre Mai-Demonstration“ in Kreuzberg politisch richtiger, wollen aber etwaige Straßenschlachten meiden. Auf der Bühne am Brandenburger Tor greift die Berliner DGB-Chefin Doro Zinke die Bundesregierung an. Eine arbeitnehmerfreundliche Politik scheitere „derzeit nicht am Geld, sondern am politischen Willen“. Der Einfluss von Wirtschaftsinteressen sei stark, dabei müsse jeder etwas vom „Wohlstandskuchen“ abbekommen. Mit Blick auf die seit diesem 1. Mai geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger aus acht osteuropäischen Staaten verlangen die Gewerkschafter einen besseren gesetzlichen „Schutz vor Lohndumping und ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen“. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach fordert einen Mindestlohn und mehr soziale Sicherheit: 8,50 Euro pro Stunde sollte die unterste Gehaltsgrenze sein.

Kürzlich hatte sich auch Wowereit für bessere Löhne ausgesprochen. Carsten Becker, Personalrat bei der Charité, weist auf der Bühne darauf hin, dass bei einer Tochterfirma der landeseigenen Universitätsklinik inzwischen weniger als sechs Euro brutto die Stunde gezahlt würden – woraufhin Landesvater Wowereit böse Blicke erntet. Neben dem Bürgermeister zeigten sich bei den Gewerkschaften auch Politiker von Linken und Grünen. Nina Hagen, die das Fest musikalisch begleiten sollte, hatte übrigens kurzfristig abgesagt.

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